Wachsen mit den Aufgaben
Der 1:0-Arbeitssieg zum WM-Auftakt gegen China gibt den DFB-Damen Mut. Neuling Gwinn freut sich nun auf Spanien
Als die deutschen Fußball- Frauen am Montagmittag auf den Trainingsplatz gingen, waren sie angekommen. Im Norden Frankreichs, wo sie am Mittwoch wieder spielen werden. Vor allem aber: im Turnier. Sie hatten am Samstag ihr erstes Spiel gegen China in Rennes gewonnen (1:0), waren am Tag darauf vier Stunden mit dem Schnellzug TGV weitergereist und könnten morgen in Valenciennes mit einem Erfolg über Spanien einen großen Schritt Richtung Achtelfinaleinzug machen.
Alles gut also? Nun, das kommt immer auf den Blickwinkel an.
Fragt man Giulia Gwinn, dann herrschen Freude und Erleichterung vor. Die 19-Jährige hatte in der 66. Minute Mut bewiesen. Nichts ging gegen diese mauernden und teilweise wüst umhertretenden Chinesinnen, bis sich die Abwehrspielerin den Ball nach einer Ecke noch kurz zurechtlegte und ihn dann aus 20 Metern durch die chinesische Abwehrreihe ins Tor drosch.
„Diese Szene werde ich so schnell nicht vergessen“, strahlte die Spielerin des SC Freiburg, die nach der WM zu Bayern München wechseln wird. Ihre Eltern auch nicht. Die saßen, mit dem Wohnmobil dem deutschen Team hinterherreisend, unter den 15.283 Zuschauern. Mit Freudentränen in den Augen, als die Tochter zur besten Spielerin erklärt wurde. Eine Auszeichnung, die sie bereits bei den Auftaktspielen der U17WM (2016) und der U20-WM (2018) erhielt. „Das Trikot bekommen meine Eltern“, sagte die Sport-Management-Studentin, „denn sie haben mich immer unterstützt.“
Giulia Gwinn war eine von zwei Teenagern, die dem deutschen Spiel gut taten. Die einen Schuss Unbekümmertheit und Vielseitigkeit in die Partie brachten, in der die Etablierten wie Dzsenifer Marozsan und Alexandra Popp sich lange schwer taten gegen den flinken und aggressiven Gegner. Der zweite war die 17-jährige Lena Oberdorf von der SGS Essen, die durch ihre Einwechslung in der 46. Minute zur jüngsten deutschen WM-Debütantin wurde und dies mit folgender Reaktion bedachte: „Wirklich? Cool!“
Fragt man Martina Voss-Tecklenburg, dann folgte dem Moment der Erleichterung das lange Grübeln. Die 51-Jährige hatte nach ihrem ersten Pflichtspielsieg als Bundestrainerin erkannt: Es gibt noch viel Luft nach oben. Und einige Sorgen. Dzsenifer Marozsan, Dreh- und Angelpunkt im deutschen Angriffsspiel, droht nach einem Tritt auf den rechten Fuß auszufallen. Nach Spielschluss ging es zur Sicherheit ins Krankenhaus, der Knöchel ist noch immer angeschwollen. „Das sieht nicht gut aus“, hatte Martina VossTecklenburg nach der Partie gesagt. Stand am Montag: „Wir schauen von Tag zu Tag.“Immerhin: Bei Kapitänin Alexandra Popp und der zuletzt immer wieder mit Schulterschmerzen kämpfenden Torhüterin Almuth Schult gab es Entwarnung. Die Bundestrainerin muss aber auch Lösungen für andere Spielsituationen finden. Der Angriff wirkte phasenweise ideenlos, Fehlpässe von Abwehrspielerin Sara Doorsoun hätten beinahe zu Gegentoren geführt, überhaupt ging es hinten mitunter chaotisch zu. „Ich weiß, wir können das besser“, hatte Voss-Tecklenburg gesagt. „Es war nicht das schönste Spiel, aber vielleicht war der Start mit Widerständen sogar gut.“
Fragt man Alexandra Popp und Kathrin Hendrich, fängt die WM nun erst richtig an. „Wir sind jetzt im Turnier“, sagte Stürmerin Popp, „das erste Spiel ist immer schwierig. Wichtig ist, dass wir uns reingekämpft haben.“Und Abwehrfrau Hendrich fand: „Es wäre auch komisch, wenn gleich alles glatt laufen würde. Wir sind selbstkritisch genug und werden aus den Fehlern lernen vor diesem Topspiel gegen Spanien.“