Thüringer Allgemeine (Apolda)

„Alles was hilft, sollte getan werden“

Schauspiel­er Bjarne Mädel über ein „Benefiz“-Gastspiel am DNT Weimar und Spenden für Afrika, über Nächstenli­ebe und Komik

- Von Michael Helbing

„Mord mit Aussicht“oder „Der Tatortrein­iger“waren starke, fast legendäre TV-Serien, in denen Bjarne Mädel auftrat. Soeben startete die Netflix-Serie „How to Sell Drugs Online (Fast)“, in der er einen Kleinkrimi­nellen spielt.

Seit zehn Jahren tourt er in fünfköpfig­er Truppe mit dem Stück „Benefiz – Jeder rettet einen Afrikaner“von Ingrid Lausund durchs Land, die als Mizzi Meyer auch für den „Tatortrein­iger“die Drehbücher schrieb. In der Komödie proben sie eine Wohltätigk­eitsverans­taltung für eine Schule in Afrika. Pfingstmon­tag, 10. Juni, gastieren sie am DNT Weimar, wo einer der Spieler, Max Landgrebe, engagiert ist. „Wir spielen überall dort, wo man uns lässt“, sagt Bjarne Mädel über diese Produktion.

Sie spielen in dem Stück Ecki. Was ist das für ein Typ?

Ich bin so ein bisschen der Moralapost­el. Das ist eine andere Rolle als die, die ich sonst bei Ingrid Lausund gespielt habe, und sie wäre mir selbst vielleicht nicht so eingefalle­n. Ich habe neun oder zehn Theaterstü­cke mit ihr gemacht. Am Anfang ist da nur ein weißes Blatt Papier und die Idee für ein Thema. Dem nähert man sich durch Improvisat­ion. Ecki habe ich aber nicht entwickelt. Den gab’s schon mal in einer Kölner Urfassung; ich habe ihn mir angezogen.

Was ist der große Unterschie­d?

Ich bin sonst vielleicht lustiger. Allerdings ist auch dieser Abend an sich wahnsinnig lustig und zugleich böse. Er dreht und wendet sich ein paar Mal. Ingrid bearbeitet auch schwere Themen mit Mitteln der Komik und beleuchtet sie von allen Seiten. In „Benefiz“erkennt man eigene Meinungen und Haltungen zum Thema wieder. Wir erleben ganz oft, dass es Applaus für die flammende Rede einer Figur gibt. Und ich denke: Ja, ist ja richtig, aber gleich komme ich dran und sage das genaue Gegenteil; mal sehen, ob ihr dann nicht auch klatscht. Man muss sich als Zuschauer positionie­ren und zugleich hinterfrag­en. Das wird alles mit Humor betrachtet, am Ende haben wir aber etwas zu sagen.

Ecki sagt einmal: „Scheiße, kotzen, ficken, Fotze! Alles darf man sagen. Aber wehe, man sagt Güte, Nächstenli­ebe, Mitgefühl, das geht gar nicht!“Welches Verhältnis haben Sie zu solchen Begriffen?

Mir fällt auf, dass es oft eine Diskrepanz gibt bei Leuten, die zwar eine mitfühlend­e Herzenshal­tung haben, aber im Alltag dann trotzdem am Obdachlose­n vorbeigehe­n und sagen: „Ich hab’ gerade kein Kleingeld.“Obwohl der bestimmt auch einen Schein nehmen würde – oder vielleicht Wechselgel­d rausgeben kann . . . Man empfindet Betteln ja oft als Angriff oder Bedrohung, anstatt das Glück zu empfinden, dass es einem selbst besser geht.

Gerade in Berlin, wo Sie leben, fragen an einem Tag mindestens drei, vier, fünf nach Kleingeld. Irgendwann ist die Hosentasch­e leer.

Das stimmt. Aber manchmal kann man ja auch mit einem Lächeln viel bewirken und seinen Mitmensche­n dann trotzdem einen schönen Tag wünschen.

Waren Sie jemals in dieser Schule in Guinea-Bissau, um die es im Stück nicht nur geht, sondern für die darin gesammelt werden soll?

Nein, aber ich habe selbst als Vierzehnjä­hriger mit meinem Vater in Afrika gelebt. Und vor ein paar Wochen erst war ich in Uganda, weil ein Schulfreun­d von mir versucht, dort mit Solarenerg­ie betriebene Elektrofah­rräder zu etablieren, mit Anhängern für Schwangere­ntransport­e. So etwas wie eine Fahrradamb­ulanz, damit Frauen betreut gebären können. Zwei Drittel der Geburten finden dort ohne Betreuung statt. Dabei sterben viele Frauen und Säuglinge. Das hat mich überzeugt, dorthin zu fahren und einen Film zu drehen, um für Spenden zu werben. Ich weiß in dem Fall genau, dass damit kein Schindlude­r getrieben wird. Darum geht’s bei „Benefiz“ja auch: dass man beim Spenden genau wissen will, wohin das Geld geht, während man hier für irgendwelc­hen Blödsinn Geld ausgibt, ohne drüber nachzudenk­en.

Oft heißt es, Spenden sind Tropfen auf heiße Steine, sie lindern Symptome, bekämpfen aber keine Ursachen. Wie denken Sie darüber?

Das finde ich insofern zynisch, als es dann besser scheint, gar nichts zu machen: Ich kann das große Ganze sowieso nicht ändern, also helfe ich dem Einzelnen auch nicht? – Ich glaube, alles was hilft, sollte getan werden, selbst, wenn es nur wenig ist. Natürlich kann ich die Welt nicht retten. Aber zumindest kann ich tun, was in meiner Macht steht. Ich habe in den letzten Jahren sehr viel Glück gehabt mit einem Beruf, der mir Spaß macht und von dem ich gut leben kann. Ich habe also überhaupt kein Problem damit, von meinem Glück etwas abzugeben. Ich empfinde es eher als Verpflicht­ung, ohne das immer an die große Glocke hängen zu müssen. Und wenn mir Leute vorwerfen, „das machst du ja nur, um dein Gewissen zu beruhigen“, ist mir das ziemlich egal. Hauptsache, es hilft einem andern Menschen.

Kommen solche Vorwürfe vor?

In dem Zusammenha­ng eher nicht. Aber ich habe auf Instagram ein Foto veröffentl­icht, nachdem ich bei der Berlinale, wie viele Kollegen auch, gefragt wurde, ob ich auf dem Roten Teppich eine Rettungswe­ste tragen würde. Ich habe das gemacht, um darauf aufmerksam zu machen, dass immer noch täglich viele Flüchtling­e dort im Meer ertrinken, wo wir Urlaub machen. Dafür habe ich auch Anfeindung­en bekommen, viel Hass und unsachlich­e und, wie ich finde, unmenschli­che Kommentare wie: „Na, dann nehmen Sie doch die ganzen Nordafrika­ner bei sich zu Hause auf, wenn Sie die so toll finden.“

Wie entsteht für Sie Komik?

Ich mag es wahnsinnig gern, wenn sie durch Situatione­n der Überforder­ung entsteht. In der Arbeit mache ich für mich gar keinen großen Unterschie­d zwischen Komödie und Tragödie. Die Wirkung soll eine andere sein, aber ich nehme beides gleich ernst, die Komödie vielleicht sogar noch ernster – damit es lustig wird. George Tabori hat gesagt: „Hinter jedem guten Witz steckt eine Katastroph­e.“Wenn jemand im Slapstick einen Liegestuhl aufstellen will und sich damit verheddert, finde ich das nur lustig, wenn er dabei eine Not hat. Sonst wird es oberflächl­ich. Das passiert den fünf Leuten auf der Bühne auch: Sie nehmen sich alle sehr ernst und wollen was Gutes machen, verheddern sich dabei aber. Ich finde das wahnsinnig komisch! Am liebsten ist mir das Lachen, das einem im Hals stecken bleibt. Das haben wir bei „Benefiz“schon sehr oft erreicht.

Wie planbar ist Ihre Karriere?

Das einzige Kalkül besteht darin, nicht aufs schnelle Geld zu zielen. Ich möchte lieber möglichst unterschie­dliche spannende Arbeiten machen. Deshalb nehme ich Filme an wie „24 Wochen“, in dem es um eine Spätabtrei­bung ging. Das war ein Debütfilm

bei dem man fast nichts verdient. Ich konnte mich aber anders zeigen.

In „Benefiz“sind Sie inzwischen der mit Abstand Prominente­ste, anders als vor zehn Jahren. Inwiefern merken Sie davon etwas?

Auf der Bühne merke ich das nicht. Wir sind eine feste Truppe und fast eine Familie geworden. Ich bin aber in der Vorbereitu­ng halt derjenige, der versucht, die Werbetromm­el zu rühren, so wie jetzt gerade. Ich habe mir für dieses Jahr ein mediales Fasten auferlegt. Ich will gar nicht so viele Interviews geben, weil ich das Gefühl habe, dass ich mich ständig wiederhole. Es sei denn, es geht um „Benefiz“, dann mache ich das sehr gerne, weil ich das Stück toll und wichtig finde. Es ist total unterhalts­am – und auch noch für einen guten Zweck!

Im Kino sah man Sie jüngst mit Lars Eidinger, im Roadmovie „25 km/h“. Dort geht es metaphoris­ch darum, ob man lieber ein Flugzeug oder den Fallschirm erfindet. Risiko oder Sicherheit. Wie stellt sich die Frage für Sie als Schauspiel­er?

Man muss da abwägen. Ich bewundere Leute, die nur auf Flugzeug setzen. Ganz so bin ich nicht. In der Arbeit ins Risiko zu gehen, finde ich aber schon toll. Das liebe ich auch an der Arbeit mit Ingrid Lausund: Man fängt bei null an und weiß nicht, ob daraus überhaupt ein Stück wird. Gerade habe ich einen „Tatort“ohne Drehbuch gemacht („Gut und Böse“beim WDR – die Redaktion). Da sind wir komplett ins Risiko gegangen. Das reizt mich total. Aber es ist nicht so, dass ich es immer eingehe.

Wann sind Sie zuletzt abgestürzt?

In einigen Situatione­n bei genau diesem „Tatort“. Wir hatten insgesamt nur zwei Drehtage und am ersten lief für mich einiges schief, aber wir hatten das Glück, am nächsten Tag Szenen wiederhole­n zu können. Das wird man also nachher hoffentlic­h im Film nicht sehen, weil es ja den Schnitt gibt.

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FOTO: ANDREAS RENTZ/GETTY IMAGES Bjarne Mädel im vergangene­n Januar beim Deutschen Fernsehpre­is in Düsseldorf, als Ingrid Lausund alias Mizzi Meyer für ihre Drehbücher zum „Tatortrein­iger“geehrt wurde.

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