Die Korbmacher aus Schönau vor dem Walde
Erinnerungen an ein fast in Vergessenheit geratenes Thüringer Handwerk
Über Märkte gehe ich zwar selten, wenn aber doch, verweile ich gern an diesem Ort der Erinnerung, etwa an die Arbeiten der Korbmacher. Wie beispielsweise jene Vertreter dieser Kunst aus Schönau vor dem Walde, die Körbe mit geschätztem Gebrauchswert herstellten. Die Erzeugnisse aus Weiden waren damals kein erstrebter Luxus, sie waren in den Anfangsjahren der Korbmacherei alltägliche Notwendigkeiten in ärmlichen Verhältnissen. Es waren die Zeiten der täglichen Pflichten und entschlossenen Zupackens, sollten Körbe zum Lebensunterhalt der Korbmacher und der Erwerber entstehen. In ihnen verbarg sich eine umfangreiche Kette von Arbeitsgängen, von der heute nur noch wenige moderne Menschen etwas wissen. Auf Weidenfeldern wuchs der Korb in seiner Urform heran. Die drei noch lebenden Schönauer Korbmacher wissen zu berichten, dass sie auf den Feldern standen und mit der sogenannten Hippe die Weiden schnitten.
Später kam dieser anstrengenden Arbeit ein umgebauter Gebirgsgrasmäher mit verkürztem Mähbalken zur Hilfe. Dennoch verblieb noch mühevolle körperliche Arbeit. Die Weiden mussten nach Längen und Stärken sortiert und gebündelt werden und sie benötigten zur weiteren Verarbeitung Feuchtigkeit. Im Flüsschen Leina und im Leinakanal standen die Bündel in langen Reihen und wurden im Wasser zu biegsamen Weiden, die sich mit einer Kluppe besser schälen ließen. Die Ernte- und Wässerungszeit drängte nach Arbeit. Die Korbmacher waren in diesen Wochen auf helfende Hände angewiesen. So manches Weidenbündel wurde in Schönau v.d.W. zum Schälen und gegen Entlohnung in Haushalte verteilt.
Oft waren es Mütter mit ihren Kindern, die vor den Haustüren saßen und aus den Weiden jene helle Farbe herausschälten, aus denen die meisten Körbe bestanden und die ihre hilfreichen Dienste auch in weit entfernten Dörfern und Städten antraten. Es war nicht nur die Farbe des Weidenholzes, die das Schälergebnis sichtbar machte, es war auch der Duft dieser dünnen geschmeidigen Gehölze, der sich noch bis zum fertigen Korb erhielt. Er durchströmte Scheunen, Nebengelasse und Flechtkammern der Korbmachergenossenschaft und privaten Korbflechter.
Gern ging ich damals zu Onkel Ernst, dem selbstständigen Korbmacher. Er saß in seiner kleinen Werkstatt und strahlte mir beim Kommen sein Lächeln entgegen. Er hatte für mich die kräftigsten Hände der Welt, die scheinbar mühelos die Weiden gefügig machten. Er zauberte für mich aus den Weiden Wunderruten, wenn der Korb unter seinen derb-geschickten Händen entstand und mir schien, er flocht sein Lächeln und seine Arbeitsfreude mit hinein. Auch wir benutzten Körbe von ihm in unserer kleinen Landwirtschaft. Beim Kartoffellesen war ich immer für den Korb der kleinen Kartoffeln zuständig. Oft schob ich den Korb, den Onkel Ernst für uns gefertigt hatte, lustlos vor mich her. Doch wenn mich der erdige Duft der Kartoffeln anwehte und mich das Schmunzeln von Onkel Ernst aus dem Korb heraus tröstete, war ich mit meiner Aufgabe versöhnt.
Die Zeiten sind verstrichen. Vielfältiges Billig-Flechtwerk hat das einst gedeihliche Korbmacherhandwerk verdrängt, doch vergessen ist es noch nicht. Die fleißigen Hände der Schönauer Korbmacher ruhen, wie auch die weit zurückliegenden sozialen Bemühungen des Schönauer Pastors Udo Kramer, der die Bildung einer KorbmacherGenossenschaft anregte und tatkräftig unterstützte, Kirchenland und Gebäudeteile für das Gemeinschaftswerk zur Verfügung stellte.
„Einigkeit macht stark“, das war die damalige Losung der Schönauer Korbmacher und des Pastors Kramer, unter der sie sich zusammenschlossen. Wahrscheinlich bedarf es erst entbehrungsreicher Zeiten, um jene Einigkeit im Zusammenleben hervorzubringen.