Österreich: Expertenregierung vereidigt
Meist unbekannte Fachleute sollen das Land nun aus der Regierungskrise führen
Erste Kanzlerin, erste Expertenregierung, erstmals gleich viele Männer wie Frauen im Kabinett: Österreich setzt nach der schweren politischen Krise mit einer neuen Regierung Maßstäbe. Die bisherige Verfassungsrichterin Brigitte Bierlein wurde am Montag von Bundespräsident Alexander Van der Bellen zur Kanzlerin ernannt. „Ich bin überzeugt, dass die neue Regierung unser Land politisch, diplomatisch und sympathisch vertreten wird“, sagte Van der Bellen. Bierlein betonte bei ihrer ersten Rede, dass sie sich der großen Verantwortung des Amtes bewusst sei und dieses „mit Demut“annehme.
Bierlein und ihre elf Minister sollen die Geschäfte des Landes bis zu den Neuwahlen im September und den anschließenden Verhandlungen für eine neue Koalition führen. Ex-Kanzler Sebastian Kurz hatte diese nach der Veröffentlichung des Skandal-Videos von Ibiza ausgerufen. Auf dem Video, heimlich aufgenommen im Sommer 2017, ist der spätere Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) im Gespräch über mögliche politische Einflussnahme mit einer vermeintlichen russischen Investorin zu sehen. Strache trat zurück, die gesamte Regierung zerbrach, und eine Mehrheit von rechter FPÖ und sozialdemokratischer SPÖ drängte auch Kurz und alle seine Minister aus den Ämtern.
Van der Bellen entschied sich daraufhin, Bierlein zur Chefin einer Expertenregierung für den Übergang zu machen. Die 69Jährige versicherte den Bürgern am Montag, dass die Stabilität des Staates nicht in Gefahr sei. „Ich möchte Ihnen, geschätzte Bürgerinnen und Bürger, versichern, dass Ihnen alle Dienstleistungen des Staates zur Verfügung stehen werden“, sagte Bierlein. Österreich sei ein Land mit „einem stabilen Rechtsstaat, einer hervorragenden Bundesverfassung, starken Institutionen und großartigen Beamten“.
Die neue Regierung besteht ausFachleuten;vielederMinister waren zuletzt in leitenden Positionen in den jeweiligen Ressorts tätig. Neuer Vizekanzler und Justizminister ist der langjährige Präsident des Verwaltungsgerichtshofs, Clemens Jabloner. Dem Vernehmen nach lange verhandelt wurde über das Amt des Innenministers. Dieses übernimmt Wolfgang Peschorn, bisher oberster Rechtsvertreter des Staates. (dpa)