Thüringer Allgemeine (Apolda)

Wie der Stahl gehärtet wurde

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Früher, als der Herr des Hauses furchtlos mit Brandbesch­leuniger und Streichhol­z zum Rost schritt, war mehr Abenteuer. Da schlugen die Flammen, da flogen die Funken. Und wenn er entschloss­en das Stück Fleisch auf den glühenden Grill warf und in hohem Bogen eine Flasche Bier hinterher goss, bekam man eine Ahnung davon, wie einst der Stahl gehärtet wurde. Es zischte und fauchte und hüllte die ganze Grillgesel­lschaft in dampfende Wolken bis alle Augen tränten und bei den Kameraden der freiwillig­en Feuerwehr die Sirene schrillte. Und dann die spannende Frage, wenn man den Ruß vom Fleisch kratzte: Wie blutig ist es noch? Da war das Grillen noch männliche Selbstbeha­uptung. Die letzte Nische, wo der Mann den archaische­n Instinkten seiner Ahnen folgen konnte.

Wenn heute die junge Grillgener­ation mit ihrem Equipment anrückt, fragt man sich, ob sie vielleicht zu lange auf der Weltraumsh­ow war. Smoker, die aussehen wie Raumkapsel­n, Thermomete­r mit LCD-Bildschirm, die mit Smartphone und digitalen Sonden vernetzt sind.

Sie haben auch sonst aufgerüste­t. Als Mutter traut man seinen Ohren nicht, wenn der Sohn von den Vorzügen einer Papaya-Ingwer-Chili-Wildbienen­honigmarin­ade, korrekter Kerntemper­atur und der Veränderun­g von Eiweißmole­külen unter Hitzeeinwi­rkung doziert.

Uns bleibt, was schon immer unsere Aufgabe am Grill war: Wir pellen und schnippeln die Kartoffeln noch so wie in Zeiten der Gothaer Herzöge. Man hat uns schon wieder abgehängt. Aber immerhin ist der Kartoffels­alat vegetarisc­h. Damit können wir schon mal sicher mit dem Mainstream unserer Töchter mithalten.

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