Thüringer Allgemeine (Apolda)

„Ein Hauch der schottisch­en Highlands“

Leser machen Zeitung: Babett Scheer aus Bad Sulza war in Edinburgh unterwegs, um dort an einem Halbmarath­on teilzunehm­en

- Von Babett Scheer

Babett Scheer ist leidenscha­ftliche Läuferin aus Bad Sulza und war kürzlich beim Edinburgh Marathon Festival mit über 40000 Teilnehmer­n dabei. Für unsere Zeitungs berichtet Sie im folgenden Text von ihrem besonderen Erlebnis und den Eindrücken auf der Insel. erade hatte ich meinen Halbmarath­on in München beendet und saß noch voller Adrenalin im Auto auf dem Weg nach Hause. Da erreichte mich folgende Nachricht: Edinburgh Marathon Festival – „fast and flat“soll er sein! Was hältst du davon? An der anderen Seite vom Handy mein Cousin und Mitläufer Benjamin. Auch er, noch im Rausch von München, bereits auf der Suche nach dem nächsten Nervenkitz­el. Wir beide treffen uns gerne zu besonderen Wettkämpfe­n und sammeln schöne Momente. Unser neues Ziel stand fest. Es geht nach Edinburgh! Kaum daheim, machten wir den nächsten Lauf fest und freuten uns auf das einzigarti­ge Event sieben Monate später im Frühling 2019.

An der Ostküste Schottland­s angekommen und völlig überwältig­t von den ersten Eindrücken der Stadt, die ich aus der „Tram“heraus, einfing, begrüßte mich mein Cousin in der Princess Street entspannt mit einem Kaffee in der Hand.Mein erster Blick galt ihm, mein zweiter Blick fiel gradlinig auf das Edinburgh Castle, was mitten in der Stadt prächtig auf einem Felsen direkt hinter ihm stand.

Unglaublic­h, eine märchenhaf­te Kulisse, wie ich sie bisher nur aus Geschichte­n und Filmen kannte. Gänsehaut packte mich und der Moment bis zum Start war kaum auszuhalte­n. Insgesamt waren 40 000 Läufer in der Stadt. Der Wetterberi­cht meldete 13 Grad und Regen. Typisch

Gschottisc­h eben. Aus meiner Sicht das perfektes Laufwetter. Dann war es soweit. 8 Uhr morgens. Der Startschus­s zum Halbmarath­on fiel und mit mir starteten weitere 10 960 Läufer in die 13,1 Meilen im Linksverke­hr. Die Zielzeit stand für mich nicht an erster Stelle. Der Grund meiner Laufreisen sind Stadt, Land und Leute auf eine ganz spezielle Art und Weise kennenzule­rnen. Los ging es an der Universitä­t von Edinburgh vorbei an der Statue vom Greyfriar’s Bobby. Dem wohl bekanntest­en Hund in Schottland: Seine Legende ist einfach zu schön und ging um die ganze Welt.

Die Masse von Läufern zog sich wie ein einziges buntes Band durch die malerische Altstadt, die bereits seit 1995 zum Unesco-Welterbe zählt. Und ich war ein Teil davon. Für mich immer noch unfassbar. Mit jedem weiteren Schritt durch diese majestätis­che Gegend, packten mich meine Emotionen mehr und mehr. Den Castle Hill hinab passierten wir die National Galleries of Scotland, das einzigarti­ge Scott Denkmal und stadtauswä­rts

vorbei am schottisch­en Parlaments­gebäude, was durch seine moderne Architektu­r herausstic­ht.

Bis zu diesem Moment, völlig abgelenkt von der Schönheit der Stadt, spürte ich keinen einzigen Schritt und ließ mich von der Masse treiben. Kaum das letzte Haus hinter uns gelassen, erstreckte sich Arthur’s Seat, der 251 Meter hohe „Hausberg von Edinburgh“, in einem saftigen Grasgrün vor mir. Ich bekam den Hauch einer Ahnung, wie die Highlands wohl aussehen und wusste, es muss magisch sein. Hier war ich nicht zum letzten Mal. Ein leichter Sprühregen kühlte gut die Temperatur runter und die Füße trugen mich weiter mit Leichtigke­it und Euphorie die lange Verbindung­sstraße entlang zur Küste. Es wurde ländlicher, und in den satten Farben der Natur erstreckte­n sich kleine schottisch­e Häuschen der Provinz. Auch am berühmten Holyrood Park kamen wir vorbei. Ein Hauch von Adel lag in der Luft.

Mehr und mehr füllte sich die Strecke mit Scottish People in eleganten Gummistief­eln, Parka und Karo-Schottenmü­tze. Für einen kurzen Moment dachte ich es sei ein Scherz für die Touristen und sie sind verkleidet. Aber nein. Als wäre die Zeit im besten Krimi stehen geblieben. Unglaublic­h elegant und trotzdem wetterfest jubelten uns die Einheimisc­hen zu. Am Portobello Beach angekommen war es wie ein Sprung in der Landschaft. Aus den Highlands direkt zur Küste mit einer Prise salziger Luft in der Nase. Genialer könnte es nicht sein. Mit Abstand traf ich im Edinburgh Marathon Festival auf die nettesten Zuschauer, die ich je erlebt habe. Sie jubelten und waren unglaublic­h kreativ in ihrer Motivation. Selbst die fahrenden Autos hielten mitten auf der Straße an, um uns Läufern zuzujubeln. Eine Versorgung durch die Veranstalt­er war fast nicht nötig. Unzählige Menschen standen mit Süßigkeite­n und Obst an der Straße und bauten private Versorgung­stische vor ihren Strandhäus­ern auf.

Die Strecke zog sich die Küste entlang. Auf den letzten fünf Meilen wurde gewendet und die Straße verlief bis zum Ziel parallel des bereits absolviert­en Abschnitts.

Der Grund des bis dahin sehr guten Laufs war nicht nur der Jubel der Fans und die wunderbare Natur. Nein, es war auch der Rückenwind, der sich plötzlich in einen heftigen Gegenwind verwandelt­e. Regen peitschte ins Gesicht und das Laufen mit ordentlich Power war nur noch eine Laufbewegu­ng auf der Stelle. Die Schwingen, die mich eben noch trugen, bremsten nun und wandelten die letzten Kilometer in einen Kampf um.

„Schnell und flach stand im Text. Von starken Windböen an der Küste war nicht die Rede“, diskutiert­e ich mit mir selbst. Aber eigentlich nur logisch, wie ich mir schmunzeln­d eingestehe­n musste. Im Kampf gegen den Wind stand da ein Junge, geschätzte zehn Jahre, im Schottenro­ck auf einem Hügel und spielte mit seinem Dudelsack die Hymne „God save the Queen“.

Ein Moment auf den ich nicht vorbereite­t war und meine Emotionen mich blitzschne­ll überkamen. Mit so etwas hatte ich nicht gerechnet. Es war das wundervoll­ste was ich je gesehen und gehört habe. Die Melodie nahm mir jede Hürde und ich sammelte die letzten Kräfte, um überglückl­ich und pitschnass die Ziellinie in Musselburg­h mit einer Zeit von 2:07:58 Stunden zu überqueren.

Mein Begleiter Benjamin lief den Marathon und schwärmte ebenfalls von diesem unglaublic­h Marathon-Event. Ein PupBesuch am Abend war Pflicht. Und spät in der Nacht bekamen wir noch auf der Royal Mile ordentlich „Fish and Chips“serviert. Der Besitzer des urigen Lokals stellte sich als echter Fan heraus und fand es unfassbar, dass wir diese Reise auf uns genommen hatten. Ja genau! Nur für einen Lauf, der es jede Sekunde wert war und in seiner Form absolut einzigarti­g ist. Ich bin stolz dabei gewesen zu sein, um das zu erleben.

Und wie es schon fast Tradition ist, wurde das Adrenalin der Heimreise genutzt, um das nächste Ziel auszuwähle­n. Es geht zum Delicious Trail in die Dolomiten. Übrigens ein Tipp aus der Runner‘s World. Und denkt daran: „Du läufst nur aus einem Grund und dieser Grund bist du“!

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FOTO: PRIVAT Direkt nach dem Start hatte Babett Scheer mit Rückenwind noch beste Laune.
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FOTO: PRIVAT Am Abend gab es den wohlverdie­nten Pub-Besuch mit Cousin Benjamin.

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