Das Leben des Ben
„Ben Hur“stellt die Frage nach der Perspektive des Kinder- und Jugendtheaters in Eisenach
Ben Hur ist eine Frau, aber das bedeutet nichts. Das Publikum hat mehrfach gelacht und am Ende applaudiert – bedeutet das auch nichts? Nichts, ganz sicher nichts für die künstlerische Qualität dieses Abends, sie ist erschreckend, aber vielleicht doch etwas für die Legitimation solcher Unternehmung, deren Leistung von Thüringer Amateurgruppen in Erfurt, Weimar oder Mühlhausen mühelos übertroffen wird?
Der Brite Rob Ballard, Autor dieses Textes, zählt zu den wenigen Menschen, über die im weltweiten Netznichtszufindenist,außerdass er eben der Autor von „Ben Hur“ist. Vielleicht war es ja ganz anders, vielleicht war es so, dass die Schüler eines gymnasialen Leistungskurses DuG (Darstellen und Gestalten) zwei Filme gesehen haben, nämlich „Ben Hur“und das „Das Leben des Brian“und sich dann dachten, daraus mixen wir unser Abschlussding. So irgendwie „Das Leben des Ben“. Halbe Stunde, bisschen blödeln, bisschen Spaß. Das blödelt, plaudert und kalauert sich ab „Anno Domini Null“durch das Zeitgeschehen, die ortsansässige Firma Josef & Sohn hat einen Steg unmittelbar unter die Wasseroberfläche gebaut, da kann einer übers Wasser gehen, sie stellen auch erstklassige Holzkreuze her, irgendwo an einem Hügel hat die Versammlungsleitung nur fünf Brote und zwei Fische für die Kundgebungsteilnehmer auftreiben können, aber Admiral Arrius hat eine Karawane voller Lebensmittel an seine Adoptivtochter Ben Hur geschickt und deshalb… und so weiter. Das hat mitunter eine Art von schrägem Witz, den Schauspieler eine Situation lang genießen könnten, schrill und schnell.
Aber Mareike Zimmermann, die Regisseurin, inszeniert, als wäre das ein richtiges Stück, und lässt es zwei und eine halbe Stunde lang breittreten. Das sind, gefühlt, zwei Stunden zu viel und tatsächlich gewiss eine. Es ist eine Frage des Respekts vor den Fährnissen dieses Berufes, dass der Berichterstatter hier über die Mitwirkenden Friederike Fink, Michael J. Mayer, Alexander Beisel und Roman Kimmich lediglich mitzuteilen wünscht: sie wirkten mit. Und die Wirkung des Ganzen war so…
Die Wirkung des Ganzen war so, dass sie die grundsätzliche Frage aufwirft, was die Absicht und was die Zukunft des Jungen Schauspiels sei. Das Landestheater Eisenach ist von den Irrungen und Wirrungen der Thüringer Kulturpolitik gebeutelt wie kein anderes Haus. Eine unberatene Kulturpolitik der jeweils diensthabenden Inkompetenz hat das Haus verschlissen zwischen wechselnden Fusionen und Kooperationen. Nun ist es, unter dem Dach der Meininger Kulturstiftung, nicht mehr der ungeliebte Wurmfortsatz der Meininger. Nun ist der Ballettchef Andris Plucis auch künstlerischer Leiter des Hauses, das außer der Tanzcompany noch über das Junge Schauspiel verfügt (sechs Darsteller insgesamt). Der Name meint nicht nur das Alter der Akteure, er meint auch die Zielgruppe, denn seine eigentliche Verpflichtung gilt dem Kinder- und Jugendtheater, die Rudolstädter gastieren hier mit ihrem qualifizierten Schauspiel. Aber natürlich hat so eine Truppe dann auch den Ehrgeiz, im Abendspielplan vorzukommen, also als ein ganz normales Schauspielensemble. Das ist begreiflich, man muss es nur richtig angehen. Die Problematik eines solchen Spagates zeigte sich letztens schon bei der Inszenierung „Rose und Regen, Schwert und Wunde“. Mit einer solchen Produktion wie diesem „Ben Hur“nun, und die begann schon bei der Entscheidung für den Text, erwirbt sich ein Ensemble womöglich ein schnelles Publikum, aber kaum anhaltende Reputation. Wer einen solchen Abend sieht, der gewinnt beinahe zwangsläufig den Eindruck, dass hier sei eine Truppe, die für die Kinder zuständig ist, wo es nicht so darauf ankommt, und nun wollen sie auch mal bei den Großen mitspielen. Und vor diesem Eindruck müsste, sollte, eine Leitung das kleine Ensemble schützen.
Andris Plucis leitet als Choreograf eine Truppe, die einen künstlerischen Anspruch behauptet. „On the Edge“, die Koproduktion mit Weimar, war ein außerordentlich interessantes Projekt und soll fortgesetzt werden, ihr Thema war Partnerschaft, von Menschen, von Künstlern, auch von Sparten. Partnerschaft zwischen den Sparten eines Hauses sollte bedeuten, dass die einen auch Sorge tragen für die anderen, dass sie auf einem vergleichbaren Niveau arbeiten. Mit Produktionen wie dieser bewegt sich das Junge Schauspiel auf die Länge gesehen tatsächlich „On the edge“, am Rande.