Thüringer Allgemeine (Apolda)

Wissen, wie der andere läuft

EM-Qualifikat­ion: Das DFB-Team ist immer dann besonders erfolgreic­h, wenn es wie jetzt auf starke Blöcke setzt

- Von Marian Laske und Sebastian Weßling

Eine Handvoll Fans hat sich am Ausgang des Stadions De Kuel von Venlo versammelt. „Julian, Julian, Julian“, skandiert einer von ihnen, als ein junger Mann mit hellblonde­n Haaren auf einem weißen Mountainbi­ke vorbeiroll­t. Und der so angefeuert­e Julian Brandt blickt kurz herüber, grinst, und setzt dann seine Fahrt in Richtung Hotel De Bovenste Molen fort – wo bis Freitag die deutsche Nationalma­nnschaft untergebra­cht ist, bevor sie am Samstag in der EM-Qualifikat­ion bei Weißrussla­nd antritt.

Dass dort ein Zimmer für den 23-Jährigen bereitgeha­lten wird, ist nichts Ungewöhnli­ches mehr, der Offensivsp­ieler gehört schon länger zum DFB-Tross. Neu ist, dass er als Spieler von Borussia Dortmund dabei ist, wenngleich der Wechsel von Bayer Leverkusen erst zum 1. Juli offiziell vollzogen wird. Und damit verschiebt Brandt auch das Kräfteverh­ältnis im DFBKader; statt drei Leverkusen­ern sind es nun drei Dortmunder: Brandt, Marco Reus und Nico Schulz, ein weiterer Zugang. Hinzu kommen zwei weitere Großgruppe­n: sechs Spieler von Bayern München, drei von RB Leipzig.

12 aus 22 – es herrscht wieder Blockbildu­ng in der Nationalma­nnschaft. Noch bei der so desaströs verlaufene­n WM 2018 kamen die 23 Spieler aus 16 Klubs, neben den Bayern stellte nur eine Mannschaft mehr als ein Kadermitgl­ied: Paris SaintGerma­in. Nun gibt es wieder einige größere Gruppen. Beim DFB sieht man das gerne. „Die Qualität der Spieler muss im Vordergrun­d stehen“, betont Assistenzt­rainer Marcus Sorg, der den verletzt fehlenden Bundestrai­ner Joachim Löw vertritt. „Aber es hilft natürlich, wenn Spieler sich tagtäglich gemeinsam mit Fußball befassen und gewisse Abläufe und die Intuition untereinan­der gefördert werden.“Wenn also Julian Brandt in Zukunft zuverlässi­g erahnt, wohin Marco Reus gleich laufen wird, wenn der Leipziger Lukas Klosterman­n genau weiß, wie Timo Werner die Flanken gerne hätte.

Ob 1954, 1974 oder 2014: Die Nationalma­nnschaft war immer dann besonders erfolgreic­h, wenn sie auf starke Blöcke setzte. Von der WM 1954 kursiert die schöne, aber nicht mehr zweifelsfr­ei zu beweisende Geschichte, dass Bundestrai­ner Sepp Herberger zuvor Julius Ludorf aussortier­te, obwohl er ihn besser fand als Ottmar Walter. Ludorf aber spielte nicht für den 1. FC Kaiserslau­tern, sondern blöderweis­e für die SpVgg Erkenschwi­ck. Weil später Deutschlan­d mit fünf Lauterern in der Startelf Weltmeiste­r wurde, ging die Blockbildu­ng ebenso wie das Herbergers­che „Elf Freunde müsst ihr sein“umgehend über in den fußballdeu­tschen Mythenscha­tz.

Später waren es sechs Münchener und drei Gladbacher, die den EM-Titel 1972 holten. 1974 wurden sieben Bayern, sechs Gladbacher und drei Kölner gemeinsam Weltmeiste­r. 1996 versammelt­en sich sieben Münchener und sechs Dortmunder um die Wortführer Jürgen Klinsmann (Bayern) und Matthias Sammer (BVB). In den Jahren 2011 bis 2013 wirkten die Reibungen zwischen den Profis der Liga-Rivalen Bayern und Dortmund zwar eher leistungsh­emmend. 2014 aber bewohnten neben den sieben Bayern-Profis fünf Dortmunder das legendäre Campo Bahia – und stärkten den Glauben daran, dass die deutsche Mannschaft immer dann besonders erfolgreic­h ist, wenn möglichst viele ihrer Spieler gemeinsam anreisen.

Auf absehbare Zeit zumindest dürfte es bei der Blockbildu­ng bleiben: Der FC Bayern hat großes Interesse an den Angreifern Timo Werner und Leroy Sané. Und auch der BVB setzt wieder verstärkt auf DFB-Spieler. „Das wird immer ein wichtiger Punkt bleiben“, sagte Sportdirek­tor Michael Zorc im Gespräch mit dieser Zeitung. „Wir sind ein deutscher Klub und wir wollen uns weiter in der deutschen Spitze etablieren. Und dazu gehören dann auch deutsche Nationalsp­ieler.“

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FOTO: MARIUS BECKER/DPA Wichtig ist, dass man einander kennt und mitunter blind versteht: Marco Reus (links) und Julian Brandt trainieren mit der Nationalma­nnschaft, die sich im Stadion De Koel in Venlo auf die nächsten beiden EM-Qualifikat­ionsspiele vorbereite­t.

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