Eine ruhige Kugel schieben
Anna Müller kehrt mit Bronze von der Mannschafts-WM zurück und freut sich schon auf die nächste 2021 in Plauen
Jetzt will auch sie mal eine ruhige Kugel schieben. Die Würfe, die sie gemacht hat, gezählt hat Anna Müller nicht. Aber allein in den 17 Bundesligaspielen waren es 3400, dazu kamen Pokalrunden, Vorbereitungsturniere mit der Nationalmannschaft – und als Saisonhöhepunkt die Mannschafts-WM in Rokycany. Jede noch so nett gemeinte Einladung zum Kegeln würde sie ausschlagen. „Ich mach‘ Sommerpause.“
Ende Juli/Anfang August will sie wieder trainieren, sich mit dem SV Pöllwitz auf die Bundesligasaison und den Europacup im Oktober in Kroatien vorbereiten. „Das ist noch eine Menge Holz“, sagt die 25-Jährige und schmunzelt. Dass sie bei ihrer Premiere bei einer Weltmeisterschaft der Aktiven mit der Bronzemedaille nach Hause kam, das freut sie besonders. „Alle haben auf uns geschaut, aber zugetraut, hat uns das kaum einer.“
Die deutsche Mannschaft musste sich nach Vorrundensiegen gegen Polen (8:0), Österreich (7:1), Italien (6:2) und Slowenien (5:3) im Halbfinale nur Kroatien 3:5 geschlagen geben. „Das war schon das vorweg genommene Finale“, sagt Müller.
Die Thüringerin war im Halbfinale gegen den späteren Weltmeister Ersatzspielerin, wärmte sich bis zum Schlussdurchgang auf, schaute auf die Bahn, schwitzte und zitterte mit. „Ein spannendes Spiel, auf sehr hohem Niveau. Im Schnitt kegelte jede 619 Holz.“Nach den Vorrundeneinsätzen gegen Polen und Österreich war sie im Spiel um Bronze gegen den Gastgeber wieder dabei. „Nach der Niederlage gegen Kroatien waren wir schon erst einmal geplättet“, sagt sie. „Doch so nach einer Stunde sagten wir uns: Wir können noch einen raushauen, wir können mit einem Sieg aus der WM gehen und Bronze gewinnen.“Gesagt. Getan. Mit einer geteilten Bahn mit Saskia Seitz trug die gebürtige Pausaerin zum 6:2-Erfolg gegen Tschechien in der umfunktionierten Eishockeyhalle bei. „Bronze ist ein schöner Erfolg für uns und auch ich bin mit meinen Einsätzen nicht unzufrieden“, sagt sie nach eineinhalb Wochen WM.
Anders als die Kroaten, Serben oder die Ungarn sind die deutschen Kegler keine Profis. „Wir gehen arbeiten, schnappen dann unsere Sachen und gehen in die Kegelhalle – und am Sonntag haben wir Wettkampf.“
Doch ein anderer Sport kommt für sie nicht infrage. Dass sie beim Kegeln landete, sei kein Wunder, „bei uns in der Familie kegeln alle“. Und auch während ihres dualen BWL-Studiums ließ sich nicht locker.
Vor zwei Jahren gelang ihr der große Wurf. Anna Müller wurde in Kroatien U23-Weltmeisterin im Sprint. 2017 hielt sie auch den Bundesligarekord, der auch Weltrekord gewesen wäre, doch Bestmarken werden nur bei Weltmeisterschaften anerkannt. „Wer eine WM ausrichtet, der baut eine neue Bahn auf – da hat noch keiner drauf gespielt und für alle herrscht absolute Chancengleichheit“, sagt sie. Mit bis zu 32 Stundenkilometern jagt sie die Kugel die 19 Meter lange Bahn entlang und am Ende leuchteten 678 Holz auf. „Eine schöne Momentaufnahme“, sagt sie und zeigt einen Flyer. Grün-Weiß Mehlteuer, ihr Verein, bevor sie 2012 nach Pöllwitz kam, richtet die Mannschafts-WM 2021 in Plauen aus. „Das ist für mich ein Heimspiel“, sagt Müller und möchte sich für diese WM qualifizieren.
2017 mit 678 Holz Bundesligarekord