Bereit für das erste große Turnier
Mit der DFB-Auswahl trifft Bundestrainerin Voss-Tecklenburg heute bei der Fußball-WM auf China
Nun ist es also offiziell: Martina Voss-Tecklenburg sitzt auf einem Podest und blickt in die Gesichter der Journalisten, die sich vor ihr versammelt haben. Sie lächelt, wie sie es häufig tut, wenn sie vor einem Spiel Fragen beantworten soll. Immer freundlich, mal sachlich, mal überschwänglich. So war es in den vergangenen Monaten auch, als die Presserunden im eher kleinen Kreise vor Testspielen und Trainingslagern abgehalten wurden. Doch der Rahmen ist nun ein anderer. Das Logo des Weltverbandes Fifa ziert Tische und Mikrofone, Fifa-Mitarbeiter laufen geschäftig in den Katakomben des Stadions in Rennes umher, wo heute Deutschland gegen China spielen wird. Die WM in Frankreich hat begonnen. Und Martina Voss-Tecklenburg steht in ihrem ersten großen Turnier als Bundestrainerin der Frauen-Nationalmannschaft.
Ist sie nervös? Aufgeregt? „Zunächst bin ich stolz und demütig, Trainerin des Landes zu sein, in dem ich geboren bin. Wer weiß, wie ich mich kurz vor dem Spiel fühlen werde. Dann habe ich vielleicht feuchte Hände und Magengrummeln.“Es ist ja nicht so, als hätte Martina Voss-Tecklenburg nicht schon so einige Turniere miterlebt. Als Spielerin, mit Meister-Trophäen dekoriert. Als Trainerin in der Frauen-Bundesliga und als Coach der Schweizerinnen, ebenfalls erfolgreich.
Im Nachwuchsbereich des Fußballverbands Niederrhein startete Voss, die 2009 den Bauunternehmer Hermann Tecklenburg heiratete, ihre Trainerkarriere. Betreute dort die jungen Alexandra Popp, Turid Knaak und Marina Hegering – Spielerinnen, auf die sie später während ihrer Zeit als Trainerin des Frauen-Bundesligisten FCR Duisburg bauen sollte. 2011 wurde die Trainerin jedoch überraschend entlassen, als der Verein in finanzielle Schieflage geriet. Die nun 51-Jährige suchte derweil neue Herausforderungen, hospitierte unter Jürgen Klopp bei Borussia Dortmund und nach einem kurzen TrainerIntermezzo beim FF USV Jena (2011/12) führte sie das Nationalteam der Schweiz überraschend zur WM 2015.
Nun also sitzt sie bei der aktuellen WM in der Pressekonferenz, 25 Stunden vor dem Spiel gegen China. Sie spricht über den Gegner, redet über das Torschusstraining. Mit MännerBundestrainer Jogi Löw und seinem Co-Trainer Marcus Sorg hat sie sich schon mehrfach über Taktik und Training ausgetauscht. Sie setzt auf schnellen Offensivfußball, hat aber auch verschiedene Defensivsysteme einstudieren lassen, um flexibel zu bleiben. Als die neben ihr auf dem Podest sitzende Stürmerin Svenja Huth ihre Trainerin lobt und noch einmal unterstreicht, wie viel Spaß es macht, unter ihr zu trainieren, lacht Martina Voss-Tecklenburg laut, offizieller Rahmen hin oder her: „Du spielst gegen China.“
Die Vize-Kapitänin Huth ist gesetzt. Neben ihr zeigt die komplette deutsche Mannschaft Selbstbewusstsein, wie schon der Werbespot („Wir brauchen keine Eier, wir haben Pferdeschwänze“) bewies. „Es gibt nicht Schöneres, als sein Land bei einer WM zu vertreten“, sagte Huth: „Wir sind aus dem Tal herausgekommen und auf einem sehr guten Weg.“
Das große Ziel ist nun zunächst die Qualifikation für Olympia 2020 in Tokio. Das wird schwer: Denn dafür muss das DFB-Team unter die drei besten Teams Europas kommen. Holt Deutschland den Titel, winkt eine Prämie von 65.000 Euro plus 10.000 Euro OlympiaBonus. (mit sid)