Unendliche Geschichte
Nach jahrelangem Streit könnte der Thüringer Landtag heute ein neues Schulgesetz beschließen
Seit Jahren wird in Thüringen über ein neues Schulgesetz diskutiert – und häufig auch heftig gezankt. Die scheinbar unendliche Geschichte einer weiterhin strittigen Novelle könnte aber doch noch ein Ende finden. Der Thüringer Landtag soll heute eines der zentralen Gesetze der rot-rot-grünen Landesregierung beschließen. Eine Chronologie:
Linke, SPD und Grüne unterzeichnen ihren Koalitionsvertrag. Darin heißt es: „Das Thüringer Schulgesetz und das Förderschulgesetz sollen zu einem inklusiven Schulgesetz zusammengeführt werden, um die personellen, sächlichen und räumlichen Rahmenbedingungen für inklusive Schulen weiter zu verbessern ...“
Januar bis Dezember 2015:
Im Haus von Bildungsministerin Birgit Klaubert (Linke) wird der Entwurf eines Schulgesetzes erarbeitet. Verbände, Vereine und Interessengruppen werden beteiligt. Auch das Kabinett beschäftigt sich mit dem Schulgesetz. Doch unter anderem für die Inklusion, also dem gemeinsamen Lernen von Kindern mit und ohne Behinderung, fehlen bauliche und personelle Voraussetzungen.
Diese Zeitung veröffentlicht Pläne aus dem Bildungsministeriums für Mindestschulgrößen. Demnach sollen Grundschulen im ländlichen Raum künftig mindestens 80 Schüler haben, in Städten 120. In Regelschulen sollen es 220, in Gemeinschafts- und Integrierten Gesamtschulen 320 und in Gymnasien 576 Schüler sein. Bildungsministerin Klaubert widerspricht und betont, dass es sich bei dem Papier, um einen auf Arbeitsebene erstellten Entwurf handele, der die Hausspitze nie erreicht habe und den sie nicht kenne. Planungen dieser Art für ein Schulgesetz gebe es nicht. Sowohl Koalitionsals auch Oppositionspolitiker lehnen Vorgaben dieser Größenordnung ab. Der Lehrerverband warnt, die Schullandschaft nicht mit dem Rasenmäher auszudünnen. Der Landkreistag als Vertreter der meisten Schulträger befürchtet das Aus für viele Schulen im ländlichen Raum.
Die Staatskanzlei bestätigt, dass Staatskanzleiminister Benjamin-Immanuel Hoff (Linke) die schwer erkrankte Bildungsministerin Klaubert vertritt. Einen Tag später stellt Hoff nach massiver Kritik Änderungen am immer noch nicht offiziell vorliegenden Schulgesetz in Aussicht.
Nachdem seit Monaten über eine Ablösung der weiter erkrankten und zuvor glücklos und überfordert agierenden Klaubert spekuliert wird, übernimmt Helmut Holter (Linke) das Amt des Bildungsministers.
Holter, ehemaliger Arbeitsminister aus Mecklenburg-Vorpommern, hält die Vorbereitungen für das neue Schulgesetz an, weil er damit auch Entscheidungen über Klassen- und Schulgrößen treffen will, wie er im Interview mit dieser Zeitung sagt. Mit einem Bildungsplan „Zukunft Schule“hatte er bereits vor Amtsantritt erste Eckpunkte skizziert. Aber neben dem Gegenwind bei der Inklusion verschärft der Lehrermangel den Unterrichtsausfall.
Diese Zeitung berichtet über Ministeriumsplanungen, wonach Grundschulen im ländlichen Raum künftig mindestens 80 Schüler haben sollen. In Städten soll diese Untergrenze bei 160 Schülern liegen. Auch bei den übrigen Schultypen tauchen teilweise genau die Zahlen auf, die 2016 noch dementiert wurden.
Minister Holter kündigt an, dem Thüringer Kabinett vorzuschlagen, die eigenen Pläne zu korrigieren. Maßstab für alle Grundschulen soll eine Mindestgröße von 80 Schülern sein.
In der ersten Beratung des Schulgesetzes im Parlament sorgen die Pläne für eine heftige Debatte. Der Widerstand von Schulträgern, Lehrer- und Elternvertretungen sowie Opposition hält auch in einer späteren Anhörung an.
Bildungsminister Holter lenkt erneut ein. Mindestschulgrößen sollen nicht mehr im Gesetz stehen. Die Koalitionsfraktionen geben gemeinsam mit dem Minister bekannt, dass die vom Landkreistag geforderten Zahlen für Mindestklassengrößen eins zu eins ins neue Schulgesetz aufgenommen werden.
Ein Ostthüringer Verein hat mehr als die geforderten 1500 Unterstützer für eine Petition gegen das geplante Schulgesetz gefunden.
Das Schulgesetz soll vom Thüringer Landtag verabschiedet werden.