Die Plastikflut steigt und steigt
Nur 38 Prozent wird in Deutschland recycelt. Den größten Teil exportiert die Bundesrepublik nach Asien
WTEs braucht etwas Anschaulichkeit, um diese Mengen zu begreifen: Pro Minute werden weltweit allein für die CocaCola-Getränkemarke 167.000 Einweg-Plastikflaschen hergestellt. Das sind 88 Milliarden Flaschen im Jahr. Aneinandergereiht würden die 31-mal von der Erde bis zum Mond und zurück reichen. Plastik ist bei Verbrauchern in Verruf geraten, seit Strände vermüllen und Mikropartikel im Grundwasser auftauchen. Doch die Produktion erlebt einen Boom. Allein die Plastikindustrie in den USA will ihre Produktion in den nächsten Jahren um 30 Prozent steigern. Hinter der Plastikproduktion stehen große Konzerne, die damit gut verdienen: der Chemieriese BASF, der amerikanische DowKonzern, der US-Rohölkonzern
Exxon Mobil und Eni aus Italien.
Zwar verbiete die EU ab 2021 Einwegbecher, Strohhalme, Wattestäbchen und andere Wegwerfprodukte aus Plastik, sagt Barbara Unmüßig, Vorständin der den Grünen nahen Heinrich-Böll-Stiftung. Das sei „ein erster Schritt“, reiche aber nicht. Sie beruft sich auf den am Donnerstag veröffentlichten „Plastikatlas“, der Daten und Fakten zur Plastikwirtschaft liefert. Die Stiftung hat die Informationen zusammen mit dem Umweltverband BUND und zahlreichen Experten zusammengetragen.
Wo wird Plastik eingesetzt?
Armaturenbretter, Rohre, Herzklappen. Plastik befindet sich überall. Der größte Teil aber steckt in Einwegprodukten und Verpackungen, wie zum Beispiel in Hygieneartikeln: Der Plastikanteil bei Tampons beträgt bis zu sechs Prozent, bei Damenbinden bis zu 90 Prozent. Oder auch in Textilien. Viele Hemden, Kleider oder Hose sind aus Stoffen mit Polyamid, Polyester, Acryl oder Nylon genäht. Dabei entsteht ein weiteres Problem: Beim Waschen gibt die synthetische Kleidung kleinste Partikel ins Abwasser ab. Allein bei einer Fleecejacke sind es 250.000. Und im Supermarkt liegen Gurken in Folie verpackt. Die Folge: Im Jahr 2018 wurden EU-weit gut 1,13 Billionen Verpackungen für Essen und Getränke verbraucht.
Warum wird nicht mehr recycelt?
Über 60 Prozent des hierzulande gesammelten Verpackungsmülls wird verbrannt. Hubert Weiger, der Vorsitzende des BUND-Umweltverbandes, sagt: „Nur 38 Prozent unseres Plastikmülls werden tatsächlich dem Recycling zugeführt. Und der Skandal dabei ist: Plastik gilt bereits als recycelt, wenn es ins Ausland exportiert wird.“
Über Jahrzehnte landeten so viele Kunststoffabfälle in China. Doch das Land will den Müll nicht mehr und stoppte vergangenes Jahr den Import. 2018 verschifften deutsche Firmen dann etwa 130.000 Tonnen Plastikmüll nach Malaysia. Nun sperrt sich das Land aber auch. Damit steigt der Druck auf hiesige Unternehmen, das Recycling ernster zu nehmen. Aber: Neuer Kunststoff ist günstiger als der aus Recyclingmaterial.
Sollte Plastik verboten werden?
Tansania führt jetzt ein Verbot von Plastiktüten ein. Das ostafrikanische Land folgt damit vielen anderen. Die Sache ist allerdings nicht so einfach. Papiertüten sind nicht unbedingt besser für die Umwelt, weil für ihre Herstellung zum Beispiel viel Energie und Wasser gebraucht wird. „Bio“-Plastik baut sich, obwohl es oft als umweltfreundlichere Alternative angepriesen wird, auch nicht schnell ab. Stoffbeutel sind nur besser, wenn sie sehr oft genutzt werden.
Plastik müsse teurer werden, damit zum Beispiel Mehrweg-Verpackungen konkurrenzfähig werden, sagt BUND-Chef Weiger. Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) hat einen Fünf-Punkte-Plan verabschiedet, von dem allerdings noch längst nicht alles umgesetzt ist. So soll auch der Einzelhandel stärker in die Pflicht genommen werden.