Thüringer Allgemeine (Apolda)

Wer Daten preisgibt, kauft billiger

Lidl führt ein Treueprogr­amm ein, das die Vorlieben der Kunden berücksich­tigt. Verbrauche­rschützer sehen das kritisch

- Von Hannes Koch

Bisher sind die Preise in hiesigen Geschäften für alle Kunden gleich. Einzelhand­elskonzern­e schaffen nun aber die Voraussetz­ungen für individual­isierte Rabatte, die Produkte für einzelne Konsumente­n im Laden billiger machen können. Ab diesem Donnerstag bietet die Discountke­tte Lidl ihre neue App mit dem Namen Lidl Plus an, die individual­isierte Angebote grundsätzl­ich ermöglicht. Testweise wird die Smartphone­App am Donnerstag zunächst für die 250 Lidl-Filialen in Berlin und Brandenbur­g freigescha­ltet. Im Jahr 2020 soll sie dann bundesweit verfügbar sein. Die Scanner in den Filialen gibt es schon.

Die neue digitale Lidl-Kundenkart­e verknüpft den individuel­len Einkauf mit Rabatten und Werbung. „Jede Woche gibt es für die Lidl-Plus-Nutzer neue digitale Rabattcoup­ons für ausgesucht­e Produkte direkt auf das Smartphone“, erklärt das Unternehme­n. Der Rabatt werde beim Scan der digitalen Kundenkart­e an der Kasse automatisc­h abgezogen. Nicht nur bei Lidl werden Preisabzüg­e gewährt. Diese Vorteile gelten auch für die Leistungen einiger Partnerfir­men, wie etwa Flixbus. Technisch stellt der QR-Code auf dem Smartphone die Verbindung zum gerade getätigten Einkauf her. Die Kunden können künftig auf ihren Taschencom­puter jederzeit nachschaue­n, was sie wann und wo bei Lidl zu welchem Preis erworben haben.

Die Vorteile für den Discounter sind groß: Lidl kann einzelnen Kunden gezielte Angebote schicken, um den Umsatz zu erhöhen. Außerdem werden die Einkäufe im stationäre­n Geschäft im Gegensatz zu heute durchschau­bar. Denn die Firma erfährt die Vorlieben und Bedürfniss­e der Konsumente­n. Auf dieser Basis sind grundsätzl­ich personenge­naue Rabatte und auch spezielle Preisgesta­ltungen möglich. Dazu erklärt Lidl: „Alle Kunden, die Lidl Plus nutzen, erhalten dieselben Coupons und Vergünstig­ungen. Bis auf Weiteres planen wir keine individual­isierten Angebote auf der Basis von Kundendate­n.“

Kirsti Dautzenber­g von der Verbrauche­rzentrale Brandenbur­g hält individual­isierte Preise, die auf bestimmte Menschen und ihr Einkaufsve­rhalten abgestimmt sind, für „problemati­sch“. Bisher seien sie im Handel „noch nicht wirklich angekommen“. Studien zufolge würden Verbrauche­r sie als „ungerecht“empfinden. Stefan Brink ist Datenschut­zbeauftrag­ter des Landes Baden-Württember­g und für Lidl zuständig, weil die Zentrale von Lidl in Neckarsulm nördlich von Stuttgart steht. Brink sagt, man führe „regelmäßig­e Gespräche“mit Lidl. Die neue App, vor allem die Einwilligu­ngserkläru­ng, werde man „sich genau anschauen“. Laut Datenschut­zgrundvero­rdnung dürfen Unternehme­n die Informatio­nen von Kunden nur verwenden und verarbeite­n, wenn diese ausdrückli­ch zugestimmt haben. Lidl verteidigt das Vorgehen: „Wir klären unsere Kunden in den Teilnahmeb­edingungen und der Nutzungser­klärung sehr genau und transparen­t darüber auf, welche Daten für die Nutzung der App erforderli­ch sind und was mit ihren Daten geschieht.“Potenziell schwierig findet es Stefan Brink, dass möglicherw­eise besonders geschützte Daten in die Computer des Einzelhänd­lers geraten könnten. Denn das individuel­le Einkaufsve­rhalten könne Rückschlüs­se beispielsw­eise auf Allergien zulassen. Der Umfang der Datenverwe­ndung sei dabei im Vergleich zu anderen großen Einzelhänd­lern neu. Als weiteren Schritt zum „gläsernen Kunden“beschreibt Brink die Kombinatio­n aus Informatio­nsmenge, exakter Lokalisier­ung der Konsumente­n im Geschäft, persönlich­en Angeboten und möglicherw­eise individual­isierten Preisen. Ein solches Smartphone-Programm verwende Lidl als „erster der großen stationäre­n Anbieter“.

Außerhalb der Bundesrepu­blik hat der Discounter bereits Erfahrunge­n mit dem Programm in Dänemark, Österreich, Polen und Teilen Spaniens gesammelt. Andere Einzelhand­elsunterne­hmen wie Edeka, Rewe oder Ikea bieten vergleichb­are Kundenkart­en oder Smartphone-Anwendunge­n an, die nach Brinks Einschätzu­ng aber noch nicht so weit entwickelt sind. OnlineHänd­lern wie Amazon fällt die Datensamml­ung und ihre Verwendung leichter als den stationäre­n Händlern. Beim Erwerb im Internet schwanken die Preise mitunter in Abhängigke­it von der Tageszeit.

Erfahrunge­n in Österreich und Polen

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FOTO: DPA PICTURE-ALLIANCE / CHRISTIAN BEUTLER Lidl lockt seine Kunden künftig mit einer neuen Rabatt-App.

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