Gerichtsvollzieher fordern besseren Schutz durch die Polizei
Verband klagt über wachsende Zahl von Drohungen, Angriffe nehmen zu. Diskussion um neues Gesetz im Landtag
Die Lage der Gerichtsvollzieher in Thüringen ist angespannt und steuert auf eine Strukturkrise zu.
Für jede achte Stelle gibt es kein Personal. „Dem Freistaat fehlen 15 Gerichtsvollzieher“, stellt der Landesrechnungshof in einem unveröffentlichten Prüfbericht fest. Die Zukunft sieht noch schlechter aus. „Die Nachwuchsgewinnung gestaltet sich schwierig. 2016 und 2017 hat jeweils nur ein Gerichtsvollziehungsanwärter die Ausbildung begonnen“, notieren die Rechnungsprüfer. Eine Pensionswelle rollt außerdem an.
Einen Punkt gibt es, der viele der etwa hundert Gerichtsvollzieher in Thüringen besonders besorgt: die zunehmende Bedrohung bei Amtshandlungen in fremden Wohnungen. Selbst harmlos wirkende Termine sind in jüngster Zeit eskaliert. In Eisenach wurde Ende 2018 ein Gerichtsvollzieher, der 200 Euro pfänden wollte, in einem Döner-Laden eingeschlossen. Die Polizei musste den Beamten befreien.
„Jeden Tag haben wir mit mindestens einer Person zu tun, bei der wir nicht wissen, ob und welche Gefahr von ihr ausgeht“, sagt Jana Weber, Vorsitzende des Landesverbandes Thüringen im Deutschen Gerichtsvollzieherbund. 2012 wurde ein Gerichtsvollzieher in Karlsruhe erschossen. „Ich hoffe, in Thüringen wird die Sicherheit verbessert, bevor hier ein Gerichtsvollzieher umgebracht wird.“
Politik und Justizverwaltung sind aus Webers Sicht ansatzweise aufgewacht. Immerhin hat die CDU-Opposition einen Gesetzentwurf vorgelegt, der morgen im Landtag mit Fachleuten diskutiert werden soll.
Die Gesetzesnovelle sieht erstmalig vor, dass Gerichtsvollzieher vor Ortsterminen Gefährdungsabfragen an die Polizei richten dürfen. Je nach Risikoeinschätzung kann der Gerichtsvollzieher Sicherheitsvorkehrungen treffen oder beantragen. In einigen Ländern gibt es diese Regelung bereits, in Thüringen nicht.
„Das ist ein Schritt in die Richtige Richtung“, sagt Verbandsvorsitzende Weber. Für dringend erforderlich hält sie jedoch ein gesetzlich verankertes „anlassloses Fragerecht“gegenüber der Polizei. „Gerichtsvollzieher müssen das Recht haben, zu jeder Zeit und bei jeder Art von Vollstreckung eine Auskunft der Polizei über die Gefahren zu erhalten, die bei dem Termin entstehen können.“
Der Gesetzentwurf geht nicht so weit. Er begründet lediglich ein Fragerecht bei „schwerwiegenden Eingriffen“wie Verhaftungen, Wohnungsräumungen oder -durchsuchungen, Kindeswegnahmen oder Maßnahmen zum Gewaltschutz.
Unklar ist die Haltung des für die Gerichtsvollzieher verantwortlichen Thüringer Justizministeriums. Beim Thema Gefährdungsabfragen bei Polizeidienststellen bestehe „noch Prüfungsbedarf“, teilte es auf Anfrage mit. Dass Gerichtsvollzieher erhöhter und zunehmender Gefahr ausgesetzt sind, bestreitet niemand. Das Ministerium hat deshalb nun Schutzwesten zur Verfügung gestellt. Der Einsatz von Pfefferspray, mit dem viele Gerichtsvollzieher sich sicherer fühlen würden, wurde bisher nicht genehmigt.