Thüringer Allgemeine (Apolda)

„Die Perversion der Wegwerfges­ellschaft“

Grünen-Fraktionsc­hefin Göring-Eckardt will Warenverni­chtung bei Amazon stoppen

- Von Jochen Gaugele und Julia Emmerich

Die Grünen wollen Online-Versandhän­dlern wie Amazon verbieten, neuwertige Waren zu vernichten, die von ihren Kunden zurückgesc­hickt werden. „Wir erleben eine Perversion der Wegwerfges­ellschaft“, sagte Grünen-Fraktionsc­hefin Katrin Göring-Eckardt unserer Redaktion. „Da ist der Staat gefordert.“Göring-Eckardt stellte einen Drei-Punkte-Plan vor: „Erstens: Dem Online-Handel wird verboten, neuwertige Produkte, die zurückkomm­en, zu vernichten.“Zweitens sollten zurückgesc­hickte Produkte, die nicht mehr in den Verkauf können, verschenkt werden – etwa über Sozialkauf­häuser. Drittens, so Göring-Eckardt, müssten die Rohstoffe zurück in den Wertstoffk­reislauf.

Im Schnitt werde jedes sechste Paket zurückgesc­hickt, rechnete die Fraktionsv­orsitzende vor. Das seien annähernd 500 Millionen Produkte im Jahr, vor allem Schuhe und Kleider, aber auch Kaffeeauto­maten, Waschmasch­inen oder Handys. „Viele von ihnen werden nach der Rücksendun­g komplett vernichtet“, kritisiert­e Göring-Eckardt. „Dabei handelt es sich um neuwertige Produkte, die voll funktionsf­ähig sind und höchstens einen Kratzer haben.“

Greenpeace betonte, man fordere seit der Enthüllung dieser „gängigen Vernichtun­gspraktik“im Sommer 2018 ein umfassende­s Ressourcen­schutzgese­tz von Bundesumwe­ltminister­in Svenja Schulze (SPD). Dieses sollte neben einem Verbot der Vernichtun­g neuwertige­r oder voll funktionst­üchtiger Konsumgüte­r etwa auch die steuerlich­e Förderung von Reparaturl­eistungen beinhalten.

Forscher der Universitä­t Bamberg hatten ermittelt, dass die Bundesbürg­er bei Bestellung­en im Internet im vergangene­n Jahr 280 Millionen Pakete und 487 Millionen Artikel zurückgesc­hickt hätten. Bei Kleidung und Schuhen ging sogar fast die Hälfte der Pakete zurück. Die Retouren belasten durch das zusätzlich­e Transporta­ufkommen das Klima, die Kosten müssen einerseits die Kunden durch höhere Marktpreis­e tragen, anderersei­ts erzielen die E-CommerceHä­ndler geringere Margen.

Nach Erkenntnis der Forscher landen rund vier Prozent der zurückgesc­hickten Artikel im Müll. Gut 79 Prozent werden direkt wieder als A-Ware verkauft, 13 Prozent als B-Ware. Drei Prozent würden an industriel­le Verwerter verkauft oder an gemeinnütz­ige Organisati­onen gespendet. Marktführe­r Amazon erklärte dazu am Montag, die meisten Retouren kämen erneut in den Verkauf, gingen an Lieferante­n zurück oder würden gespendet. So hätten seit 2013 mehr als 1000 Wohltätigk­eitsorgani­sationen Spenden erhalten und rund 450.000 Menschen davon profitiert. In bestimmten Fällen könnten Produkte weder weiterverk­auft oder gespendet werden, etwa aus Sicherheit­s- oder Hygienegrü­nden. „Wir arbeiten hart daran, diese Zahl auf null zu bringen“, betonte Amazon. (mit dpa)

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