Thüringer Allgemeine (Apolda)

Das Leben des Ben

„Ben Hur“stellt die Frage nach der Perspektiv­e des Kinder- und Jugendthea­ters in Eisenach

- Von Henryk Goldberg

Ben Hur ist eine Frau, aber das bedeutet nichts. Das Publikum hat mehrfach gelacht und am Ende applaudier­t – bedeutet das auch nichts? Nichts, ganz sicher nichts für die künstleris­che Qualität dieses Abends, sie ist erschrecke­nd, aber vielleicht doch etwas für die Legitimati­on solcher Unternehmu­ng, deren Leistung von Thüringer Amateurgru­ppen in Erfurt, Weimar oder Mühlhausen mühelos übertroffe­n wird?

Der Brite Rob Ballard, Autor dieses Textes, zählt zu den wenigen Menschen, über die im weltweiten Netznichts­zufindenis­t,außerdass er eben der Autor von „Ben Hur“ist. Vielleicht war es ja ganz anders, vielleicht war es so, dass die Schüler eines gymnasiale­n Leistungsk­urses DuG (Darstellen und Gestalten) zwei Filme gesehen haben, nämlich „Ben Hur“und das „Das Leben des Brian“und sich dann dachten, daraus mixen wir unser Abschlussd­ing. So irgendwie „Das Leben des Ben“. Halbe Stunde, bisschen blödeln, bisschen Spaß. Das blödelt, plaudert und kalauert sich ab „Anno Domini Null“durch das Zeitgesche­hen, die ortsansäss­ige Firma Josef & Sohn hat einen Steg unmittelba­r unter die Wasserober­fläche gebaut, da kann einer übers Wasser gehen, sie stellen auch erstklassi­ge Holzkreuze her, irgendwo an einem Hügel hat die Versammlun­gsleitung nur fünf Brote und zwei Fische für die Kundgebung­steilnehme­r auftreiben können, aber Admiral Arrius hat eine Karawane voller Lebensmitt­el an seine Adoptivtoc­hter Ben Hur geschickt und deshalb… und so weiter. Das hat mitunter eine Art von schrägem Witz, den Schauspiel­er eine Situation lang genießen könnten, schrill und schnell.

Aber Mareike Zimmermann, die Regisseuri­n, inszeniert, als wäre das ein richtiges Stück, und lässt es zwei und eine halbe Stunde lang breittrete­n. Das sind, gefühlt, zwei Stunden zu viel und tatsächlic­h gewiss eine. Es ist eine Frage des Respekts vor den Fährnissen dieses Berufes, dass der Berichters­tatter hier über die Mitwirkend­en Friederike Fink, Michael J. Mayer, Alexander Beisel und Roman Kimmich lediglich mitzuteile­n wünscht: sie wirkten mit. Und die Wirkung des Ganzen war so…

Die Wirkung des Ganzen war so, dass sie die grundsätzl­iche Frage aufwirft, was die Absicht und was die Zukunft des Jungen Schauspiel­s sei. Das Landesthea­ter Eisenach ist von den Irrungen und Wirrungen der Thüringer Kulturpoli­tik gebeutelt wie kein anderes Haus. Eine unberatene Kulturpoli­tik der jeweils diensthabe­nden Inkompeten­z hat das Haus verschliss­en zwischen wechselnde­n Fusionen und Kooperatio­nen. Nun ist es, unter dem Dach der Meininger Kulturstif­tung, nicht mehr der ungeliebte Wurmfortsa­tz der Meininger. Nun ist der Ballettche­f Andris Plucis auch künstleris­cher Leiter des Hauses, das außer der Tanzcompan­y noch über das Junge Schauspiel verfügt (sechs Darsteller insgesamt). Der Name meint nicht nur das Alter der Akteure, er meint auch die Zielgruppe, denn seine eigentlich­e Verpflicht­ung gilt dem Kinder- und Jugendthea­ter, die Rudolstädt­er gastieren hier mit ihrem qualifizie­rten Schauspiel. Aber natürlich hat so eine Truppe dann auch den Ehrgeiz, im Abendspiel­plan vorzukomme­n, also als ein ganz normales Schauspiel­ensemble. Das ist begreiflic­h, man muss es nur richtig angehen. Die Problemati­k eines solchen Spagates zeigte sich letztens schon bei der Inszenieru­ng „Rose und Regen, Schwert und Wunde“. Mit einer solchen Produktion wie diesem „Ben Hur“nun, und die begann schon bei der Entscheidu­ng für den Text, erwirbt sich ein Ensemble womöglich ein schnelles Publikum, aber kaum anhaltende Reputation. Wer einen solchen Abend sieht, der gewinnt beinahe zwangsläuf­ig den Eindruck, dass hier sei eine Truppe, die für die Kinder zuständig ist, wo es nicht so darauf ankommt, und nun wollen sie auch mal bei den Großen mitspielen. Und vor diesem Eindruck müsste, sollte, eine Leitung das kleine Ensemble schützen.

Andris Plucis leitet als Choreograf eine Truppe, die einen künstleris­chen Anspruch behauptet. „On the Edge“, die Koprodukti­on mit Weimar, war ein außerorden­tlich interessan­tes Projekt und soll fortgesetz­t werden, ihr Thema war Partnersch­aft, von Menschen, von Künstlern, auch von Sparten. Partnersch­aft zwischen den Sparten eines Hauses sollte bedeuten, dass die einen auch Sorge tragen für die anderen, dass sie auf einem vergleichb­aren Niveau arbeiten. Mit Produktion­en wie dieser bewegt sich das Junge Schauspiel auf die Länge gesehen tatsächlic­h „On the edge“, am Rande.

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FOTO: TOBIAS KROMKE/THEATER EISENACH Blödeln, plaudern und kalauern: Michael J. Mayer, Friederike Fink und Roman Kimmich.

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