Stolz in Weimar
Wie Landtagsfraktionschef Mohring die Konferenz mit Amtskollegen nutzt, um seine Wahlchancen zu verbessern. Auch Kanzlerin schaute vorbei
Am Nachmittag, pünktlich um 14.30 Uhr, ist sie da, die Frau, die Deutschland unentwegt und ja, geradezu stoisch regiert. Mögen um sie herum die Parteivorsitzenden schlingern oder scheitern, mag die eigene Koalition zum Endspiel antreten: Angela Merkel steht sehr entspannt im Sonnenschein vor der Weimarhalle und lässt sich ausgiebig von Mike Mohring herzen.
Die Bundeskanzlerin besucht die Landtagsfraktionschefs der Union, die hier seit Sonntag tagen. Das Ganze ist eine politiktechnische Veranstaltung, die der internen Verständigung und der Weiterbildung beim Thema Klimaschutz dient. Öffentliche Wirkung gewinnt sie nur dadurch, dass neben dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) auch Merkel kurz vorbeischaut, trotz SPDImplosion und CDU-Sonderklausur.
Mohring, der thüringische Partei- und Fraktionschef, leitet seit sechs Jahren die Konferenz. Mit ihr konnte er sein Netzwerk ausbauen, das Teil der Basis wurde, dank der er im vorigen Dezember ins Bundespräsidium der CDU gewählt wurde.
Spätestens seitdem hat sich Mohring neben dem sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer als wichtigste Stimme der ostdeutschen CDU etabliert. Die offensive Weise, wie er danach mit seiner Krebserkrankung umging, hat die Aufmerksamkeit nochmals erhöht.
Und so repräsentieren die Bundeskanzlerin, die sich auf einer Art Abschiedstournee befindet, und der fast zwei Jahrzehnte jüngere Landespolitiker, der demnächst Ministerpräsident werden will, an diesem sommerheißen Tag einen Zielkonflikt innerhalb der CDU. Während sie vor allem versucht, ihr politisches Erbe in Berlin zu verwalten, drängt er nach raschen Entscheidungen, um seine Chance auf das Ministerpräsidentenamt in Erfurt zu wahren.
Die ganze lange Woche seit der Europawahl hatte Mohring auf allen Kanälen Dauerkritik an der CDU und der Koalition in Berlin geübt, in Zeitungen, Fernsehsendern, Agenturen und sozialen Netzwerken. Er beklagte das „Kommunikationsdesaster“der Bundespartei, die sich mit der Reaktion auf das Video des Youtubers Rezo „endlos blamiert“habe. Er griff die große Koalition an, die ihre Versprechen beim Soli-Zuschlag und der Grundrente nicht erfülle und deshalb mit Vertrauensentzug bestraft worden sei. Und er gab der Parteivorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer für ihre Überlegungen, Youtube zu regulieren, schlechte Haltungsnoten.
Zwar hat Mohring schon immer versucht, sich mit Kritik an den Berliner Zuständen und vor allem an Merkel zu profilieren und bekannt zu machen. Doch diesmal geht es tatsächlich um seine politische Zukunft. Bleibt der Bundestrend der CDU so mies wie er ist, droht die ultimative Niederlage bei der Landtagswahl am 27. Oktober.
Die „Weimarer Erklärung“, die von den Fraktionschefs beschlossen wird, besteht denn auch zur Hälfte aus dem, was Mohring seit Längerem fordert: Grundrente einführen, Solidaritätszuschlag teilweise abschaffen, dazu mindestens zwei Kompetenzzentren für Künstliche Intelligenz in den neuen Ländern aufbauen. Er sei, sagt er, dankbar für die Solidarität der Amtskollegen, dass es im Wahljahr eine „Priorität Ost“gebe. Ansonsten arbeitet sich der Fraktionschef in Weimar aber doch lieber an der SPD ab, während er die eigene Partei auffällig schont. Der Koalitionspartner im Bund müsse endlich aufhören, mit seiner Rolle innerhalb der Regierung zu hadern, sagt er auf einer Pressekonferenz mit Söder am Morgen. Ähnlich sieht es der CSU-Vorsitzende, der im Übrigen Mohring als einen „der ganz starken Vertreter einer neuen Politikergeneration“bezeichnet: Sein Freund Mike könne „aus Thüringen noch eine ganze Menge mehr machen“.
Am Nachmittag, als die Bundeskanzlerin da ist, beweist dann Mohring seine ganze politische Elastizität. So überschwänglich er die Bundeskanzlerin begrüßt, so kritikfrei gibt er sich. Auf der Pressekonferenz mit ihr redet er nur allgemein davon, dass die Koalition jetzt eine „gute Handlungsfähigkeit“beweisen sollte. Ansonsten sei er ihr „von Herzen dankbar“, dass sie nach Weimar gekommen sei. „Du hast ja, glaube ich, auch gemerkt, auch am Applaus: Diese Runde ist sehr stolz, dass die Kanzlerin bei ihr ist und dass Du unsere Kanzlerin bist.“
Angela Merkel beantwortet diese Artigkeiten mit dem Lob des „herausragenden Gastgebers“und sagt dann einige Sätze zum Zustand der SPD und der Koalition, die man schon aus der Tagesschau kennt. Auf die Frage dieser Zeitung, wie denn CDU und SPD angesichts des Zustands ihrer Regierung die Abstrafung im Osten vermeiden wollten, antwortet sie nach einigen allgemeinen Sätzen mit der Formel, dass es darum gehe, Probleme zu lösen. Dies mache die Koalition gerade, und zwar „sehr konsequent“.
Und was sagt Mike Mohring? „An dieser Stelle stimme ich der Kanzlerin zu 100 Prozent zu.“
Söder und sein Freund Mike