Ronaldo – Sieger, Diva und Vermittler
Portugal mit einem unauffälligen Superstar gewinnt durch ein 1:0 im Finale über die Niederlande die Nations League
Der um einen halben Kopf kleinere Bernardo Silva schaute fast entschuldigend zu Cristiano Ronaldo hoch, doch der Superstar ließ ihn eiskalt abblitzen. Während die anderen Kollegen den kleinen Dribbelkönig anerkennend auf Kopf und Hals klopften, blickte Ronaldo missmutig auf ihn herab. Womöglich empfand es Portugals Ausnahmekönner als Majestätsbeleidigung, dass nicht er, sondern Bernardo Silva zum besten Spieler im Premierenjahr der Nations League ernannt wurde.
Vielleicht lief Ronaldo auch deshalb mit fast kindlicher Freude mit der Silbertrophäe herum, die man ihm als Kapitän nach dem 1:0 (0:0)-Finalsieg Portugals gegen die Niederlande nicht vorenthalten konnte. Ronaldo und Co. feierten so, als sei dieser Erfolg im neuen und umstrittenen Uefa-Wettbewerb so viel wert wie der EM-Triumph 2016.
„Gott sei Dank haben sich die Dinge in den letzten Jahren für das Nationalteam sehr gut entwickelt. Portugal hat wichtige Wettbewerbe gewonnen wie die EM und nun die Nations League“, sagte Ronaldo. „Es sieht nach einem einfachen Job aus, aber es ist hart. Es braucht sehr viel Entschlossenheit und Willen.“
Und davon, das stellte der 34Jährige klar, verfüge er noch im Übermaß. Er wolle noch „viele, viele Jahre“in der Nationalelf auflaufen, sagte er. Im Endspiel war Ronaldo zwar kein Faktor, doch im Halbfinale gegen die Schweiz (3:1) hatte er mit einem Dreierpack seine ganze Klasse gezeigt. „Ich denke, dass ich immer noch ein nützlicher Spieler bin“, sagte der Star-Stürmer von Juventus Turin.
Für seinen Arbeitgeber war Ronaldo auch unmittelbar nach dem Abpfiff unterwegs. Beim kurzen Plausch mit Matthijs de Ligt hatte er offenbar versucht, den niederländischen Jungstar zu Juve zu locken. „Ronaldo fragte mich, ob ich zu Juventus kommen will“, berichtete der von fast allen Topklubs umworbene 19Jährige von Ajax Amsterdam: „Ich war ein wenig geschockt wegen der Frage, deswegen habe ich gelacht. Anfangs hatte ich ihn gar nicht verstanden.“
Den Niederländern war anzumerken, dass sie nach der langen Saison nicht mehr die notwendige Kraft hatten, um die sehr stabile Defensive der Portugiesen in Gefahr zu bringen. „Ob wir müde waren, weiß ich nicht. Aber wir waren nicht gut genug“, gab Bondscoach Ronald Koeman zu. Oranje muss weiter auf den zweiten internationalen Titel nach dem EM-Coup 1988 in Deutschland warten.
Portugals Siegtreffer erzielte Goncalo Guedes (60.) nach einer herrlichen Vorarbeit des bärenstarken Bernardo Silva. Portugal ist nicht mehr nur Ronaldo – und diesem Fakt kann sogar der Superstar selbst etwas Positives abgewinnen: „Diese Mannschaft hat großes Potenzial. Ich bin mir sicher, dass Portugal auch künftig wichtige Trophäen gewinnen kann.“(sid)