Nährstoff für Populisten
Der eigenwillige Thüringer Maler Johannes Meissel teilt das Schicksal mit mehreren Kollegen: Er erlangte weder in seiner Lebenszeit noch danach große Bekanntheit. Dennoch gehört er zu den Meistern seines Faches und hinterließ einige erstaunliche Werke, in verschiedenen Maltechniken und in unterschiedlichen Stil-Auffassungen.
Geboren wurde Johannes Hermann Meissel in einer streng christlichen Familie der pietistischen Herrnhuter Brüdergemeine am 27. Februar 1888 in Neudietendorf. Die Eltern waren Emma Meissel, geborene Krusche, und Johann Christian Meissel, der als Schneidermeister tätig war. Weiterhin gehörten die ältere Schwester Marie-Elisabeth und der jüngere Bruder Wilhelm zur Familie.
Nach dem Schulbesuch in Neudietendorf ging er 1892 mit 14 Jahren zu einer Ausbildung in das Lehrerseminar nach Niesky, das er 1908 mit 20 Jahren abschloss. Er erhielt dort eine erste Anstellung als Zeichenlehrer. 1910/11 leistete er den Militärdienst in Görlitz und absolvierte 1913/14 eine weitere Ausbildung an der Königlichen Kunstschule Berlin. Er überlebte den Kriegsdienst 1914 bis 1918 und war von da an ein überzeugter Kriegsdienst-Gegner und aktiv in der Liga für Menschenrechte.
Meissel war dann in Berlin als Kunst- und Biologielehrer tätig, betrieb aber parallel dazu ein eigenes Atelier, bis zu dessen Zerstörung im Zweiten Weltkrieg 1943. In diesen 25 Jahren schuf er zahlreiche Bilder, vor allem Aquarelle, Bleistift- und Federzeichnungen, aber ebenso in Ölmalerei. Einige seiner Arbeiten gestaltete er im expressionistischen Stil, wie die „Reformation“, die „Evolution“oder die „Revolution“. Die wenigen erhaltenen Werke werden heute im Heimatmuseum Ingersleben-Neudietendorf aufbewahrt und teilweise ausgestellt.
Seine konsequente Haltung gegen den NS-Staat brachte ihm viele Probleme und ein Ausstellungsverbot, was einem Berufsverbot gleichkam. Die letzten Kriegsjahre lebte Meissel als Lehrer in Niesky; zum Kriegsende ging er in seinen Geburtsort zurück. Dort rettete er durch das mutige Hissen einer weißen Fahne auf dem Turm der Brüderkirche Neudietendorf vor dem Beschuss und der Zerstörung durch die US-Armee. Mit viel Zuversicht engagierte er sich in der Nachkriegsgemeinde und trat der neuen liberalen Partei bei. Bald musste er feststellen, dass sich seine Hoffnung auf eine freie Kunst ohne staatliche Bevormundung wieder nicht erfüllte.
Ab 1947 wirkte er weitere 20 Jahre als freischaffender Künstler. Neben der Malerei galt Meissels zweites großes Interesse der Natur und einem vernünftigem Umgang mit dieser. Seine pädagogischen Gene veranlassten ihn zeitlebens, viele Kontakte zu jungen Leuten zu halten und diesen immer wieder seine Malerei zu erklären.
Am 8. April 1969 verstarb er in Neudietendorf, mit 81 Jahren. Damit jährt sich sein Todestag dieses Jahr zum 50. Mal. Sein Grab ist auf dem Gottesacker der Brüdergemeine erhalten.
Rund 20 Jahre nach seinem Tod, nach dem Fall der Berliner Mauer 1989, wurde Johannes Meissel durch seinen Schüler Willi Berger noch einmal richtig bekannt. Auf drei Mauerteilen hatte Berger das Meissel-Bild „Soli Deo Gloria“(Allein Gott die Ehre, nach Johann Sebastian Bachs letzter Komposition) aufgetragen. Damit wurde dieses Bild auf der sogenannten East Side Gallery einer großen Öffentlichkeit vorgestellt.
Ebenso zeigt bis heute die Zinzendorf-Plakette am Brunnen des Zinzendorfplatzes in Neudietendorf eine Arbeit von Johannes Meissel. Eine Ausstellung von Meissel-Bildern wäre eine längst fällige Würdigung dieses Künstlers im Jubiläumsjahr. Die letzte Meissel-Schau fand 1968 statt, damals von couragierten Erfurter Kunststudenten organisiert. Meissel, der der Eröffnung im Hause Fischersand 5 beiwohnte, bedankte sich damals mit einem berührenden Brief bei den jungen Leuten.
Zu „Zeitumstellung endet später“(1. Juni, S. 10):
Wenn es nicht möglich ist, eine wahnwitzige Regelung einfach aufzuheben, stellt sich die Frage, was denn überhaupt erreicht werden kann. Wenn sogar der Termin 2021 wackelt und die Fachminister und Kommissare nicht über so viel Verstand zur Lösung des Problems Sommerzeit verfügen, braucht sich niemand über Populisten zu wundern. Mit so viel Unfähigkeit schadet die EU ihren Bürgern am meisten. Das nützt nur denen, die das Ende eines einigen Europas fordern.
Cornelius Ludwig, Niederdorla