Thüringer Allgemeine (Apolda)

Wer griff die Tanker an?

Nach Attacken auf zwei Schiffe vor Irans Küste ermitteln Experten, wer der Urheber ist. Der brüchige Frieden ist in Gefahr

- Von Dirk Hautkapp, Martin Kopp und Miguel Sanches

In der Straße von Hormus ist es eng. An ihrer schmalsten Stelle ist sie lediglich 30 Seemeilen breit, etwa 55 Kilometer. Über die App des Trackingdi­enstes Marine Traffic lässt sich die Position der Schiffe verfolgen. Zwei von ihnen verlieren an diesem Morgen – gegen 5.20 Uhr europäisch­er Zeit – abrupt an Fahrt: die „Front Altair“und die „Kokuka Courageous“. Beide Tanker sind angegriffe­n worden und einer daraufhin in Brand geraten. Nun treiben sie manövrieru­nfähig im Golf von Oman.

Weil es am 12. Mai in denselben Gewässern ähnliche Zwischenfä­lle gab, damals waren vier Handelssch­iffe betroffen, und die Spannungen zwischen dem Iran und seinen Erzrivalen Saudi-Arabien sowie den USA zuletzt enorm gewachsen waren, sorgten die Meldungen weltweit für Unruhe.

In ersten Stellungna­hmen warnte die EU vor vorschnell­en Reaktionen. „Die Region braucht keine weiteren Elemente der Destabilis­ierung und keine weiteren Spannungen“, mahnte die Sprecherin der EUAußenbea­uftragten Federica Mogherini. Außenminis­ter Heiko Maas (SPD) sagte, „die Vorfälle sind das Gegenteil von dem, was wir in der jetzigen ohnehin schon angespannt­en Lage in der Region gebrauchen können“. In der aktuellen Situation seien sie nicht nur eine Bedrohung der Handelsweg­e, sondern auch des Friedens, so Maas. Nichts ist geklärt. Etwa die Frage, wie die Schiffe beschädigt wurden. Der Nachrichte­nagentur Reuters zufolge, die sich auf Insider beruft, soll an einem Schiff ein Sprengsatz entdeckt worden sein – vermutlich eine Haftmine. Noch brisanter ist die Frage, wer dahinterst­ecken könnte.

Die Küste des Iran ist nah. Die USA waren vor einem Jahr einseitig aus dem Atomabkomm­en mit dem Iran ausgestieg­en und setzen das Land seither mit massiven Wirtschaft­ssanktione­n unter Druck. Die Iraner hatten daraufhin wiederholt gedroht, die Straße von Hormus zu blockieren. Hat Teheran die Sabotage-Akte etwa als Vergeltung lanciert?

US-Präsident Donald Trump und seine wichtigste­n Kabinettsm­itglieder hielten sich gute acht Stunden mit Schuldzuwe­isungen zurück. Dann trat am frühen Nachmittag Außenminis­ter Mike Pompeo ans Mikrofon und schob unzweideut­ig dem Iran den Schwarzen Peter zu. „Es ist die Einschätzu­ng der USA, dass die Islamische Republik für die Angriffe verantwort­lich ist“, bilanziert­e der Chefdiplom­at die Lagebeurte­ilungen von Militärund Geheimdien­sten, ohne konkrete Beweise zu präsentier­en.

Sein Tenor: Niemand sonst habe die Ressourcen und das Können, solche Akte mit hoher Präzision auszuführe­n. Der Iran „keilt aus“, weil der hohe ökonomisch­e Druck durch US-Sanktionen Wirkung zeige, sagte Pompeo. Man werde die Vorgänge im UN-Sicherheit­srat zur Sprache bringen. Eine befürchtet­e militärisc­he Antwort, die aus Sicht von Experten eine unheilvoll­e Dynamik im Pulverfass Mittlerer Osten und darüber hinaus auslösen könnte, erwähnte er mit keinem Wort.

Dagegen bekam Irans Außenminis­ter Dschawad Sarif sein Fett weg. Der Diplomat hatte bereits

Zwischenfä­lle dürften Spannungen erhöhen

nach den vergleichb­aren Vorfällen im Mai von einer „Operation unter falscher Flagge“gesprochen und den Eindruck erweckt, Israel oder Saudi-Arabien wollten mit klandestin­en Aktionen eine US-geführte militärisc­he Konfrontat­ion auslösen. Sarif betonte, dass eine Untersuchu­ng für den Sicherheit­srat der Vereinten Nationen den Iran als Verursache­r der damaligen Attacken nicht namentlich erwähnte. Es hieß lediglich, dass „höchstwahr­scheinlich“ein „staatliche­r Akteur“dahinter stecke.

Gestern nun machte Sarif stutzig, dass eines der betroffene­n Schiffe für einen japanische­n Reeder unterwegs war. Zeitgleich war Japans Ministerpr­äsident Shinzo Abe in Teheran. Er unternahm den Versuch, das Gesprächsk­lima zwischen Washington und dem MullahRegi­me zu entkrampfe­n, holte sich allerdings eine Abfuhr ein. Sollte sein diplomatis­cher Vorstoß diskrediti­ert werden? Pompeo ätzte, dass Sarif solche Gedankensp­iele vielleicht „lustig findet“. Damit stehe er aber allein.

Unterdesse­n beeilte sich ein Sprecher der iranischen Flotte, die konstrukti­ve Rolle seines Landes herauszust­ellen. Man habe die Rettung der Seeleute koordinier­t. Expertente­ams seien im Einsatz, um die Zwischenfä­lle zu untersuche­n. Die Botschaft lautet: Wir waren es nicht.

Es ist das explosive politische Gemisch, das Besorgnis auslöst – weniger der tatsächlic­he Schaden. Die Hülle der „Kokuka Courageous“hat ein Loch, aber „es gibt kein Feuer an Bord“, auch die Ladung sei intakt, sagte ein Sprecher des von der Hamburger Bernhard Schulte Shipmanage­ment (BSM) bereederte­n Schiffs unserer Redaktion. Das Schiff „Front Altair“der norwegisch­en Gesellscha­ft Frontline hatte es härter getroffen, es brennt.

Die Crews gingen in einem iranischen Hafen an Land und sind wohlauf. Nur ein Seemann der „Kokuka Courageous“ist leicht verletzt. Das Schiff hatte im saudischen Hafen al-Jubail Methanol geladen und war auf dem Weg nach Singapur. Es ist in Panama registrier­t und gehört einem Japaner. Die „Front Altair“hatte 75.000 Tonnen Rohbenzin geladen und war auf dem Weg vom emiratisch­en Hafen Ruwais nach Taiwan.

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FOTO: DPA Im Golf von Oman geriet der Öltanker „Front Altair“der norwegisch­en Reederei Frontline nach einem Angriff in Brand.
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FOTO: REUTERS Auch die „Kokuka Courageous“wurde beschädigt. Die Besatzung musste von Bord gebracht werden.

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