Thüringer Allgemeine (Apolda)

Rätsel um erschossen­en Politiker

Kasseler Regierungs­präsident Walter Lübcke wurde unter mysteriöse­n Umständen getötet

- Von Christian Unger

Der Täter muss aus nächster Nähe geschossen haben. Mit einer Kurzwaffe, wie die Ermittler sagen. Also mit einer Pistole oder einem Revolver.Um 0.30 Uhr in der Nacht zum Sonntag entdeckt die Familie Walter Lübcke auf der Terrasse seines Wohnhauses im hessischen Örtchen Wolfhagen-Istha. Ein Projektil hatte Lübcke in den Kopf getroffen.

Die Versuche, ihn wiederzube­leben, scheitern. Um 2.35 Uhr stellen die Ärzte in der Klinik den Tod fest. Einen Suizid schließen die Strafverfo­lger mittlerwei­le aus, an der Hand des Opfers fehlen Schmauchsp­uren eines Schusses, wie sonst bei Menschen, die mit einer Waffe Suizid begehen. Zudem wurde die Leiche nach dem Schuss noch bewegt.

Im Vorgarten fanden die Ermittler eine riesige Blutlache und eine Spur bis zur Leiche auf der Terrasse.

Was das Motiv der Tat ist und wer der oder die Täter sind, bleibt ein Rätsel. Jedes Jahr ermittelt die Polizei in rund 3000 Tötungsdel­ikten in Deutschlan­d. Nur selten gelangen die Taten an die Öffentlich­keit. Doch in diesem Fall ist das Opfer der hessische Regierungs­präsident.

Lübcke war so etwas wie die Schaltzent­rale zwischen der Landesregi­erung in Wiesbaden und der Region um Kassel. Der Fall ist brisant, 20 Ermittler arbeiten in einer Sonderkomm­ission an der Aufklärung.

Die ersten Stunden nach der Tat sind für die Polizisten entscheide­nd, sie suchen nach Spuren am Tatort, befragen Nachbarn, obduzieren die Leiche. Auch die Tatwaffe ist bisher nicht aufgetauch­t.

Hatte Lübcke Feinde? Wurde er überfallen? Gab es einen Streit in seinem Umfeld?

Die Strafverfo­lger sagen in der Pressekonf­erenz nur, dass sie „in alle Richtungen“ermitteln würden.Einem Bericht der „Hessischen Niedersäch­sischen Allgemeine­n“zufolge könnte ein bislang unbekannte­r Mann eine Rolle gespielt haben, den Lübcke am Abend der Tat im Umfeld der Kirmes unweit seines Wohnhauses in Istha getroffen haben soll. Die Staatsanwa­ltschaft sagte auf Nachfrage dazu nichts, Details sind nicht bekannt.

Spekuliert wurde bisher auch über einen politische­n Hintergrun­d der Tat.Lübcke war 2015 ins Visier von einzelnen Anwohnern, aber auch Rechtsradi­kalen geraten.

Im Oktober 2015 warb Lübcke um Verständni­s bei den Anwohnern für den Bau einer Asylbewerb­erunterkun­ft im hessischen Lohfelden.

In einer Rede auf einer Bürgervers­ammlung hatte Lübcke laut Medienberi­chten die Eckpunkte des Baus sowie die „Werte christlich­er Asylpoliti­k“erklärt und sich dann zudem gegen gezielte und offenbar politisch motivierte Provokatio­nen aus dem Publikum gegen Flüchtling­e mit den Worten gewehrt: „Wer diese Werte nicht vertritt, kann dieses Land jederzeit verlassen.“

Daraufhin kam es im Saal zu lauten Zwischenru­fen.Vor allem aber rechte Plattforme­n im Netz skandalisi­erten die Äußerungen von Lübcke in den Tagen danach.

Mitschnitt­e des Videos wurden auf Seiten von Pegida und AfD geteilt.Nach Angaben des hessischen LKA gibt es derzeit keine Hinweise darauf, dass die Drohungen von damals in einem Zusammenha­ng mit dem tödlichen Verbrechen gegen Lübcke an diesem Wochenende stehen.

Massiv sind allerdings schon jetzt die Reaktionen mehrerer Internetnu­tzer, mutmaßlich aus dem rechten und rechtsextr­emen Sprektrum.

Unter einem Video auf Youtube von der Rede von Lübcke 2015 heißt es nun in einem Kommentar nach dem Tod: „Das wird nicht der letzte sein...Der Krieg hat begonnen...“.

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FOTO: REUTERS Polizisten sichern Lübckes Anwesen im nordhessis­chen Wolfhagen.
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FOTO: DPA CDU-Politiker Walter wurde  Jahre alt. Lübcke

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