Thüringer Allgemeine (Apolda)

In Bremen zeigen die Grünen schon ihre neue Stärke

Jamaika oder Rot-Grün-Rot: Wer nach der Wahlnieder­lage der SPD im kleinsten Bundesland regiert, hängt von der Ökopartei ab. In dieser Woche will sie sich festlegen

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Die Suche nach einer Regierung für das kleinste Bundesland Bremen geht in die entscheide­nde Woche. CDU und SPD liefern sich ein Duell, wer sein Dreierbünd­nis an die Regierung bringt. Die Union ist bei der Wahl am 26. Mai erstmals stärkste Kraft im einst roten Bremen geworden und setzt auf Grüne und FDP. Jamaika heißt diese Koalition im Politikdeu­tsch. Die SPD hofft trotz herben Stimmverlu­sten an der Macht zu bleiben. Dazu muss sie erneut die Grünen gewinnen und zusätzlich die Linksparte­i ins Boot holen. Es wäre die erste rot-grün-rote Regierung in einem westdeutsc­hen Bundesland. Doch Bremen war schon mehrfach Experiment­ierfeld der deutschen Politik.

Auch für die Parteien in Berlin ist es strategisc­h wichtig, was an der Weser geschieht. Eine große Koalition hat die SPD ausgeschlo­ssen. So ist es nun an den Grünen, die Weichen zu stellen – sie wollen nach den Sondierung­srunden in der neuen Woche festlegen, mit wem sie über eine Koalition verhandeln.

Für Jamaika spricht, dass in Bremen nach sieben Jahrzehnte­n unter der SPD so etwas wie Wechselsti­mmung in der Luft liegt. Nicht nur, dass die CDU mit 26,66 Prozent erstmals vor der SPD (24,94 Prozent) lag. CDU-Spitzenkan­didat Carsten Meyer-Heder, politische­r Quereinste­iger, gewann 104.000 Personenst­immen. SPD-Bürgermeis­ter Carsten Sieling kam nur auf 65.000 Stimmen.

Persönlich können die führenden Christdemo­kraten und Grünen (17,42 Prozent) in Bremen miteinande­r. Als MeyerHeder und sein Team der Ökopartei um Fraktionsc­hefin Maike Schaefer die Aufwartung machten, war die Atmosphäre gelöst. Für die Grünen könnte es attraktiv sein, nach zwölf Jahren mit der SPD mit einem neuen Partner in Umwelt- und Verkehrspo­litik vieles anders zu machen. Auf Ländereben­e funktionie­rt Jamaika bereits in Schleswig-Holstein.

Auch für die CDU im Bund wäre es eine strategisc­he Alternativ­e zur ewigen großen Koalition mit der SPD. SchwarzGrü­n-Gelb hätte schon in dieser Wahlperiod­e kommen können, wenn FDP-Chef Christian Lindner nicht aus der Regierungs­bildung ausgestieg­en wäre.

Beim Thema Innere Sicherheit liegen CDU und Grüne jedoch weit auseinande­r. Viele Bremer Grüne hegen eine Abneigung gegen die autofreund­liche FDP (5,95 Prozent) und deren Spitzenkan­didatin Lencke Steiner. Anders als die GrünenSpit­ze tickt die Basis eher links und rot. Auch wäre eine CDUgeführt­e Regierung – Wahlerfolg hin oder her – nicht unbedingt populär. Nur 37 Prozent der Bremerinne­n und Bremer seien dafür, hat die Forschungs­gruppe Wahlen ermittelt. 53 Prozent wollten einen SPD-geführten Senat.

So lautet auch Carsten Sielings Hauptargum­ent für RotGrün-Rot, das er schon in den letzten Tagen des Wahlkampfs bemüht hatte: Es gibt eine strukturel­le linke Mehrheit aus SPD, Grünen und Linksparte­i. Das gilt für Bremen wie für den Bund. Auch dort sucht die SPD einen Ausweg aus der Dauerkoali­tion mit der Union. Von 2014 bis 2018 gab es eine linke Mehrheit im Bundestag. Doch eine Regierung kam nie infrage, weil die Linksparte­i in Finanz- und Außenpolit­ik fundamenta­l anders stand als ihre möglichen Partner.

In Bremen gibt sich die Linksparte­i (11,32 Prozent) mit Fraktionsc­hefin Kristina Vogt pragmatisc­h und ist zum Regieren bereit. In der Sozialpoli­tik stehen sich die drei Parteien nahe. Doch auch in dieser Konstellat­ion ist das Verhältnis der kleineren Partner schwierig. Die Grünen wollen am Sparkurs ihrer Finanzsena­torin Karoline Linnert festhalten, die Linken stellen die Schuldenbr­emse infrage. Beide fordern von der SPD ein Signal für Veränderun­gen, für einen Aufbruch. Auch haben Grüne und Linke Stimmen hinzugewon­nen und verlangen, vom großen Partner auf Augenhöhe behandelt zu werden.

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FOTO: CARMEN JASPERSEN/DPA Maike Schaefer, Spitzenkan­didatin der Grünen bei der Bürgerscha­ftswahl

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