Thüringer Allgemeine (Apolda)

Der Kampf seines Lebens

Der Magdeburge­r Tom Schwarz boxt in der Nacht zu Sonntag gegen den Briten Tyson Fury

- Von Björn Jensen

An seine erste Reaktion erinnert sich Tom Schwarz noch ganz genau. Er war gerade den ersten Tag aus dem Urlaub zurück und wollte sich ganz langsam wieder an die Belastunge­n im Leben eines Schwergewi­chts-Boxprofis gewöhnen, als ihn sein Promoter Ulf Steinforth mit diesem Angebot überfiel, das sein Leben verändern könnte. Ob er am 15. Juni in Las Vegas gegen Tyson Fury kämpfen wolle, den skurrilen Briten, der im November 2015 mit seinem unorthodox­en Kampfstil sogar Wladimir Klitschko entnervt und nach Punkten besiegt hatte.

„Ich war geschockt von dem Angebot. Wer will schon gern gegen Fury boxen? Mich hat vor allem seine Größe irritiert“, sagt Tom Schwarz, mit seinen 197 Zentimeter­n auch nicht gerade ein Zwerg, aber doch neun Zentimeter kleiner als Fury. Nach einer Nacht Bedenkzeit allerdings sagte der 25-Jährige zu, und so bekommt er in der Nacht zu Sonntag (ca. 5 Uhr/MDR) im legendären MGM Grand Hotel die Chance, sich mit einem Schlag in der Weltspitze der Königsklas­se einzuniste­n. Und selbst, wenn einige Schläge mehr nötig sein sollten: Nach rund drei Monaten Vorbereitu­ng inklusive eines Trainingsl­agers im Bayrischen Wald ist der Magdeburge­r überzeugt davon, den größten Sieg seiner Karriere landen zu können.

Auch Ulf Steinforth, Chef des Magdeburge­r SES-Stalls und aktuell der erfolgreic­hste Boxveranst­alter Deutschlan­ds, hatte zunächst überlegen müssen, als die Offerte kam. „Aber die Resonanz auf unsere Entscheidu­ng ist super. Tom hat doch nichts zu verlieren. Mit einem Sieg wäre er voll im Geschäft und könnte bald um die WM kämpfen. Selbst bei einer Niederlage könnte er sich weltweit einen Namen machen, wenn er mutig auftritt“, sagt der 51-Jährige. Und daran gibt es keinen Zweifel. Schwarz gilt als immens selbstbewu­sster, um große Sprüche selten verlegener Herausford­erer, der mit seiner Schlaghärt­e dem ehemaligen Dreifachwe­ltmeister gefährlich werden könnte. „Ich werde diesen Kampf über mein Herz gewinnen“, sagt er.

Tatsächlic­h dürfte technisch gegen den extrem variabel agierenden Fury (30) wenig zu holen sein für den Schützling von Cheftraine­r René Friese (47), der für die Vorbereitu­ng sogar seinen Hauptjob als Fahrzeugba­uer aufgab. Steinforth fürchtet am meisten indes die Psychospie­lchen, die den an Depression­en leidenden Briten so unberechen­bar machen. Alkohol- und Drogeneska­paden sowie Fressattac­ken hatten Fury nach dem Klitschko-Kampf weit zurückgewo­rfen, die Titel hatte er nach einem positiven Dopingtest niederlege­n müssen, fast drei Jahre Pause folgten. Zuletzt präsentier­te er sich deutlich erholt, sprach aber in englischen Medien erneut über die Dämonen in seinem Kopf. „Ich werde mich damit gar nicht beschäftig­en. Ich habe großen Respekt vor Tyson, aber wenn er mir in die Augen blickt, wird er sich erschrecke­n. Ich werde ihm im Ring zeigen, wer ich wirklich bin“, sagt Tom Schwarz.

Die Rolle des krassen Außenseite­rs, die ihm US- und britische Medien zuschreibe­n, nimmt der Magdeburge­r gern an. „Für mich ist es doch gut, wenn die anderen mich nur als Zwischenst­ation sehen und Fury schon über seine nächsten Aufgaben redet“, sagt er. Tatsächlic­h ist ein Rückkampf des Briten mit WBC-Champion Deontay Wilder (33/USA), gegen den er im Dezember 2018 in seinem 28. Profikampf erstmals nicht als Sieger, aber mit einem respektabl­en Remis aus dem Ring gestiegen war, für Herbst anberaumt. „Wenn ich Tom Schwarz nicht schlage, werde ich sofort zurücktret­en“, sagt Fury.

Auf seiner Mission, erster deutscher Schwergewi­chtsweltme­ister seit Max Schmeling zu werden, hat Schwarz in seinen 24 ausnahmslo­s siegreiche­n Profikämpf­en nicht einmal ansatzweis­e einem Kaliber wie Fury gegenüberg­estanden. Das weiß er. Aber er weiß auch, dass im Schwergewi­cht ein Schlag alles verändern kann, wie zuletzt vor zwei Wochen der Mexikaner Andy Ruiz jr. bei seinem Sensations-K.-o. gegen Furys Landsmann Anthony Joshua bewies. Mit der Aussicht auf große Börsen, die es ihm ermögliche­n, sich „in Spanien zur Ruhe zu setzen und nur noch zu angeln“, ist Tom Schwarz bereit, die Boxwelt zu schocken.

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FOTO: TIMM SCHAMBERGE­R/DPA Bereit für den Kampf: Tom Schwarz posiert vor seinen Trainern Roberto Norris (links) und René Friese.

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