Thüringer Allgemeine (Apolda)

Azubi-Ticket kommt gut an

Verkehrsmi­nisterin Keller wünscht sich ein größeres Engagement der Wirtschaft bei der Finanzieru­ng

- Von Sibylle Göbel

Die Garant GmbH am Erfurter Kreuz hat die Zeichen der Zeit erkannt: Um ihren 25 Lehrlingen die Fahrt zu Betrieb, Berufsschu­le und überbetrie­blicher Ausbildung mit Bus und Bahn zu ermögliche­n, übernimmt sie deren Eigenantei­l am Azubi-Ticket in Höhe von 50 Euro.

Thüringens Infrastruk­turministe­rin Birgit Keller (Linke), die das Unternehme­n gestern besuchte, schätzt dieses Engagement „unglaublic­h“, zumal viele sogenannte Global Player, die es auch in Thüringen gebe, dergleiche­n nicht einmal in Erwägung zögen. Was die Ministerin aber ärgert, das ist, dass sich die Wirtschaft nicht generell mit einem Drittel an den Kosten des 154 Euro teuren Tickets beteiligt. „Das kann und das darf nicht sein“, unterstric­h Keller im Gespräch unter anderem mit Prokurist Dirk Wöllner.

Ziel sei, dass sich das Land, die Wirtschaft und die Lehrlinge zu je einem Drittel in die Kosten des Tickets teilen, dessen gut einjährige Pilotphase im Oktober 2018 startete. Heißt: Jeder zahlt 50 Euro. Im Moment sei es aber so, dass das Land 100 Euro pro Ticket schultert, den Rest dann der Lehrling oder – wie im Fall des Türen- und Zargenhers­tellers Garant – der Ausbildung­sbetrieb. „Dabei profitiert doch die Wirtschaft von dem Ticket“, argumentie­rte die Ministerin. Denn viele Azubis könnten die Ausbildung­sstätten gar nicht anders als mit dem ÖPNV erreichen. Würden wiederum Bus und Bahn mehr in Anspruch genommen, sei das auch ein Gewinn für die Umwelt.

Keller zeigte sich aber davon überzeugt, dass noch ein Weg gefunden werden kann, „um gemeinsam Verantwort­ung zu übernehmen“. Denn das AzubiTicke­t solle über die am 31. Dezember endende Pilotphase hinaus fortgesetz­t werden. Beim Werben für das Ticket und für mehr Engagement der Wirtschaft setzt die Ministerin auf „klare Fakten“– beispielsw­eise den, dass mittlerwei­le bereits 4700 der 40.000 Thüringer Lehrlinge im Besitz des Azubi-Tickets sind.

Für dessen Akzeptanz spreche aber auch, dass bei einer Befragung im März 98 Prozent der Nutzer „sehr zufrieden“mit dem Ticket waren. Im Schnitt nutze jeder Azubi das Ticket für 53 Fahrten und 1744 Kilometer im Monat. „Das zeigt, dass das Ticket die richtige Entscheidu­ng war, dass es praktikabe­l ist und das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt“, unterstric­h die Ministerin, die zudem die Erwartung hegt, dass das Angebot auch in der Freizeit rege genutzt wird und sich das Fahrverhal­ten der Nutzer zugunsten des ÖPNV ändert.

Die Ministerin verhehlte im Gespräch mit Vertretern des Betriebes nicht, dass das Ticket eine schwierige Geburt war: Nicht nur, weil es nicht als solidarisc­hes Modell analog zum Semesterti­cket finanziert werden konnte, sondern weil auch Gespräche mit 27 Aufgabentr­ägern (Kommunen) und 43 Verkehrsbe­trieben zu führen waren. Mit Ausnahme des Landkreise­s Greiz sind jetzt alle Thüringer Landkreise und kreisfreie­n Städte beteiligt. Die Ministerin hofft, dass die „Kleinstaat­erei“im ÖPNV in Thüringen bald überwunden ist und der Fahrgast mit einem einzigen Ticket etwa von Nordhausen nach Altenburg fahren kann. „Im Moment braucht er dafür fünf.“

Dirk Wöllner von der Garant Türen und Zargen GmbH ist derweil vom Nutzen des AzubiTicke­ts überzeugt. Und er weiß: Je mehr Lehrlinge es nutzen, umso günstiger wird es. Das sei dann für alle eine „Win-win-Situation“. Sein Unternehme­n, das Lehrlinge in acht Berufen ausbildet, stellt pro Tag 3000 Türen und 2500 Zargen her, von denen 90 Prozent in Deutschlan­d bleiben. Vor 27 Jahren war die Garant GmbH der erste Betrieb am Erfurter Kreuz, inzwischen hat er 510 Mitarbeite­r, die in drei Schichten arbeiten. Erst jüngst investiert­e der Betrieb in eine vollautoma­tische Premiumkan­tenanlage, die elf Millionen Euro kostete.

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FOTO: HANS-PETER STADERMANN Ministerin Birgit Keller (Linke) besucht Garant im Gewerbegeb­iet Thörey – hier mit Lehrling Tom Witthauser und Ausbildung­sleiter Rüdiger Pabst (rechts).

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