Symbole der Macht
Landtag debattiert mitteldeutsche Schlösserstiftung. Koalition und CDU kritisieren sich gegenseitig – und gemeinsam den Bund
„Aufgebaut! Fundamente der Macht.“Unter diesem Titel finden am Pfingstwochenende die Thüringer Schlössertage 2019 statt. Damit verweist die Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten auf Dichte und Bedeutung hiesiger Fürstenresidenzen, die (territorial und politisch arg begrenzte) Macht repräsentierten.
Hinunter zu Fundamenten der Macht begab sich am Mittwoch auch der Landtag, im Angesicht der Schlösserfrage. Auf Antrag der CDUOpposition debattierte er in einer Sondersitzung knapp drei Stunden lang über die geplante mitteldeutsche Kulturstiftung, die von Thüringen und Sachsen-Anhalt zu gründende ist. Sie macht man im Bundestag zur Bedingung fürs Sonderinvestitionsprogramm, das zunächst, die Länder eingerechnet, 400 Millionen Euro insgesamt umfasst.
Thüringen tut sich, das betrifft die Opposition letztlich ebenso wie Koalition, schwerer damit als das Nachbarland. „In Sachsen-Anhalt gibt’s darüber überhaupt keine Debatte“, erinnerte Kulturpolitikerin Katja Mitteldorf (Linke) einmal so nebenbei. „Ich wollt’s nur mal sagen.“
Geldsegen gegen eine auf Dauer angelegte Stiftung: Das ist die Prämisse von Union und SPD im Bundestag, die man auch förderrechtlich begründet. Seitdem wird verhandelt.
Und zwar über das Wie, was CDUFraktionschef Mike Mohring im Landtag kritisiert. Man solle „erstmal einen Schritt zurücktreten und die Frage stellen, ob wir diesen Weg überhaupt beschreiten wollen“.
Mohring spricht vom Versuch des Bundes, mit Geld in die föderalen Strukturen einzugreifen. Dem müsse eine Landesregierung beherzt die Stirn bieten mit Worten wie: „Danke für eure Hilfe, wir nehmen das Geld gern, aber in unserer Souveränität entscheiden wir, was mit dem Geld auf unserem Landesgebiet passiert.“Die Alles-oder-nichts-Politik solle und müsse jetzt mal ein Ende haben.
„Es wäre mir lieber, wenn sich der Bund nicht ständig in die Hoheit der Länder einmischen würde“, erklärte zuvor der Ministerpräsident. Bodo Ramelow (Linke) bestätigte: „Das, was die Haushälter vom Bund im Moment mit den Ländern machen, ist dasselbe wie beim Digitalpakt.“
Schon daran wird erkennbar, wie unklar der Frontverlauf ist, zwischen Land und Bund, zwischen und auch innerhalb der agierenden Parteien.
Immerhin hatte diese Sondersitzung doppelten Seltenheitswert: Sie sorgte für eine öffentliche kulturpolitische Debatte im Landtag, die obendrein inoffiziell den Wahlkampf eröffnete. Auf zweitere Karte setzte die CDU erkennbar, obschon sie ein Vabanquespiel treibt: Sie hat weder Sachsen-Anhalts CDU-geführte Landesregierung noch die Parteifreunde im Bundestag auf ihrer Seite, nicht mal die aus Thüringen. Zugleich gibt‘s bei der Schlösserstiftung einen Dissens im Bund: zwischen Union und SPD im Bundestag auf der einen und der CDU-Kulturstaatsministerin auf der anderen Seite.
„Wir wären sofort dafür“, sagte Mike Mohring, „wenn der Bund mit Thüringen allein eine Stiftung einrichten würde.“Er solle sich doch in den eigenen Reihen dafür stark machen, forderte Ramelow ihn auf, dann ziehe er den Hut vor ihm.
Doch der Bund habe Bedingungen gesetzt, so der Ministerpräsident. Er sei seinem Kulturminister Benjamin Hoff (Linke) „dankbar, dass er unglaublich Bode Ramelow, Regierungschef
flexibel versucht, mit denen überhaupt klar zu kommen.“
Mit Ansage blieb Hoff der Sitzung fern; einer seiner Söhne wurde operiert. Für ihn antwortete Staatssekretär Malte Krückels der CDU. Das tat er „sachlich“, wie Mohring „dankbar“anerkannte. Krückels sprach mit Blick auf die Pläne des Bundes von „der größten Chance zur Sanierung und Entwicklung unserer Burgen, Klöster, Schlösser und Gärten in Thüringen seit der Wiedergründung des Freistaates 1990“.
Welche das sein sollen, variiert bislang stets und ständig. Krückels identifiziert aktuell neun Liegenschaften. Aus der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten sollen, via Erbaurecht, sechs aus 31 in die mitteldeutsche Stiftung überführt werden: Schloss und Park Friedenstein Gotha, Schlosskomplex Sondershausen, Veste Heldburg, Schlosskomplex Heidecksburg, Schloss Schwarzburg und Klosterruine Paulinzella.
„Die Auswahl ist innerhalb der Landesregierung getroffen und uns mitgeteilt worden“, erklärte dazu später Stiftungsdirektorin Doris Fischer unserer Zeitung. Aus der Staatskanzlei heißt es indes, das habe man auf der jüngsten Stiftungsratssitzung gemeinsam erarbeitet.
Hinzu kommen drei Liegenschaften außerhalb der Stiftung: Das enteignete Schloss Reinhardsbrunn sowie die bislang kommunal getragenen Ensembles Schloss Altenburg und Meiningen (mit Baumbachhaus). Letztere könnten „zum Eigentum oder zur unentgeltlichen Nutzung“zur Kulturstiftung gelangen.
Diese soll einen Doppelsitz haben: Halle und Erfurt, wobei Halle juristischer Sitz würde. Auch Doris Fischer hält eine solche dezentrale Struktur durchaus nicht für abwegig. Der Bund stellt zudem Betriebskosten für die Stiftung in Aussicht: insgesamt jährlich 60 Millionen Euro (zur Hälfte von den Ländern bezahlt). Für diesen Fall schlägt er sechs Betriebe zur Übernahme in die neue Stiftung vor: Lindenau- und Schlossmuseum Altenburg, Stiftung Friedenstein, Burgenmuseum Mike Mohring, Oppositionsführer
Heldburg, Museumsverbund Heidecksburg, Schlossmuseum Sondershausen und Meiningens Museen.
Das sei ein Angebot an kommunalen Träger, so Krückels. Kunst- und Kulturgüter verblieben vor Ort, von Leihgaben einmal abgesehen. „Weder erfolgt ein Verkauf und schon gar kein Ausverkauf Thüringer Kulturgüter“, entgegnete er der CDU.
Der Bund setzt auf die nationale Bedeutung der Liegenschaften. Kulturstaatsministerin Monika Grütters orientiert sich dabei am Blaubuch kultureller Leuchttürme, das Paul Raabe 2002 subjektiv zusammenstellte und 2006 aktualisierte.
Das „kann aber nicht die Grundlage sein“, sagt nicht nur Stiftungsdirektorin Fischer, zumal die Auswahl dann anders aussehen müsse. Auch im Bundestag hält man‘s für veraltet.
Fischer verweist derweil auf grundlegende Probleme der neuen Stiftung: „Wer stellt sicher, dass die Liegenschaftsverwaltung funktioniert, wer stellt die bauliche Betreuung sicher? Will man das Personal aus unserer Schlösserstiftung mitnehmen oder wird man komplett neues Personal rekrutieren müssen?“Und das Geld aus dem Investitionsprogramm müsse ja auch innerhalb von acht Jahren verbaut werden.
Die Konstruktion müsse effektiv und arbeitsfähig sein, so Fischer. „Wenn am Ende ein Modell gefunden wird, das der einen wie der anderen Stiftung Rechnung trägt, können wir das sicherlich gut mittragen.“Aus der Debatte war für sie der politische Wille „deutlich ablesbar“, dass man die Thüringer Stiftung nicht schwächen, sondern stärken wolle. Die Frage sei nur, „ob man das dauerhaft finanziell untersetzen kann“.