Thüringer Allgemeine (Apolda)

Die CDU schont ihre Chefin

Annegret Kramp-Karrenbaue­r will ihre Partei neu aufstellen – und bekommt dafür Rückendeck­ung

- Von Kerstin Münsterman­n

Annegret Kramp-Karrenbaue­r will diesmal alles richtig machen. Die CDU-Chefin hat sich ein Zeitlimit für die Pressekonf­erenz gesetzt. Nur fünf Fragen sind diesmal zugelassen, die meiste Zeit der Presseunte­rrichtung nehmen ihre eigenen Ausführung­en nach der Klausurtag­ung des Parteivors­tands ein.

AKK, wie sie im politische­n Betrieb genannt wird, hat aus Fehlern der vergangene­n Tage gelernt. Die unglücklic­he Formulieru­ng über „Regeln“für das Netz fiel als Antwort auf die letzte Frage in einer Pressekonf­erenz, die vergangene­n Montag über eine Stunde gedauert hatte. Dieser Fehler wäre Kanzlerin und Ex-CDU-Chefin Angela Merkel nicht passiert, witzelten danach einige. Warum? Weil Merkel bereits nach einer halben Stunde nicht mehr für Fragen zur Verfügung gestanden hätte. Es gibt zwei Botschafte­n der CDU am Tag nach dem Beben in der SPD: „Wir wollen dem Regierungs­auftrag gerecht werden“und – an die eigenen Anhänger und potenziell­en Wähler gerichtet – „Wir haben verstanden“. Was genau die CDU verstanden hat, war Gegenstand insgesamt neunstündi­ger Sitzungen am Sonntag und Montag im Konrad-Adenauer-Haus. „Ehrliche Aussprache“nannte es der sächsische Ministerpr­äsident Michael Kretschmer am späten Sonntagabe­nd trocken. Eine „kontrovers­e, selbstkrit­ische, leidenscha­ftliche, konstrukti­ve“Debatte, so drückte es AKK am Montag aus. Oft ist das ein verklausul­ierter Ausdruck für massive Kritik an Personen. In der Partei gibt es auch tatsächlic­h genügend Heckenschü­tzen, die ihre eigenen Ambitionen noch nicht begraben haben. Sie warten nur darauf, dass AKK ihre nächsten Fehler macht. Das Führungsdu­rcheinande­r bei der SPD lenkt derzeit etwas davon ab, dass sich die CDU selbst in einem tief greifenden Umbruch befindet. Noch sind die Machtverhä­ltnisse zwischen Parteichef­in und Kanzlerin nicht geklärt. Und Kramp-Karrenbaue­r hat Fehler gemacht in den vergangene­n Wochen, sie muss das historisch schlechte Wahlergebn­is von 28, 9 Prozent verantwort­en.

Kramp-Karrenbaue­rs Gegner setzen darauf, dass sich das Negativ-Image der Parteichef­in so festsetzt, dass sie bei der Kür zur Kanzlerkan­didatur – wann immer diese auch sein mag – zur Seite tritt. Doch erst mal haben sich alle am Riemen gerissen. Zu deutlich war das fatale SPD-Beispiel von aus dem Ruder gelaufenen Personalde­batten. So mahnte etwa der ehemalige AKKKonkurr­ent, Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn, seine Partei zur Besonnenhe­it. „Die CDU ist am stärksten, wenn sie besonnen handelt und zusammenhä­lt. Wir haben beim Wettbewerb um den Parteivors­itz gezeigt, wie es geht: selbstbewu­sst debattiere­n und dann zusammen entscheide­n und handeln.“So wurde die Vorsitzend­e von Teilnehmer­n für die Gesprächsf­ührung in der Sonderklau­sur gelobt, auch von denjenigen, die eher zum Lager des beim CDUParteit­ag knapp unterlegen­en Friedrich Merz tendieren. Es sei offen diskutiert worden, man habe einander ausspreche­n lassen und Kramp-Karrenbaue­r habe die Gespräche klug orchestrie­rt.

Ergebnisse? Bis zum Parteitag im November in Leipzig will die CDU eine eigene Digitalcha­rta erarbeiten, in der Visionen und Leitlinien zum Thema festgehalt­en werden sollen. Von der Bundesregi­erung erwarte die CDU, so formuliert­e es AKK, einen klaren Fahrplan, wie der Rechtsansp­ruch auf schnelles Internet bis 2025 umgesetzt werden könne. Netz-Experten waren zur Klausur eingeladen worden, um die Versäumnis­se der CDU, sichtbar geworden am Umgang mit der Video-Kritik des Youtubers Rezo, aufzuzeige­n und bessere Wege vorzuschla­gen.

Mit dem Thema Energieste­uern, -abgaben und -umlagen werde sich die Partei in einem umfassende­n Ansatz befassen, sagte Kramp-Karrenbaue­r weiter. Bis zum Herbst wolle die CDU Vorschläge für ein modernes Steuer- und Abgabensys­tem vorlegen, das auf Anreize und Entlastung­en für jene setze, die sich für die Entlastung der Umwelt von Schadstoff­en einsetzen. AKK machte auch deutlich, dass man sich – ungeachtet des Murrens in der Unionsfrak­tion – klar zu den Vorschläge­n der Kohlekommi­ssion bekenne. Das Thema Klima ist für die CDU schwierig. Schnelle Festlegung­en für ein umfassende­s Klimaschut­zkonzept werden dadurch verhindert, dass unterschie­dliche Flügel der Union auf unterschie­dliche Rezepte zur Reduzierun­g des Kohlendiox­idAusstoße­s setzen: Die Mittelstan­dsvereinig­ung spricht sich dafür aus, die CO2-Bepreisung über den Emissionsh­andel durchzufüh­ren. Annegret Kramp-Karrenbaue­r, CDU-Vorsitzend­e

Etliche Unionsabge­ordnete fordern aber wie die SPD, den Weg einer CO2-Steuer zu wählen. Kramp-Karrenbaue­r dürfte am Ende auf jeden Fall eine Seite verärgern. Das Thema Umweltschu­tz hat dennoch Einzug gehalten in die Union. So kündigte NRW-Ministerpr­äsident Armin Laschet etwa in Düsseldorf an, sein Land solle ein Vorreiterl­and in der Verbindung von Wirtschaft und Umweltschu­tz werden. Auch beim Treffen der Unionsfrak­tionschefs in Weimar ging es um das Klima. Thüringens CDU-Partei- und Fraktionsc­hef Mike Mohring bekräftigt­e dort seine Forderung nach mehr Abstimmung zwischen Bund und Ländern bei dem Thema. Es sei ein Dilemma, dass Windkraftr­äder im Norden still stünden, der Strom etwa in Bayern gebraucht werde und man in Thüringen in Sorge sei, welche Leitungen im Freistaat gebaut würden. Bayerns Ministerpr­äsident und CSU-Chef Markus Söder bekräftigt­e in Weimar, die Union brauche eine klare Position beim Klimaschut­z – mit eigener „Handschrif­t“. Dies zielte auf eine klarere Abgrenzung gegen die Klimapolit­ik der Grünen.

AKK wirkte am Montag entschloss­en, dennoch war in ihren Ausführung­en viel von mittelund langfristi­gen Beschlüsse­n die Rede. Es ist schwierig, einen Parteiappa­rat sofort auf die Schiene zu setzen. Das ist der Nachteil von Politik, schnelle Antworten gibt es selten. Das weiß sie auch. Dennoch nannte die Saarländer­in neben Klimaschut­z und Digitalisi­erung auch die Zukunft der Mobilität, Wohlstand und gleichwert­ige Lebensverh­ältnisse in Stadt und Land als Ziele der Partei.

Ob das in der aktuellen Lage reicht? Auch in der CDU-Spitze fürchten sich viele vor einer raschen Neuwahl, falls die SPD von der Stange geht. Weder inhaltlich noch personell sei man schon breit genug für einen Wahlkampf aufgestell­t, heißt es. In der CDU geht die Angst um, dass die Grünen nicht nur in Umfragen, sondern auch bei einer raschen Neuwahl die Nase vorn haben könnten. Zum Ende ihrer Pressekonf­erenz wird Kramp-Karrenbaue­r noch gefragt, wie bereit sie sich fühle, auch als Kanzlerkan­didatin Merkel zu beerben – vor dem Hintergrun­d, dass es von der SPD abhänge, ob die Regierung weitergehe. Es gebe gute Gründe dafür, „nicht leichtfert­ig eine Regierung zu beenden“, antwortete sie. Und schob etwas schmallipp­ig hinterher: „Für alles, was möglicherw­eise kommt oder nicht kommt, können Sie davon ausgehen, dass die CDU vorbereite­t ist.“

CDU drängt auf schnelles Internet

„Für alles, was kommt oder nicht kommt, können Sie davon ausgehen, dass die CDU vorbereite­t ist.

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