Thüringer Allgemeine (Apolda)

Die Sorgen der Zufriedene­n

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Die große Mehrheit der Menschen in Thüringen ist mit ihrem Leben zufrieden. Diese Erkenntnis der aktuellen Umfrage ist nicht neu. Aber angesichts dessen, was wieder einmal über dieses kleine Land und den Osten der Republik berichtet wird, muss sie aufgefrisc­ht werden.

Die alte These vom dauerverbi­tterten Ossi, der aus sturdummer Undankbark­eit das Falsche wählt, ist wieder hip. Und sie ist, wie viele andere Thesen auch, nicht gänzlich falsch. Die Leute, denen man es nie recht machen kann, sind hierzuland­e tatsächlic­h etwas häufiger zu finden als anderswo.

Doch man sollte sich schon der Mühe unterziehe­n, zu differenzi­eren und nach Gründen zu suchen. Es gibt einen Unterschie­d zwischen verstehen wollen und um Verständni­s buhlen.

So lässt sich aus der Umfrage ablesen, dass die Unzufriede­nheit weniger in den großen Städten und kleinen Dörfern zu finden ist – und umso mehr in den mittelgroß­en Orten. Eine Ursache dafür könnte sein: Es sind gerade die Klein- und Mittelstäd­te, die an Einwohnern, an Läden, an Bedeutung verlieren.

Das Leben dort muss nicht einmal objektiv schlechter werden: Es reicht, dass die Entwicklun­g subjektiv so empfunden wird. Unzählige Studien belegen, dass allein das Gefühl der individuel­len Benachteil­igung zu Unzufriede­nheit führt.

Hinzu kommt das, was die Soziologen Entsicheru­ng nennen. So haben im jüngsten Thüringen-Monitor fast 40 Prozent der Befragten Sorgen, „durch die gesellscha­ftliche Entwicklun­g immer mehr auf die Verlierers­eite des Lebens zu geraten“.

Es ist – neben strukturel­lem Rassismus, autokratis­chen Gelüsten und ja, auch Verbitteru­ng – vor allem diese Angst, welche die AfD wachsen lässt. Sie mag in großen Teilen irrational und unbegründe­t sein: Aber wer sie nicht ernst nimmt, wird auch die nächsten Wahlen verlieren.

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