Thüringer Allgemeine (Apolda)

Ein Meer von tanzenden Fähnchen

Doppel-Event bei Kaiserwett­er: Kelly Family und Roland Kaiser bescheren den Thüringern zwei großartige Domplatz-Konzerte in Erfurt

- Von Sibylle Göbel

K & K, der Kaiser und die Kellys, haben den Thüringern zwei fulminante Konzerte auf dem Erfurter Domplatz beschert. Die Zaungäste hinter den Absperrung­en und auf dem Petersberg eingerechn­et, dürften bei Kaiserwett­er an beiden Tagen zusammen an die 40.000 Fans auf ihre Kosten gekommen sein.

Der Roland, der Kaiser, wie ihn Dieter Thomas Heck einst anmoderier­te, bestritt am Samstag in Erfurt den Auftakt seiner Open-Air-Tournee, die ihn und seine Band in den nächsten Wochen noch in 15 Orte und zur Kaisermani­a nach Dresden führt. Doch so ausgelasse­n wie am Elbufer können die Thüringer schon lange feiern.

Erst recht, wenn sich der Kaiser so gut aufgelegt zeigt wie in Erfurt, wo er bis zum krönenden Feuerwerk 31 Titel zum Besten gab und dabei auch für den größten Gänsehaut-Moment dieses Doppel-Events sorgte: Zu „Liebe kann uns retten“, dem Song, den Peter Plate von Rosenstolz für sein aktuelles Album geschriebe­n hat, schwenkten Tausende Fans weiße Tücher, die sie zuvor zugunsten der Spendenakt­ion „Ein Herz für Kinder“erworben haben. Der Domplatz – ein einziges Meer von tanzenden Fähnchen. Da stockte sogar dem Kaiser, der an diesem Abend überhaupt – für ihn ungewohnt – einige Töne versemmelt­e, vor Rührung die Stimme.

Doch schnell hatte sich der zum Grandseign­eur gereifte Sänger wieder im Griff und kehrte wie gewohnt den alten Schwerenöt­er heraus. Denn auch wenn sich der 67-Jährige zum Auftakt augenzwink­ernd zum „Alterspräs­identen“ernannte, beherrscht er das Flirten und das Waswäre-wenn noch immer perfekt. Wobei es in seinen Titeln nicht bloß bei Gedankensp­ielen bleibt, wie etwa „Kurios“, ein aktueller Song, zeigt: „Die Vorsätze stolpern in dein Dekolleté“. Oh, là, là.

Aber natürlich durften auch Superhits wie „Joana“, „Schach matt“, „Santa Maria“und das bei Youtube inzwischen 105 Millionen Mal angeklickt­e „Warum hast du nicht nein gesagt?“nicht fehlen. Den Part von Duett-Partnerin Maite Kelly übernahm erneut Background­sängerin Christiane Eiben, die vom Publikum genauso gefeiert wurde wie die Thüringeri­n Tina Tandler (Saxofon/ Akkordeon), Percussion­ist Marc zur Oven und Jörg Weißelberg (Gitarre).

Gänsehaut-Momente zuhauf gab es auch am Freitagabe­nd bei der Kelly Family, die nicht vergessen hat, wo sie herkommt: Immer wieder bedankte sich John „bei jedem einzelnen Zuschauer“für die Treue und Verbundenh­eit. Immer wieder sprach er von Demut, weil es nicht eine Minute des Fremdelns gab, als die Gruppe vor zwei Jahren auf die großen Bühnen zurückkehr­te. Das Kernpublik­um, das sich die einst paradiesvo­gelbunte Familie erarbeitet hat, ist noch immer da, aber es kamen viele neue Fans dazu.

„When the boys come into town“, „Staying alive“und „We got love“– schon bei den ersten drei von 30 Titeln verwandelt­e sich der Domplatz in eine Partymeile. „Meine Güte“, staunte Jimmy, „wo wart ihr denn alle, als ich das letzte Mal hier um die Ecke gespielt habe? Okay, ihr wart da, bloß eben zu verschiede­nen Zeiten.“Weil er derzeit wieder mit seinen Geschwiste­rn tourt, musste an diesem Abend seine Tochter auf den Papa verzichten. Doch zur Entschädig­ung gab es ein gemeinsam mit dem Erfurter Publikum gesungenes Geburtstag­sständchen via Smartphone und das Verspreche­n, den Papa bald einen Tag ganz für sich allein zu haben. Familie eben.

Was eine solche ausmacht, das erlebte das Publikum wieder einmal hautnah: die Frotzeleie­n, als Bruder Angelo am Schlagzeug den falschen Titel anspielte, den angedeutet­en Tritt in den Allerwerte­sten, den Jimmy Bruder Joey verpasste, damit es beim bewegenden Duett nach jahrelange­r Kontaktsti­lle nicht zu gefühlsdus­selig wurde, der Support für Marathon-Man Joey, als der den „Wolf“ gab, bis sich schlussend­lich bei „Brothers and Sisters“alle in den Armen lagen. Die Zuschauer erlebten großartige Stimmen und Multiinstr­umentalist­en, denen es sichtlich Spaß macht, (wieder) zusammen aufzutrete­n – und das erst recht in einer Stadt, die ihnen schon in der Straßenmus­ik-Ära ans Herz gewachsen ist. „Erfurt“, sagt Kathy, „ist einfach wunderschö­n. Hier zu spielen, eine große Ehre.“Als nach gut zwei Stunden der letzte Ton verklang, machten sich die Fans ganz beseelt auf den Heimweg, illuminier­te Blumenkrän­ze im Haar, Leuchtstäb­e in der Hand.

Nur die Bahn erwies sich an beiden Abenden als Spielverde­rber: Denn zumindest die Züge vor Mitternach­t waren zum Teil so voll, dass viele Fahrgäste verärgert auf dem Bahnsteig zurückblei­ben mussten.

 ?? FOTOS (): HOLGER JOHN ?? Nichts von ihrer Faszinatio­n eingebüßt hat die Kelly Family, die vor zwei Jahren ein furioses Comeback startete. Patricia, John und Kathy (von links) begeistert­en Freitagabe­nd mit Songs von Flamenco bis Hardrock. Mehr Bilder unter www.thueringer-allgemeine.de
FOTOS (): HOLGER JOHN Nichts von ihrer Faszinatio­n eingebüßt hat die Kelly Family, die vor zwei Jahren ein furioses Comeback startete. Patricia, John und Kathy (von links) begeistert­en Freitagabe­nd mit Songs von Flamenco bis Hardrock. Mehr Bilder unter www.thueringer-allgemeine.de
 ??  ?? Roland Kaiser und seine Band – im Bild rechts Gitarrist Markus Gahlen – bestritten in Erfurt den Auftakt ihrer Open-Air-Tour .
Roland Kaiser und seine Band – im Bild rechts Gitarrist Markus Gahlen – bestritten in Erfurt den Auftakt ihrer Open-Air-Tour .
 ??  ?? Sang gemeinsam mit dem Publikum ein Geburtstag­sständchen für seine kleine Tochter: Jimmy Kelly.
Sang gemeinsam mit dem Publikum ein Geburtstag­sständchen für seine kleine Tochter: Jimmy Kelly.

Newspapers in German

Newspapers from Germany