Thüringer Allgemeine (Apolda)

Nach der Wahl ist vor der Wahl

Mit der Friday-for-future-Bewegung zeigen uns unsere Kinder und Enkel, welche Entwicklun­g sie von der Politik erwarten

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Die Wahl zum Europa-Parlament ist jüngste Geschichte und im Oktober dürfen wir unser Landesparl­ament wählen. Ehrlich, ich bin besorgt, sehr nachdenkli­ch, zutiefst betroffen und zugleich aber nicht unglücklic­h.

Als Sohn von Verfolgten des Naziregime­s in englischer Emigration geboren, bin ich in Ostberlin zur Schule gegangen und habe an der Humboldt-Universitä­t Medizin studiert.

Wie für so viele in der DDR brachte die Wende andere, völlig neue Herausford­erungen auch für mein Leben mit sich. Politisch wurde ich aktiv und war nach der Wende Abgeordnet­er im Berliner Landtag.

Die politische­n Entwicklun­gen nach rechts empfinde ich persönlich ganz schmerzhaf­t, wohl wissend, dass die große Unzufriede­nheit mit der Politik der Groko in der Bevölkerun­g viele Menschen, besonders in den ostdeutsch­en Bundesländ­ern, zu Protestwäh­lern werden ließ.

Durch die Politik der Groko fühlten sich sehr viele, gerade in den neuen Bundesländ­ern, mit ihren Lebensbiog­rafien und ihren bereits erbrachten Lebensleis­tungen völlig unbeachtet. Das führte zu einem immer stärker werdenden Frust und fällt auf fruchtbare­n Boden für völkisches und rechtes Gedankengu­t.

Vor vielen Jahren warnte Bertold Brecht: „Es ist fruchtbar noch der Schoß, aus dem das Unheil kroch!“

Wann und wie sonst, wenn nicht in Wahlen, können wir, die Bürger, eine verfehlte Politik, die sich nicht mehr an den objektiven Interessen breiter Schichten der Bevölkerun­g orientiert, abstrafen. Das war und ist nicht mehr unser Land, in dem wir uns zu Hause fühlen, so denken und fühlen viele. Das ist durchaus nachvollzi­ehbar. Die junge Nachwende-Generation, die die Sorge um die Zukunft im bereits stattfinde­nden Klimawande­l genauso umtreibt wie die Fragen, bekommen wir eine der modernen, sich schnell verändernd­en Gesellscha­ft entspreche­nde Ausbildung, eine ordentlich bezahlte Arbeit, eine bezahlbare Wohnung und später eine ausreichen­de Rente, bekamen bisher keine zufriedens­tellenden Antworten. Das sind aber die wichtigen Fragen zukünftige­r Regierungs­politik.

Haben wir nicht alle eine Verantwort­ung für unser Land? Hilft da wirklich Protest wählen? Ich denke, das reicht nicht. Nehmen wir doch gemeinsam unsere Verantwort­ung für unsere Gesellscha­ft, für unser Land bei den nächsten Wahlen wahr.

Mit der Friday-for-future-Bewegung zeigen uns unsere Kinder und Enkelkinde­r, welche Entwicklun­g sie von der Politik erwarten. Denken wir an die Zukunft unserer Kinder!

Ich sitze im Garten, um mich herum sprießt das Grün, Grün ist meine Lieblingsf­arbe, weil es für das Leben steht und Hoffnung ausdrückt.

Joe Dornberger, Mühlhausen

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