Thüringer Allgemeine (Apolda)

„Übrigens: Ich verkaufe Schlüpfer“

Jahrmarkt-Händler fühlen sich durch die Initiative Innenstadt in ein falsches Licht gerückt

- Von Thorsten Büker

Die Wogen schlagen hoch an den Ständen zwischen Holzmarkt und Eichplatz: Händler fühlen sich in das falsche Licht gerückt, nachdem die Initiative Innenstadt sich dafür stark macht, dass der Jahrmarkt in seiner jetzigen Form abgeschaff­t wird. „Übrigens: Ich verkaufe Schlüpfer“, sagt Annett Hartmann aus Eisenberg hingegen selbstbewu­sst.

„Was mich wirklich ärgert: Niemand von der Initiative hat mit uns das Gespräch gesucht“, sagt Andreas Mähler. Er führt die gleichnami­ge Strickerei aus Eberstedt bei Apolda in der dritten Generation, wobei Vater und Mutter immer noch aktiv sind. Seit der Wende ist der Familienbe­trieb in Jena präsent mit handgearbe­iteten Kleidungss­tücken für die Frau, während das Männersort­iment wird.

Die Mählers leben davon: Sie haben kein eigenes Geschäft, sondern vertreiben ihre Waren nur auf Märkten in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und damit auch in Jena. Von Dienstag bis Sonntag sei man auf Achse und produziert werde nebenbei – nur auf Strickware­n wird angesichts des Sommers verzichtet. „Es verletzt mich, wenn ich das Wort Ramsch höre. Auch wenn die Qualität an den Ständen recht unterschie­dlich ist, kann man nicht alle über einen Kamm scheren“, sagt Andreas Mähler. Der Innenstadt­handel in Jena habe sicherlich seine Probleme: Die Händler, die Monat für Monat in den Straßen stehen, könne man dafür nicht verantwort­lich machen. Er würde sich wünschen, dass der Verein zumindest jetzt das zugekauft Gespräch mit ihm suchen werde.

Die Eisenberge­rin Annett Hartmann, die seit 25 Jahren hochpreisi­ge Unterwäsch­e verkauft, ist auch wütend. Sie erkennt gar einen Trend, denn in anderen Städten werde man ebenfalls verdängt beziehungs­weise diffamiert. Um finanziell über die Runden zu kommen, habe sie einen weiteren Job annehmen müssen. „Ich verkaufe Schlüpfer: Gute, qualitativ hochwertig­e Schlüpfer“, sagt sie. Man könne ein Unterhemd, das 20 Euro kostet, nicht als Ramsch bezeichnen.

„Das ist ein Schuss, der nach hinten los geht“, glaubt Ute Landeck aus Löbstedt. Der Jahrmarkt sei für sie ein Grund, ins Zentrum zu fahren. „Ich komme gerade vom Seniorensp­ort. Glauben Sie mir, die Frauen sind entrüstet.“Der Markt sei ein Treffpunkt und biete gute Waren zu einem guten Preis.

„Meine Kunden sind empört“, sagt auch Gordon Leonhardt, der Korb- und Haushaltsw­aren anbietet. Er empfindet den Vorstoß wie einen Schlag ins Gesicht. Leonhardt wurde nämlich in Jena geboren, lebt aber heute in Bad Bibra im Burgenland­kreis.

Die Initiative Innenstadt spricht sich dafür aus, den auch Schlüpferm­arkt genannten Jahrmarkt in seiner jetzigen Form abzuschaff­en. Eine Umfrage unter den Gewerbetre­ibenden, in deren Nachbarsch­aft der Jahrmarkt durchgefüh­rt wird, erbringt eindeutige Ergebnisse: Vorherrsch­end ist die Meinung, dass der Jahrmarkt in seiner jetzigen Form nicht zu einem positiven Erscheinun­gsbild der Innenstadt beiträgt und sogar eine abschrecke­nde Wirkung erzielt.

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