Mindestschülerzahlen in Klassen und neue Regeln für Inklusion
Umstrittenes Schulgesetz wurde mit den Stimmen der rot-rot-grünen Koalitionsfraktion beschlossen
Der Bildungsminister betritt Punkt 14 Uhr den Plenarsaal. Die Schritte sind langsam, Helmut Holter wirkt weniger dynamisch als sonst. Doch dann knipst der Linke sein Lächeln an, die Kameras klicken. Holter wird von Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) demonstrativ umarmt.
Das Signal ist wichtig, es soll zeigen: die rot-rot-grünen Reihen sind geschlossen. Das ist heute wichtiger denn je. Immerhin wird gleich das seit Jahren umstrittene Schulgesetz abschließend diskutiert. Nach mehr als zweieinhalbstündiger Debatte zeigt sich, die Koalition steht, das neue Schulgesetz wird mit den Stimmen der knappen Mehrheit von Linken, SPD und Grünen verabschiedet.
Zuvor geht es, wie nicht anders zu erwarten war, hoch her. Die Opposition wirft der Koalition vor, ein ideologisches Gesetz auf den Weg zu bringen, das die Einheitsschule zum Ziel hat. Rot-Rot-Grün hält dagegen, man werde Schulstandorte sichern und die Inklusion voranbringen. Mit dem neuen Schulgesetz werden unter anderem Mindestschülerzahlen in Klassen und neuen Regeln zum gemeinsamen Unterricht von Schülern mit und ohne Behinderung festgeschrieben. Es tritt zum 1. Januar kommenden Jahres in Kraft und gilt damit für Schuljahr 2020/2021.
„Die Novelle löst keine Probleme, sie schafft neue. Sie ist überflüssig wie ein Kropf“, ist der Bildungsexperte der CDUFraktion, Christian Tischner, überzeugt.
Positionen der Lehrer würden weiter geschwächt und ihnen zusätzliche Belastung aufgebürdet, meint die AfD-Abgeordnete Wiebke Muhsal. Das sei ein trauriger Tag für eine leistungsbezogene Bildung.
Ganz anderer Ansicht ist der Linke-Bildungspolitiker Torsten Wolf. Am „Tag des Lehrers“werde ein Gesetz beschlossen, dass allen Förderzentren eine verlässliche Perspektive gebe.
Mehr als 60 Stellungnahmen sind zum Gesetz abgegeben worden. Lehrer- und Elternvertretungen, Schulträger und Lehrerverband üben auch nach umfangreichen Änderungen durch Rot-Rot-Grün weiterhin Kritik.
Die bündnisgrüne Bildungspolitikerin Astrid Rothe-Beinlich versichert, es werde durch die Möglichkeit zu Kooperationen keine Schulschließungen geben. „Inklusion ist ein Menschenrecht“, betont sie zudem.
„Es wird solange Förderzentren geben, wie es Schüler gibt, die dort gefördert werden müssen“, sagt der SPD-Parlamentarier Thomas Hartung.
Die Union befürchtet indes, die Katze im Sack zu kaufen, weil viele Detailregelungen in Rechtsverordnungen ausgelagert würden. Lehrer, Eltern und Kinder würden am Ende mehr belastet, Förderschulen würden zum Auslaufmodell.
Der Minister wirft der CDU derweil vor „die Unwahrheit“zu sagen. Die Diskussion habe gezeigt, sagt Holter, dass es eine Erblast der CDU-Fraktion gebe. Gute Schule sei nur miteinander zu haben, nicht gegeneinander. Er habe deshalb den Schulterschluss mit Schulträgern, Eltern, Lehrern und Schülern gesucht. Thüringen könne sich rühmen, einen intensiven Diskussionsprozess geführt zu haben.
Am Ende wird die Debatte hitzig. „Die einen wollen selektieren und separieren. Die anderen wollen, dass alle Kinder die gleichen Chancen haben“ruft der Minister.
Die Opposition will das nicht stehen lassen, verweist auf ein christliches Menschenbild, pocht auf den Leistungsgedanken und ist gegen Gleichmacherei.
Schließlich meldet sich auch noch der Ministerpräsident zu Wort und bedankt sich beim Diplom-Ingenieur Holter, der in der Lage sei, mit Baustellen gut umzugehen. Seine mecklenburgische Ruhe sei „immer wieder sehr beeindruckend“.