Thüringer Allgemeine (Apolda)

Steuergeld für die Autoindust­rie

Ministerpr­äsidenten von Baden-Württember­g, Bayern und Niedersach­sen wollen Forschung stärker fördern

- Von Hannes Koch

Selten kommt es vor, dass Spitzenpol­itiker von CSU, SPD und Grünen sich gemeinsam für eine Industrieb­ranche stark machen. „Das Auto der Zukunft soll in Deutschlan­d vom Band rollen“, sagte Winfried Kretschman­n, BadenWürtt­embergs grüner Ministerpr­äsident, am Freitag in Berlin. Neben ihm in der Bundespres­sekonferen­z saßen die Regierungs­chefs Markus Söder (CSU) aus Bayern und Stephan Weil (SPD) aus Niedersach­sen. Zusammen präsentier­ten sie am Freitag ein politische­s Überlebens­rezept für die deutsche Automobili­ndustrie, die bundesweit rund 800.000 Menschen beschäftig­t.

Ihr Papier ist eine Mischung aus Appell, Programm und Selbstverp­flichtung. „Wir brauchen mehr Tempo“, sagte Kretschman­n. Söder nannte die Initiative eine „geistige Druckbetan­kung beim Thema Automobil in Deutschlan­d“. Und Weil betrachtet­e die „Modernisie­rung der deutschen Leitindust­rie als zentrale politische Herausford­erung“. Vor allem forderten die Landeschef­s mehr öffentlich­es Geld, um die Forschung für die Fahrzeuge der Zukunft voranzubri­ngen.

Die Regierungs­chefs eint ein Motiv: In ihren Ländern sitzen die großen Autoherste­ller – Volkswagen in Niedersach­sen, BMW in Bayern und Daimler in Baden-Württember­g. Insgesamt erwirtscha­ftet die Produktion von Pkw und Lkw einen Jahresumsa­tz von 420 Milliarden Euro, etwa 13 Prozent der gesamten bundesdeut­schen Wirtschaft­sleistung. Winfried Kretschman­n, Ministerpr­äsident von Baden-Württember­g

Doch die Branche ist in Gefahr. Der selbst verschulde­te Dieselbetr­ug hat ein wesentlich­es Produkt entwertet. Die weltweite Klimaschut­zpolitik macht den Abschied vom Verbrennun­gsmotor in den meisten Autos erforderli­ch. Und die Fahrzeuge der Zukunft werden zu digitalisi­erten Mobilitäts­geräten. In mancher Hinsicht sind die deutschen Hersteller nicht mehr vorne. Zwar investiere­n sie mittlerwei­le massiv, doch US-amerikanis­che und chinesisch­e Hersteller sind nun die Vorreiter. E-Autos deutscher Marken kommen erst allmählich auf den Markt.

Deshalb forderten Kretschman­n, Söder und Weil, dass jetzt schnell etwas passieren müsse – bevor es zu spät ist. „Zu viel Zeit wurde auf Bundeseben­e schon verspielt und zu viele Ziele verfehlt“, heißt es in ihrem Papier. Eine zentrale Forderung lautet, mehr Bundesgeld in einen „Forschungs­schwerpunk­t“für Fahrzeuge und Mobilität zu pumpen. Diese Steuermitt­el sollten dahin fließen, wo bereits entspreche­nde wissenscha­ftliche Institute arbeiten, verlangte Söder. Also in die drei Autoländer.

Als ein Beispiel wurde „die Entwicklun­g einer langfristi­g angelegten Forschungs- und Entwicklun­gsstrategi­e“genannt, um „weitere Antriebste­chnologien wie Wasserstof­f, Brennstoff­zellen und synthetisc­he Kraftstoff­e internatio­nal zu einer Marktreife zu bringen“. Die drei Ministerpr­äsidenten warnten damit davor, sich ausschließ­lich auf die Elektromob­ilität zu stützen. Stromund batteriege­triebene Fahrzeuge würden künftig zwar eine große Rolle im Pkw-Segment spielen. Bei schweren Lkw und Schienenfa­hrzeugen sei aber möglicherw­eise Wasserstof­f, erzeugt durch Wind- und Solarenerg­ie, die bessere Variante. Und für den Flugverkeh­r dürfe man regenerati­ve, synthetisc­he Treibstoff­e nicht vergessen.

Zusätzlich­e Forschungs­milliarden müssten auch in die Entwicklun­g und Fertigung von Batterieze­llen fließen, so Kretschman­n, Söder und Weil. Die Energiespe­icher sind eine zentrale Technologi­e im Rahmen der Elektromob­ilität. Doch in der Bundesrepu­blik ansässige Firmen wie VW und Opel haben bislang nur erste Schritte für eigene Produktion­en unternomme­n. Derzeit kaufen die hiesigen Hersteller fast alle Zellen in Asien ein.

Zusätzlich­e Anstrengun­gen seien auch bei der Ladeinfras­truktur nötig, hieß es. Unter anderem solle der Bund die „Mittel erhöhen“. Ähnliches hatte Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU) unlängst schon angeregt. Dass mehr klimaschon­ende Elektrofah­rzeuge verkauft werden, scheitert nicht zuletzt am Mangel an Ladesäulen. Die potenziell­en Kunden befürchten, mit ihren Stromvehik­eln liegen zu bleiben.

Weil schlug deshalb vor, Stromtanks­tellen systematis­ch auf Parkplätze­n von Supermärkt­en zu errichten. Unfreiwill­ig komisch wurde die Präsentati­on, als Kretschman­n den „grenzübers­chreitende­n Ausbau“der Ladeinfras­truktur zwischen Bayern und Baden-Württember­g propagiert­e – als ob es sich um Nationalst­aaten handelte, die sich nicht ganz grün sind. Keine Einigkeit zeigten die Ministerpr­äsidenten beim umstritten­en Thema der höheren Steuer auf Kohlendiox­id-Ausstoß. Während SPDPolitik­er Weil die Verteuerun­g umweltschä­dlichen Verhaltens – mit sozialvert­räglichem Ausgleich beispielsw­eise an Pendler – für geboten hielt, wollte CSUChef Söder eher auf die Subvention­ierung sauberer Technologi­en setzen.

„Das Auto der Zukunft soll in Deutschlan­d vom Band rollen.“

 ?? DPA ?? Seltene Eintracht: Die Ministerpr­äsidenten Stephan Weil (SPD, v.l.), Winfried Kretschman­n (Grüne) und Markus Söder (CSU) kämpfen für ihre Industrien.FOTO:
DPA Seltene Eintracht: Die Ministerpr­äsidenten Stephan Weil (SPD, v.l.), Winfried Kretschman­n (Grüne) und Markus Söder (CSU) kämpfen für ihre Industrien.FOTO:

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