Die Jugend lernt mit Youtube
Studie: Die Videoplattform ist Leitmedium einer Generation. Viele Kinder suchen Erklärvideos für Schulthemen
Ein perfekter Zeitpunkt: Mitten in der Debatte über den 26-jährigen Youtuber Rezo und dessen Video „Die Zerstörung der CDU“veröffentlicht der Rat für Kulturelle Bildung eine Studie, die über den Umgang der Jugendlichen mit der Videoplattform aufklärt. Die gute Nachricht für Eltern: Viele Kids suchen auf Youtube nicht nur nach Spaß, sondern auch gezielt nach Inhalten, um sich schlauzumachen und um sich schulische Themen erklären zu lassen. Die Studie zeigt zugleich aber auch, wie sehr sich Eltern und Schulen anstrengen müssen, um mit der Mediennutzung der jungen Generation Schritt zu halten.
Denn längst ist die Plattform mit ihren Webvideos zum täglichen Anlaufpunkt Millionen Jugendlicher geworden. Zwei Drittel der 12- bis 13-Jährigen nutzen Youtube, von den 18- bis 19-Jährigen sind es über 90 Prozent, heißt es in der Studie „Jugend, Youtube, Kulturelle Bildung. Horizont 2019“. Der Rat für Kulturelle Bildung in Essen, ein von verschiedenen Stiftungen finanziertes Beratungsgremium, hat die Folgen in der Studie untersucht. Youtube sei eine der meistgenutzten Apps auf den Smartphones der Jugendlichen, aber mehr noch ihr „Leitmedium“und der „digitale Kulturort“.
So liegt die Plattform bei der Nutzung der Jugendlichen gleich an zweiter Stelle nach WhatsApp – deutlich vor Instagram, Facebook oder Snapchat. Welche Reichweite dahintersteckt, zeigt die Aufregung um Rezo: Über Youtube können in kürzester Zeit Millionen Menschen erreicht werden – vor allem junge, wie die CDU lernte.
Was aber schauen sich die Jugendlichen da eigentlich an? Die repräsentative Untersuchung hat jungen Nutzern genau diese Frage gestellt und kommt zu dem Schluss: Der Umgang der Jugendlichen mit dem Medium ist reflektierter, als es Beobachter und Eltern bislang dachten. Heinz-Peter Meidinger, Deutscher Lehrerverband
Zwar komme es den meisten Jugendlichen, die Youtube nutzen, darauf an, dass die Videos „unterhaltsam“(63 Prozent) und „witzig“(59 Prozent) sind. Musikvideos, lustige Clips und Comedy-Filme werden bei Mädchen wie Jungs besonders oft angesehen. Doch fast jeder zweite junge Youtube-Nutzer (47 Prozent) sagt auch, die Clips seien wichtig oder sogar sehr wichtig bei Schulthemen.
Youtube als Nachhilfelehrer: Die meisten Jugendlichen, so die Studie, nutzen die Plattform regelmäßig für Hausaufgaben, Hausarbeiten oder Klausuren – oder generell, um sich Dinge erklären zu lassen, die sie im Unterricht nicht verstanden haben. Jeder Dritte gibt an, dass die Erklärvideos auf Youtube Sachverhalte verständlicher und einprägsamer erklären können als Lehrer. Der entscheidende Unterschied: Auf Youtube könne man das Video so oft anschauen, wie man möchte – bis man es verstanden habe.
Auch das legen die Antworten nahe: Youtube-Videos motivieren viele Jugendliche, künstlerisch aktiv zu werden. Mädchen, die auf der Videoplattform unterwegs sind, werden vor allem von Tanz- und Choreografie-Videos dazu animiert, dann auch selbst mit dem Tanzen anzufangen (40 Prozent). Bei Jungen sind es Computerspiele (38 Prozent). Solche Effekte zeigen sich auch bei den Themen Singen/Musizieren, Film/Fotografie oder Zeichnen und Malen.
Die Studie zur Youtube-Nutzung zeigt neben den Fragen zur inhaltlichen Nutzung noch andere interessante Dinge. Zum Beispiel, wie Kinder und Jugendliche eigentlich auf Videos bei Youtube stoßen. Mehr als die Hälfte der Nutzer (53 Prozent) sucht gezielt nach Inhalten, gut jeder Dritte (36 Prozent) klickt sich durch Vorschläge, die von Youtube selbst angezeigt werden und zwölf Prozent gehen bei Youtube immer zuerst auf Kanäle, die sie abonniert haben. Fast jedem (91 Prozent) sind Tipps von Freunden/Bekannten/Mitschülern wichtig bei der Auswahl von Youtube-Videos. Das dürfte zumindest zum Teil erklären, warum sich bestimmte Videos in bestimmten Gruppen rasend schnell verbreiten. 65 Prozent der jungen Nutzer geben an, auf die Empfehlungen von Influencern zu hören, bei 44 Prozent sind Tipps von der Familie wichtig. Tipps von Lehrern halten immerhin noch 30 Prozent für wichtig.
60 Prozent der befragten Youtube-Nutzer – egal welchen Geschlechts sowie in allen Altersstufen – wünschen sich eine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema Youtube-Videos im Schulunterricht: Vor- und Nachteile der Plattform sollten besprochen und die Videos hinterfragt werden. Dieser Forderung stimmt Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, vollumfänglich zu. In der Schule müsse kritisch thematisiert werden, wie die Geschäftsmodelle der Influencer mit den vielen Abonnenten eigentlich funktionieren. „Das sind ja werbefinanzierte Ausspielformen“, sagt Krüger. Die Glaubwürdigkeit von Influencern sollte hinterfragt werden. „Medienkritik und Medienökonomiekritik ist auch Teil der Medienbildung in Schule.“
Der Rat für Kulturelle Bildung kommt zu dem Schluss, dass Youtube die Bildungslandschaft im Ganzen berühre und verändere. „Man kann, wenn man das Medium schulseitig bewusst einsetzt, Unterricht anders aufbauen und auf diese Weise mehr Platz für individuelle Fragen und für Reflexion im Unterricht finden“, glaubt der Vorsitzende des Expertengremiums, Eckart Liebau. Dabei stelle sich aber auch eine andere Frage: Wenn so viele junge Leute Youtube als Nachhilfe- und zusätzliches Erklärmedium nutzen: Machen dann die Lehrer etwas falsch?
Heinz-Peter Meidinger, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, ist der Ansicht, dass es bei Youtube sehr gute Lernvideos gebe, es sei aber „auch viel Schrott dabei“. Meidinger ermutigt Lehrer dazu, offensiv mit dem Thema umzugehen. „Es bricht sich keiner einen Zacken aus der Krone, wenn er Schüler auf ein gut gemachtes YoutubeVideo hinweist.“(mit dpa)
„Es bricht sich keiner einen Zacken aus der Krone, wenn er Schüler auf ein gut gemachtes Youtube-Video hinweist.“