Das besonders bunte Kabinett
Ramelow trifft Kretschmer: Die Landesregierungen von Thüringen und Sachsen tagen gemeinsam
Der thüringische CDUBundestagsabgeordnete Tankred Schipanski gehört zu den Menschen, die in den sozialen Netzwerken das tun, was sie im wahren Leben eher unterlassen: Sie polemisieren, bis die Blamage kommt.
Anlässlich eines Treffens der Landeskabinette von Bayern und Sachsen im Mai, bei dem die Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) und Michael Kretschmer (CDU) innigste Freundschaftsbekundungen austauschten, textete Schipanski auf Twitter: „Es ist traurig, dass Thüringen an solchen starken Partnerschaften nicht teilhaben kann. Ideologiegetriebene #r2g [rot-rot-grüne – die Red.] Politik will niemand in Deutschland. Mit ihren Handlangern wie Ramelow will niemand zusammenarbeiten.“
Nun gab es in den viereinhalb Jahren, in denen Bodo Ramelow die Rolle des einzigen linken Ministerpräsidenten in Deutschland ausfüllte, tatsächlich keine gemeinsamen Sitzungen mit den Regierungen der Nachbarländer. Unter CDU-Regentschaft hingegen wurden regelmäßig Doppelkabinettsberatungen mit Hessen, Sachsen, Bayern, Sachsen-Anhalt oder gar Niedersachsen durchgeführt. Auch wenn die Wirkung dieser Treffen insbesondere symbolisch blieb: Man hatte sich mal im Kollektiv kennengelernt.
Obschon also Tankred Schipanski die Situation im Grunde richtig beobachtet hatte, war ihm trotzdem die Blamage garantiert. Denn er befand sich nicht auf dem neuesten Stand. Ramelow, der sich mit Polemik im Internet auskennt, konnte deshalb vergleichsweise vornehm kontern. Der CDU-Abgeordnete, twitterte er zurück, sollte sich „einfach nur schämen“. Denn sein Kabinett werde natürlich gemeinsam mit der sächsischen Regierung tagen.
Viel Zeit dafür bleibt allerdings nicht mehr. In Thüringen wird am 27. Oktober ein neuer Landtag gewählt und in Sachsen bereits am 1. September. Und so findet das Treffen beider freistaatlichen Kabinette bereits am 18. Juni statt, die protokollarischen Vorbereitungen sind so gut wie abgeschlossen.
Der Tagungsort, das Schloss in Altenburg, wurde mit Sinn für Geschichte ausgewählt. Schließlich gehörte die Stadt, von der aus über Jahrhunderte ernestinische Minifürsten regierten, einst zum wettinischen Amt Meißen und wurde für eine kleine Weile auch von den sächsischen Albertinern verwaltet.
In der DDR wurde sie gar dem Bezirk Leipzig zugeschlagen und ließ sich 1990 nur nach einigem Hin und Her zurück nach Thüringen verfrachten. Sachsen-thüringischer als in Altenburg geht es also kaum.
Auch auf der Tagesordnung steht, wie inoffiziell zu hören ist, ausschließlich die gemeinsame sachsen-thüringische Interessenlage: Die Zukunft der EUFördermittel, DDR-Altlasten und -Heimkinder, Digitalisierung, Wendefeierlichkeiten, Mitte-Deutschland-Verbindung sowie der Kampf gegen Reichsbürger und sonstige Rechtsextremisten.
Ansonsten dürften am 18. Juni viele harmonische Bilder produziert werden, vom bunten Gemisch der Christdemokraten, Linken, Sozialdemokraten und Grünen, aber natürlich auch von der gemeinsamen Pressekonferenz der Ministerpräsidenten Kretschmer und Ramelow.
Den hiesigen CDU-Landeschef Mike Mohring muss die damit einhergehende politische Wertsteigerung des Linken nicht erfreuen.
Mehr noch: Der Ministerpräsidentenkandidat, der sich gerade erst bei der Fraktionsvorsitzendenkonferenz der Union in Weimar um staatsmännische Augenhöhe mit der CDU-Bundeskanzlerin und dem bayerischen CSU-Regierungschef bemühte, darf den Altenburger Auftritt des Parteifreunds aus Dresden fast schon als Affront auffassen.
Aber was soll Kretschmer machen. Das Land, das hat Mohring von Bernhard Vogel gelernt, geht nun mal vor Partei und Person. Darum muss sich auch Markus Söder, der eben noch seinem Freund Mike das Allerbeste für den Wahlkampf wünschte, sehr öffentlichkeitswirksam mit Bodo Ramelow treffen. Da der Tag der Franken dieses Jahr erstmals mit dem Thüringer Süden gefeiert wird, gibt es am 7. Juli einen gemeinsamen Festakt nebst Regierungsbeteiligung in Sonneberg. Und der Franke Söder kann da, bei aller Schwesterliebe zur Thüringer CDU, schlecht fehlen.