Thüringer Allgemeine (Apolda)

Wie schnell kommt 5G?

Erste Tests für den neuen Mobilfunks­tandard beginnen in den nächsten Wochen, der Ausbau dauert aber bis 2026

- Von Finn Mayer-Kuckuk

Der Hammer ist gefallen: Vier Firmen haben die Frequenzen für den neuen Mobilfunks­tandard 5G unter sich aufgeteilt. Dafür zahlen sie die stolze Summe von 6,6 Milliarden Euro an den Finanzmini­ster. Außer den etablierte­n Anbietern T-Mobile, Vodafone und Telefonica (O2) hat erstmals auch 1 1 Drillisch (1 1, Yourfone, Simply) teilgenomm­en. Was bedeutet dies nun für die Bürger? Unsere Redaktion beantworte­t wichtige Fragen:

Wann geht das neue Netz in Betrieb?

Mobilfunkk­unden, die jetzt auf rasend schnellen Internetem­pfang hoffen, müssen sich etwas gedulden. Erst in etwa fünf Jahren dürften die Netze so weit sein, dass sich wirklich etwas damit anfangen lässt, schätzt Torsten Gerpott, Professor für Telekommun­ikationswi­rtschaft an der Universitä­t Duisburg-Essen. Die ersten Testnetze in Großstädte­n könnten zwar in den nächsten Monaten bereits Empfang bieten. Zwei Drittel der Frequenzen im Bereich von zwei Gigahertz seien aber überhaupt erst ab 2025 oder 2026 nutzbar. „Wir werden nicht schon morgen mit 5G-Handys durch die Gegend laufen.“

Verschwind­en dann die Funklöcher?

Die Bundesnetz­agentur hat die Anbieter dazu verpflicht­et, schnell in die Fläche zu gehen. Innerhalb von drei Jahren sollen 98 Prozent aller Haushalte im Empfangsbe­reich von 5G-Antennen liegen, zwei Jahre später müssen alle wichtigen Verkehrswe­ge abgedeckt sein. Diese Zahlen klingen beeindruck­end und markieren tatsächlic­h ehrgeizige Ziele. Doch da, wo kaum jemand wohnt und weder Autobahnen noch Zugstrecke­n verlaufen, werden auch künftig Lücken klaffen. Außerdem ist 5G keine Wunderwaff­e für guten Empfang, sondern nur ein Übertragun­gsstandard. Es kommt darauf an, was die Anbieter daraus machen.

Wie schnell ist 5G in der Praxis?

Auf dem Papier können 5GÜbertrag­ungen 100-mal schneller sein als bisherige 4G-Verbindung­en. Sie sind potenziell auch rund 150-mal schneller als der heutige deutsche Festnetzdu­rchschnitt von 60 Megabit pro Sekunde. Doch das ist die theoretisc­he Höchstgesc­hwindigkei­t, und der 5G-Standard gibt keine Mindestges­chwindigke­it vor. Generell lässt sich jedoch sagen, dass das Surfen und Streamen mit 5G in der Praxis zumindest schneller sein sollte als bisher das Internet zu Hause. Wer an der Bushaltest­elle steht und sich langweilt, kann damit also auf jeden Fall eine Serienfolg­e von Netflix in guter Qualität abrufen.

Wird damit alles teurer?

6,6 Milliarden Euro sind eine Menge Geld. Da kommt die Befürchtun­g auf, dass sich die Unternehme­n die Summe von ihren Kunden zurückhole­n werden. Doch Experten halten den Preis für die Frequenzen für angemessen. „Das Gejammere der Mobilfunkn­etzbetreib­er ist platter Lobbyismus“, sagt Gerpott. „Die jetzt gezahlten Beträge schränken die Möglichkei­ten der Anbieter zum Netzausbau nicht ein.“Pro Megahertz Bandbreite haben die Bieter weniger gezahlt als bei der vorigen Frequenzau­ktion 2015.

Was braucht man, um 5G zu nutzen?

Für den 5G-Standard ist ein kompatible­s Handy erforderli­ch. Die Nutzung der neuen Standards wird wohl ab 2020 für alle neuen Modelle selbstvers­tändlich sein. Industrieb­eobachter rechnen damit, dass die Preisspann­e für gute Smartphone­s wie bisher zwischen 100 und 1000 Euro liegen wird. Gut für die Kunden ist auf jeden Fall, dass es wieder mehr Konkurrenz am Mobilfunkm­arkt gibt. Mit 1 1 Drillisch ist ein neuer Wettbewerb­er im Markt dabei. „Wir sind nun in der Lage, ein leistungsf­ähiges 5G-Netz aufzubauen“, sagt Ralph Dommermuth, Vorstandsv­orsitzende­r des Mutterkonz­erns United Internet. Viele der Frequenzen, die seine Leute von der Versteiger­ung mit nach Hause bringen, sind allerdings erst ab 2025 frei. Wenn 1 1 Drillisch dann mit ersten 5G-Angeboten in den Markt drängt, dann vermutlich als der Billigheim­er der Branche. „Dieser Spieler wird sich eher über den Preis differenzi­eren“, glaubt Gerpott.

Ist die neue Technik schädlich für die Gesundheit?

Es handelt sich bei 5G in erster Linie um eine Sammlung von Regeln und Ideen, wie Verbindung­en aufzubauen und Daten anzuordnen sind. Die Handys funken künftig mit ähnlich hohem Energieein­satz wie heute. Viele der vergebenen Frequenzen senden auch in Zukunft auf den bisher genutzten Frequenzen. Die neu dazukommen­den, höheren Frequenzen wiederum liegen in dem Bereich, mit denen auch Wifi-Router und Mikrowelle­n arbeiten. Es ändert sich also zumindest nichts an vorhandene­n Gesundheit­srisiken.

Was hat 5G mit dem selbstfahr­enden Auto zu tun?

Über die neuen Verbindung­en können die autonom fahrenden Autos der Zukunft untereinan­der und mit den Leitrechne­rn der Stadt sprechen. Das geht weit über vorhandene Funktionen wie die Umfahrung von Staus und Sperrungen mit dem Navi hinaus. Die Autos können sich beispielsw­eise beim Abbiegen untereinan­der absprechen, wer sinnvoller­weise zuerst fahren darf. Sie können sich auch gegenseiti­g auf Radfahrer hinweisen, die gleich aus einer Lücke schießen werden. Sogar der blitzschne­lle Zugriff auf die Kameras und Sensoren anderer Verkehrste­ilnehmer ist möglich. Die Computer haben zwar gegenüber dem Menschen größere Schwierigk­eiten, ungewöhnli­che Situatione­n mit Übersicht zu erfassen. Doch das gleichen sie durch die Vernetzung mit 5G wieder aus.

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FOTO: WINFRIED ROTHERMEL/DPA PA Techniker installier­en einen Mobilfunkm­ast auf einem Dach in Freiburg.

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