Rätsel um erschossenen Politiker
Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke wurde unter mysteriösen Umständen getötet
Der Täter muss aus nächster Nähe geschossen haben. Mit einer Kurzwaffe, wie die Ermittler sagen. Also mit einer Pistole oder einem Revolver.Um 0.30 Uhr in der Nacht zum Sonntag entdeckt die Familie Walter Lübcke auf der Terrasse seines Wohnhauses im hessischen Örtchen Wolfhagen-Istha. Ein Projektil hatte Lübcke in den Kopf getroffen.
Die Versuche, ihn wiederzubeleben, scheitern. Um 2.35 Uhr stellen die Ärzte in der Klinik den Tod fest. Einen Suizid schließen die Strafverfolger mittlerweile aus, an der Hand des Opfers fehlen Schmauchspuren eines Schusses, wie sonst bei Menschen, die mit einer Waffe Suizid begehen. Zudem wurde die Leiche nach dem Schuss noch bewegt.
Im Vorgarten fanden die Ermittler eine riesige Blutlache und eine Spur bis zur Leiche auf der Terrasse.
Was das Motiv der Tat ist und wer der oder die Täter sind, bleibt ein Rätsel. Jedes Jahr ermittelt die Polizei in rund 3000 Tötungsdelikten in Deutschland. Nur selten gelangen die Taten an die Öffentlichkeit. Doch in diesem Fall ist das Opfer der hessische Regierungspräsident.
Lübcke war so etwas wie die Schaltzentrale zwischen der Landesregierung in Wiesbaden und der Region um Kassel. Der Fall ist brisant, 20 Ermittler arbeiten in einer Sonderkommission an der Aufklärung.
Die ersten Stunden nach der Tat sind für die Polizisten entscheidend, sie suchen nach Spuren am Tatort, befragen Nachbarn, obduzieren die Leiche. Auch die Tatwaffe ist bisher nicht aufgetaucht.
Hatte Lübcke Feinde? Wurde er überfallen? Gab es einen Streit in seinem Umfeld?
Die Strafverfolger sagen in der Pressekonferenz nur, dass sie „in alle Richtungen“ermitteln würden.Einem Bericht der „Hessischen Niedersächsischen Allgemeinen“zufolge könnte ein bislang unbekannter Mann eine Rolle gespielt haben, den Lübcke am Abend der Tat im Umfeld der Kirmes unweit seines Wohnhauses in Istha getroffen haben soll. Die Staatsanwaltschaft sagte auf Nachfrage dazu nichts, Details sind nicht bekannt.
Spekuliert wurde bisher auch über einen politischen Hintergrund der Tat.Lübcke war 2015 ins Visier von einzelnen Anwohnern, aber auch Rechtsradikalen geraten.
Im Oktober 2015 warb Lübcke um Verständnis bei den Anwohnern für den Bau einer Asylbewerberunterkunft im hessischen Lohfelden.
In einer Rede auf einer Bürgerversammlung hatte Lübcke laut Medienberichten die Eckpunkte des Baus sowie die „Werte christlicher Asylpolitik“erklärt und sich dann zudem gegen gezielte und offenbar politisch motivierte Provokationen aus dem Publikum gegen Flüchtlinge mit den Worten gewehrt: „Wer diese Werte nicht vertritt, kann dieses Land jederzeit verlassen.“
Daraufhin kam es im Saal zu lauten Zwischenrufen.Vor allem aber rechte Plattformen im Netz skandalisierten die Äußerungen von Lübcke in den Tagen danach.
Mitschnitte des Videos wurden auf Seiten von Pegida und AfD geteilt.Nach Angaben des hessischen LKA gibt es derzeit keine Hinweise darauf, dass die Drohungen von damals in einem Zusammenhang mit dem tödlichen Verbrechen gegen Lübcke an diesem Wochenende stehen.
Massiv sind allerdings schon jetzt die Reaktionen mehrerer Internetnutzer, mutmaßlich aus dem rechten und rechtsextremen Sprektrum.
Unter einem Video auf Youtube von der Rede von Lübcke 2015 heißt es nun in einem Kommentar nach dem Tod: „Das wird nicht der letzte sein...Der Krieg hat begonnen...“.