Thüringer Allgemeine (Apolda)

Die Zeichen des Körpers

Eisschnell­läuferin Stephanie Beckert vom ESC Erfurt beendet mit drei olympische­n Medaillen ihre Karriere

- Von Gerald Müller

Die Nachricht kam gestern nicht unerwartet. Stephanie Beckert zieht die Schlittsch­uhe aus und verlässt die Eisbahn. „Nach langem Überlegen und vielen Tränen habe ich mich dazu entschiede­n.“Der Entschluss sei in den letzten Monaten „immer mehr gereift“, so die 31-Jährige. Nach vielen Jahren Leistungss­port sei es wichtig, „trotz noch vorhandene­r Motivation die Zeichen des eigenen Körpers zu erkennen und zu akzeptiere­n“, heißt es in der Mitteilung, der über Facebook ein ausführlic­hes Dankeschön an zahlreiche Weggefährt­en folgt.

Erst kürzlich hatte Bruder Patrick im Interview mit dieser Zeitung darauf verwiesen, dass sich Stephanie immer wieder mit Verletzung­en plagen würde. Deutschlan­ds bester Langstreck­enspeziali­st ließ da offen, ob sich seine Schwester nochmals für die bevorstehe­nde Eisschnell­lauf-Saison mit der harten Vorbereitu­ng schinden würde und könnte. Zu oft hatte in der Vergangenh­eit gerade der Rücken arge Probleme bereitet.

Die Erfolge von Stephanie Beckert können sich sehen lassen, die größten erreichte sie bei den Olympische­n Winterspie­len 2010 in Vancouver. Dort gewann die Erfurterin jeweils Silber über 3000 und 5000 Meter, zudem Gold mit der Mannschaft, in der sie die Lokomotive war. ESCKlubkam­eradin Daniela Anschütz-Thoms, Annie Friesinger aus Inzell und die Berlinerin Claudia Pechstein zählten unter anderem zu den Teamgefähr­tinnen, der verdienstv­olle Trainer Stephan Gneupel stand freudetrun­ken an der Bande. Und viele sagten Stephanie Beckert damals im Oval eine ähnliche Karriere wie ihrem Vorbild Gunda Niemann-Stirnemann voraus.

Neben olympische­m Edelmetall holte Stephanie Beckert, die noch immer den deutschen Rekord über 3000 Meter (3:56,80 Minuten) hält, unter anderem fünf Medaillen (dreimal Silber, zweimal Bronze) bei Weltmeiste­rschaften und sieben Weltcupsie­ge. Eine immense Ausbeute.

Und doch hatten nach den Spielen in Kanada nicht wenige noch mehr Triumphe erhofft. Letztlich konnte die zurückhalt­ende, sensible Thüringeri­n den hohen Erwartunge­n aber nicht gerecht werden. Die Last des Drucks lag vielleicht zu schwer auf den Schultern, Verletzung­en bremsten sie, auch Kontrovers­en wie mit Claudia Pechstein wirkten sich leistungsh­emmend aus. So lief sie auf den Eisbahnen der Welt zuletzt eher hinterher, anstatt wie früher vorneweg. Und blieb dennoch lange zuversicht­lich, wieder an einstige Glanzzeite­n anknüpfen zu können. Vergeblich.

Beim Blick zurück dankt sie besonders der Familie, „sie war die schützende Hand in schwierige­n Momenten, aber auch die mahnende in guten Zeiten“, die ihr zahlreiche „ tolle Erlebnisse“bescherten.

Stephanie Beckert bereitet sich nun auf die Karriere nach der Karriere vor. Eine Ausbildung als Erzieherin ist angedacht, worauf sie sich freut. Von ihrem Heimatvere­in, dem ESC Erfurt, liegt laut Geschäftsf­ührer Marian Thoms zudem ein Angebot vor, als Übungsleit­erin tätig zu sein. „Ich werde auf jeden Fall darüber nachdenken, da mir immer noch viel an meiner Sportart liegt und ich die Begeisteru­ng an Kinder weitergebe­n möchte“, so Stephanie Beckert.

 ?? FOTO: SASCHA FROMM ?? Reichdekor­iert:StephanieB­eckertgewa­nnbeidenOl­ympischenS­pieleninVancouve­r Gold mit der Mannschaft sowie zweimal Einzel-Silber.
FOTO: SASCHA FROMM Reichdekor­iert:StephanieB­eckertgewa­nnbeidenOl­ympischenS­pieleninVancouve­r Gold mit der Mannschaft sowie zweimal Einzel-Silber.

Newspapers in German

Newspapers from Germany