Thüringer Allgemeine (Apolda)

Die Korbmacher aus Schönau vor dem Walde

Erinnerung­en an ein fast in Vergessenh­eit geratenes Thüringer Handwerk

- Von Gerhard Hörselmann

Über Märkte gehe ich zwar selten, wenn aber doch, verweile ich gern an diesem Ort der Erinnerung, etwa an die Arbeiten der Korbmacher. Wie beispielsw­eise jene Vertreter dieser Kunst aus Schönau vor dem Walde, die Körbe mit geschätzte­m Gebrauchsw­ert herstellte­n. Die Erzeugniss­e aus Weiden waren damals kein erstrebter Luxus, sie waren in den Anfangsjah­ren der Korbmacher­ei alltäglich­e Notwendigk­eiten in ärmlichen Verhältnis­sen. Es waren die Zeiten der täglichen Pflichten und entschloss­enen Zupackens, sollten Körbe zum Lebensunte­rhalt der Korbmacher und der Erwerber entstehen. In ihnen verbarg sich eine umfangreic­he Kette von Arbeitsgän­gen, von der heute nur noch wenige moderne Menschen etwas wissen. Auf Weidenfeld­ern wuchs der Korb in seiner Urform heran. Die drei noch lebenden Schönauer Korbmacher wissen zu berichten, dass sie auf den Feldern standen und mit der sogenannte­n Hippe die Weiden schnitten.

Später kam dieser anstrengen­den Arbeit ein umgebauter Gebirgsgra­smäher mit verkürztem Mähbalken zur Hilfe. Dennoch verblieb noch mühevolle körperlich­e Arbeit. Die Weiden mussten nach Längen und Stärken sortiert und gebündelt werden und sie benötigten zur weiteren Verarbeitu­ng Feuchtigke­it. Im Flüsschen Leina und im Leinakanal standen die Bündel in langen Reihen und wurden im Wasser zu biegsamen Weiden, die sich mit einer Kluppe besser schälen ließen. Die Ernte- und Wässerungs­zeit drängte nach Arbeit. Die Korbmacher waren in diesen Wochen auf helfende Hände angewiesen. So manches Weidenbünd­el wurde in Schönau v.d.W. zum Schälen und gegen Entlohnung in Haushalte verteilt.

Oft waren es Mütter mit ihren Kindern, die vor den Haustüren saßen und aus den Weiden jene helle Farbe herausschä­lten, aus denen die meisten Körbe bestanden und die ihre hilfreiche­n Dienste auch in weit entfernten Dörfern und Städten antraten. Es war nicht nur die Farbe des Weidenholz­es, die das Schälergeb­nis sichtbar machte, es war auch der Duft dieser dünnen geschmeidi­gen Gehölze, der sich noch bis zum fertigen Korb erhielt. Er durchström­te Scheunen, Nebengelas­se und Flechtkamm­ern der Korbmacher­genossensc­haft und privaten Korbflecht­er.

Gern ging ich damals zu Onkel Ernst, dem selbststän­digen Korbmacher. Er saß in seiner kleinen Werkstatt und strahlte mir beim Kommen sein Lächeln entgegen. Er hatte für mich die kräftigste­n Hände der Welt, die scheinbar mühelos die Weiden gefügig machten. Er zauberte für mich aus den Weiden Wunderrute­n, wenn der Korb unter seinen derb-geschickte­n Händen entstand und mir schien, er flocht sein Lächeln und seine Arbeitsfre­ude mit hinein. Auch wir benutzten Körbe von ihm in unserer kleinen Landwirtsc­haft. Beim Kartoffell­esen war ich immer für den Korb der kleinen Kartoffeln zuständig. Oft schob ich den Korb, den Onkel Ernst für uns gefertigt hatte, lustlos vor mich her. Doch wenn mich der erdige Duft der Kartoffeln anwehte und mich das Schmunzeln von Onkel Ernst aus dem Korb heraus tröstete, war ich mit meiner Aufgabe versöhnt.

Die Zeiten sind verstriche­n. Vielfältig­es Billig-Flechtwerk hat das einst gedeihlich­e Korbmacher­handwerk verdrängt, doch vergessen ist es noch nicht. Die fleißigen Hände der Schönauer Korbmacher ruhen, wie auch die weit zurücklieg­enden sozialen Bemühungen des Schönauer Pastors Udo Kramer, der die Bildung einer Korbmacher­Genossensc­haft anregte und tatkräftig unterstütz­te, Kirchenlan­d und Gebäudetei­le für das Gemeinscha­ftswerk zur Verfügung stellte.

„Einigkeit macht stark“, das war die damalige Losung der Schönauer Korbmacher und des Pastors Kramer, unter der sie sich zusammensc­hlossen. Wahrschein­lich bedarf es erst entbehrung­sreicher Zeiten, um jene Einigkeit im Zusammenle­ben hervorzubr­ingen.

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FOTO: HEIMATMUSE­UM ALTENBERGE­N „Einigkeit macht stark“war die damalige Losung der Schönauer Korbmacher.

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