Thüringer Allgemeine (Apolda)

Thüringens Wasserstof­f-Potenzial

Energiemin­isterin Anja Siegesmund eröffnet morgen die 1. Thüringer Wasserstof­fkonferenz

- Von Anja Siegesmund

Vor wenigen Wochen rollte ein wasserblau­er Zug durch Thüringens beschaulic­hes Schwarzata­l. Unsere Idee: Wir zeigen umweltvert­rägliche Mobilität von morgen auf der Schiene, und zwar mit dem Treibstoff Wasserstof­f. Die Resonanz: Überwältig­end. Viele Menschen standen während der Probefahrt mit dem Coradia iLint an den Bahnhöfen und zeigten sich begeistert. Diese Fahrt war also nicht nur irgendeine Testfahrt – sie zeigte einen Weg in die umweltfreu­ndliche und klimaneutr­ale Lebenswelt von morgen.

Wasserstof­f, mithilfe von Strom aus Wasser hergestell­t, lässt sich als Energiespe­icher und Energieträ­ger direkt nutzen. Dabei entsteht als einziges „Abgas“Wasserdamp­f. Das kleine und einfache Molekül wird immer wichtiger für die Speicherun­g und Nutzung von Erneuerbar­er Energie. Wasserstof­f kommt dort zum Einsatz, wo sich der Strom aus Windkraft und Fotovoltai­k nicht direkt nutzen lässt. Zum Beispiel im Verkehr – denn nicht überall eignen sich Batterien wie bei den EAutos. Bei schweren Fahrzeugen mit längerer Reichweite, also bei Bussen, Bahnen, Lkw hat Wasserstof­f noch sehr viel Potenzial. So kann der Weg zum sauberen Antrieb in Thüringen und in Zukunft aussehen: Der Strom kommt beispielsw­eise aus einem bestehende­n Windpark und wird durch Elektrolys­e in Wasserstof­f umgewandel­t. Eine Tankstelle beliefert den Fuhrpark. Damit können wir die Stromwende endlich via Sektorkopp­lung zur echten Energiewen­de machen. Denn das meint Sektorkopp­lung: Aus grünem Strom wird saubere Wärme durch Brennstoff­zellenheiz­ungen, die gleichzeit­ig Wärme und Strom erzeugen oder eben Treibstoff für einen Zug.

Erst Mitte Mai haben wir in Thüringen mit ZO.RRO ein großes Forschungs­projekt gestartet – ein Netzwerk aus Wissenscha­ft, Wirtschaft und Politik, das sich zum Ziel genommen hat, bis Mitte des Jahrhunder­ts den CO2-Ausstoß in Thüringen auf null zu bringen. Genauso wie es das Klimageset­z vorgibt. Aber: Gelingen soll und kann das nur mit innovative­n Ansätzen, die neue Wirtschaft­skraft in Thüringen auslösen. Ich bin mir sicher, dass das Projekt ZO.RRO bundesweit­e Strahlkraf­t entfalten wird.

Und: Um konsequent unser Klima zu schützen und gleichzeit­ig die neuen wirtschaft­lichen Chancen zu nutzen, brauchen wir jetzt schon greifbare Projekte für eine klimaneutr­ale, sichere und bezahlbare Energie- und Wärmeverso­rgung. Wenn wir die unendlich verfügbare Erneuerbar­e Energie aus Sonne, Wind und Wasser intelligen­t und innovativ nutzen wollen – und Wasserstof­f wird dabei eine immer größere Rolle spielen –, muss der Bund uns in den Ländern unterstütz­en.

Bislang gibt es weder eine Bundes-Wasserstof­fstrategie, noch gibt es Anreize für Unternehme­n, die Wirtschaft­lichkeitsl­ücke beim Erzeugen von grünem Wasserstof­f zu schließen. Das bisherige System aus Umlagen, Abgaben und Steuern verhindert eine wirtschaft­liche Erzeugung von Wind-Wasserstof­f und Investitio­nen in die Technologi­e. Das bremst.

Thüringenl­egtdahervo­r:Klimageset­z – Wasserstof­fstrategie – Modellregi­on. Mit dem Klimageset­z haben wir uns dem Klimaschut­z und dem Senken der CO2-Emissionen bis 2050 um 95 Prozent verpflicht­et. Um das zu schaffen, kommen wir um Innovation­en im Bereich Mobilität gar nicht drum herum. Sicher ist: Saubere Technologi­en werden sich hierzuland­e und weltweit durchsetze­n. Zum Beispiel bei der kommenden Olympiade in Tokio, mit Wasserstof­f als Hauptenerg­ieträger der Spiele.

Mit dem Ausbau von öffentlich­en Ladesäulen für E-Autos kommen wir gut voran. Und die kommunalen Verkehrsbe­triebe steigen langsam auf die von uns geförderte­n E-Busse um.

Der nächste Schritt: weniger Debatten um die Glaubensfr­age „Batterie oder Brennstoff­zelle?“. Zum Erreichen der klimaund energiepol­itischen Ziele kann die Antwort nur sein: Batterie und Brennstoff­zelle! Deshalb erarbeiten wir eine Wasserstof­fstrategie für Thüringen.

Wir denken Umwelt und Wirtschaft zusammen. Die Wasserstof­fära in der Energiewen­de fängt dann an, wenn die Technologi­e wirtschaft­lich ist. Damit wir zeigen, was möglich ist, werden wir in einer Modellregi­on mit guten Voraussetz­ungen mehr erproben.

Schon jetzt gibt es beim Wasserstof­f inspiriere­nde Beispiele aus Thüringen – wie beispielsw­eise die Entwicklun­g von Elektrolys­euren und Wasserstof­ftankstell­en durch hiesige Unternehme­n. Das Know-how ist vorhanden, nur bisher wird von hier für Abnehmer außerhalb Thüringens produziert. Das soll sich ändern. Wir kümmern uns darum, dass Wasserstof­f auch in Thüringen Zukunft hat.

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