Mehr Suchtkranke durch Schmerzmittel
Ärzte warnen vor zu schneller und zu häufiger Verschreibung von Opioiden. Uneinheitliches Bild bei den Krankenkassen
In Thüringen gibt es immer mehr Suchtkranke durch Schmerzmittel. Grund dafür seien morphiumhaltige Medikamente, sogenannte Opioide, die häufiger und länger verschrieben würden, sagt Katharina Schoett, Chefärztin an Thüringens größter Suchtklinik im Ökumenischen Hainich-Krankenhaus Mühlhausen. „Die Gruppe der Patienten, die so in die Abhängigkeit gerät, wird größer. Das ist schon jetzt ein echtes Problem“, so die Expertin.
Zu den Opioiden gehören Wirkstoffe wie Tramodol oder Fentanyl, die in Deutschland als Tramal oder Durogesic vertrieben werden. Vor allem das Suchtpotential der synthetischen Opioide werde sträflich unterschätzt, stellten Pharmakologen am Uniklinikum Jena kürzlich in einer Studie fest. Vergrößert werde die Gefahr der Nebenwirkungen durch einen Gewöhnungseffekt bei wiederholter Gabe von Opioiden. Immer höhere Dosierungen seien nötig, um die gleiche Schmerzlinderung zu erzielen.
Bekannt ist die Opioid-Krise bisher vor allem aus den USA mit täglich bis zu 150 Toten durch eine Überdosis. Inzwischen erreiche diese Epidemie auch Deutschland. Bei schlimmen Tumorschmerzen könnten die Medikamente ein Segen sein, sie würden aber auch bei leichteren Beschwerden etwa am Rücken verschrieben.
Nachfragen bei Thüringer Krankenkassen ergeben dazu kein einheitliches Bild. Die Thüringer Barmer veröffentlichte gestern Zahlen zum Reizdarmsyndrom. Betroffen seien davon aktuell 31.500 Thüringer. Aus dem aktuellen Arztreport gehe hervor, dass auch Reizdarm-Patienten zu häufig opioidhaltige Schmerzmittel verschrieben bekommen. 2017 galt das für mehr als jeden zehnten Betroffenen. Die Behandlungsrate liege, trotz bekannter nachteiliger Auswirkungen von Opioiden auf die Darmgesundheit, um 44 Prozent über der Vergleichsgruppe ohne Reizdarm-Diagnose.
„Opioidhaltige Medikamente sind wichtig für Behandlungen im Rahmen einer Schmerztherapie. Dennoch ist ein stets kritisches und bedachtes Einnahmeund Verordnungsverhalten unabdingbar, weil die schnell wirksamen Opioide ein hohes Suchtpotenzial haben“, mahnt Birgit Dziuk, Thüringer Landesgeschäftsführerin der Barmer.
Die AOK plus sieht keine Auffälligkeiten. „Weder bei Tramadol und Fentanyl noch bei der Gesamtverordnung für Opioide können wir einen Anstieg zu verzeichnen. Sowohl die versorgten Patienten als auch die verordneten Mengen sind konstant geblieben“, sagt Kassensprecher Bernd Lemke.