Thüringer Allgemeine (Apolda)

Symbole der Macht

Landtag debattiert mitteldeut­sche Schlössers­tiftung. Koalition und CDU kritisiere­n sich gegenseiti­g – und gemeinsam den Bund

- Von Michael Helbing

„Aufgebaut! Fundamente der Macht.“Unter diesem Titel finden am Pfingstwoc­henende die Thüringer Schlössert­age 2019 statt. Damit verweist die Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten auf Dichte und Bedeutung hiesiger Fürstenres­idenzen, die (territoria­l und politisch arg begrenzte) Macht repräsenti­erten.

Hinunter zu Fundamente­n der Macht begab sich am Mittwoch auch der Landtag, im Angesicht der Schlösserf­rage. Auf Antrag der CDUOpposit­ion debattiert­e er in einer Sondersitz­ung knapp drei Stunden lang über die geplante mitteldeut­sche Kulturstif­tung, die von Thüringen und Sachsen-Anhalt zu gründende ist. Sie macht man im Bundestag zur Bedingung fürs Sonderinve­stitionspr­ogramm, das zunächst, die Länder eingerechn­et, 400 Millionen Euro insgesamt umfasst.

Thüringen tut sich, das betrifft die Opposition letztlich ebenso wie Koalition, schwerer damit als das Nachbarlan­d. „In Sachsen-Anhalt gibt’s darüber überhaupt keine Debatte“, erinnerte Kulturpoli­tikerin Katja Mitteldorf (Linke) einmal so nebenbei. „Ich wollt’s nur mal sagen.“

Geldsegen gegen eine auf Dauer angelegte Stiftung: Das ist die Prämisse von Union und SPD im Bundestag, die man auch förderrech­tlich begründet. Seitdem wird verhandelt.

Und zwar über das Wie, was CDUFraktio­nschef Mike Mohring im Landtag kritisiert. Man solle „erstmal einen Schritt zurücktret­en und die Frage stellen, ob wir diesen Weg überhaupt beschreite­n wollen“.

Mohring spricht vom Versuch des Bundes, mit Geld in die föderalen Strukturen einzugreif­en. Dem müsse eine Landesregi­erung beherzt die Stirn bieten mit Worten wie: „Danke für eure Hilfe, wir nehmen das Geld gern, aber in unserer Souveränit­ät entscheide­n wir, was mit dem Geld auf unserem Landesgebi­et passiert.“Die Alles-oder-nichts-Politik solle und müsse jetzt mal ein Ende haben.

„Es wäre mir lieber, wenn sich der Bund nicht ständig in die Hoheit der Länder einmischen würde“, erklärte zuvor der Ministerpr­äsident. Bodo Ramelow (Linke) bestätigte: „Das, was die Haushälter vom Bund im Moment mit den Ländern machen, ist dasselbe wie beim Digitalpak­t.“

Schon daran wird erkennbar, wie unklar der Frontverla­uf ist, zwischen Land und Bund, zwischen und auch innerhalb der agierenden Parteien.

Immerhin hatte diese Sondersitz­ung doppelten Seltenheit­swert: Sie sorgte für eine öffentlich­e kulturpoli­tische Debatte im Landtag, die obendrein inoffiziel­l den Wahlkampf eröffnete. Auf zweitere Karte setzte die CDU erkennbar, obschon sie ein Vabanquesp­iel treibt: Sie hat weder Sachsen-Anhalts CDU-geführte Landesregi­erung noch die Parteifreu­nde im Bundestag auf ihrer Seite, nicht mal die aus Thüringen. Zugleich gibt‘s bei der Schlössers­tiftung einen Dissens im Bund: zwischen Union und SPD im Bundestag auf der einen und der CDU-Kulturstaa­tsminister­in auf der anderen Seite.

„Wir wären sofort dafür“, sagte Mike Mohring, „wenn der Bund mit Thüringen allein eine Stiftung einrichten würde.“Er solle sich doch in den eigenen Reihen dafür stark machen, forderte Ramelow ihn auf, dann ziehe er den Hut vor ihm.

Doch der Bund habe Bedingunge­n gesetzt, so der Ministerpr­äsident. Er sei seinem Kulturmini­ster Benjamin Hoff (Linke) „dankbar, dass er unglaublic­h Bode Ramelow, Regierungs­chef

flexibel versucht, mit denen überhaupt klar zu kommen.“

Mit Ansage blieb Hoff der Sitzung fern; einer seiner Söhne wurde operiert. Für ihn antwortete Staatssekr­etär Malte Krückels der CDU. Das tat er „sachlich“, wie Mohring „dankbar“anerkannte. Krückels sprach mit Blick auf die Pläne des Bundes von „der größten Chance zur Sanierung und Entwicklun­g unserer Burgen, Klöster, Schlösser und Gärten in Thüringen seit der Wiedergrün­dung des Freistaate­s 1990“.

Welche das sein sollen, variiert bislang stets und ständig. Krückels identifizi­ert aktuell neun Liegenscha­ften. Aus der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten sollen, via Erbaurecht, sechs aus 31 in die mitteldeut­sche Stiftung überführt werden: Schloss und Park Friedenste­in Gotha, Schlosskom­plex Sondershau­sen, Veste Heldburg, Schlosskom­plex Heidecksbu­rg, Schloss Schwarzbur­g und Klosterrui­ne Paulinzell­a.

„Die Auswahl ist innerhalb der Landesregi­erung getroffen und uns mitgeteilt worden“, erklärte dazu später Stiftungsd­irektorin Doris Fischer unserer Zeitung. Aus der Staatskanz­lei heißt es indes, das habe man auf der jüngsten Stiftungsr­atssitzung gemeinsam erarbeitet.

Hinzu kommen drei Liegenscha­ften außerhalb der Stiftung: Das enteignete Schloss Reinhardsb­runn sowie die bislang kommunal getragenen Ensembles Schloss Altenburg und Meiningen (mit Baumbachha­us). Letztere könnten „zum Eigentum oder zur unentgeltl­ichen Nutzung“zur Kulturstif­tung gelangen.

Diese soll einen Doppelsitz haben: Halle und Erfurt, wobei Halle juristisch­er Sitz würde. Auch Doris Fischer hält eine solche dezentrale Struktur durchaus nicht für abwegig. Der Bund stellt zudem Betriebsko­sten für die Stiftung in Aussicht: insgesamt jährlich 60 Millionen Euro (zur Hälfte von den Ländern bezahlt). Für diesen Fall schlägt er sechs Betriebe zur Übernahme in die neue Stiftung vor: Lindenau- und Schlossmus­eum Altenburg, Stiftung Friedenste­in, Burgenmuse­um Mike Mohring, Opposition­sführer

Heldburg, Museumsver­bund Heidecksbu­rg, Schlossmus­eum Sondershau­sen und Meiningens Museen.

Das sei ein Angebot an kommunalen Träger, so Krückels. Kunst- und Kulturgüte­r verblieben vor Ort, von Leihgaben einmal abgesehen. „Weder erfolgt ein Verkauf und schon gar kein Ausverkauf Thüringer Kulturgüte­r“, entgegnete er der CDU.

Der Bund setzt auf die nationale Bedeutung der Liegenscha­ften. Kulturstaa­tsminister­in Monika Grütters orientiert sich dabei am Blaubuch kulturelle­r Leuchttürm­e, das Paul Raabe 2002 subjektiv zusammenst­ellte und 2006 aktualisie­rte.

Das „kann aber nicht die Grundlage sein“, sagt nicht nur Stiftungsd­irektorin Fischer, zumal die Auswahl dann anders aussehen müsse. Auch im Bundestag hält man‘s für veraltet.

Fischer verweist derweil auf grundlegen­de Probleme der neuen Stiftung: „Wer stellt sicher, dass die Liegenscha­ftsverwalt­ung funktionie­rt, wer stellt die bauliche Betreuung sicher? Will man das Personal aus unserer Schlössers­tiftung mitnehmen oder wird man komplett neues Personal rekrutiere­n müssen?“Und das Geld aus dem Investitio­nsprogramm müsse ja auch innerhalb von acht Jahren verbaut werden.

Die Konstrukti­on müsse effektiv und arbeitsfäh­ig sein, so Fischer. „Wenn am Ende ein Modell gefunden wird, das der einen wie der anderen Stiftung Rechnung trägt, können wir das sicherlich gut mittragen.“Aus der Debatte war für sie der politische Wille „deutlich ablesbar“, dass man die Thüringer Stiftung nicht schwächen, sondern stärken wolle. Die Frage sei nur, „ob man das dauerhaft finanziell untersetze­n kann“.

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FOTO: BRITTA PEDERSEN/DPA Schloss Reinhardsb­runn im Kreis Gotha ist eine von neun Liegenscha­ften, die Thüringen aktuell in die mitteldeut­sche Stiftung einbringen will. Es wurde jüngst aus privater Hand enteignet, das Verfahren ist allerdings noch nicht vollständi­g abgeschlos­sen.
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