Ein Hauch von Winterspielen
Morgen vergibt der Weltverband die Rennrodel-Weltmeisterschaften 2023. Oberhof ist der einzige Bewerber
Nicht nur die Wintersportler werden im Sommer gemacht – es ist auch der Wintersport selbst. Auf dem Kongress des Internationalen Rennrodelverbandes FIL werden morgen im sonnigen und heißen Ljubljana die Rennrodel-Weltmeisterschaften 2023 vergeben. Einziger Bewerber ist Oberhof, das damit in knapp vier Jahren zum WM-Doppel-Gastgeber avancieren würde. Vor den weltbesten Biathleten, die vom 8. bis 19. Februar 2023 zur WM an den Rennsteig kommen, wären im Januar die Schlittenasse zu Gast. Ein Hauch von Winterspielen.
Der Zuschlag für die Rennrodler morgen darf als Formsache gelten, der Verzicht des lange Zeit als Mitbewerber gehandelten St. Moritz als zusätzliche Wertschätzung der Stärke der Thüringer Bewerbung. „Wir gehen selbstbewusst, aber nicht überheblich in die Präsentation“, sagt Andreas Minschke, Präsident des Thüringer Verbandes, vor der Abstimmung der rund 30 Nationalverbände.
„Es geht auch darum, zu zeigen, dass man es kann“, fügt der Oberhofer Stützpunkttrainer Jan Eichhorn hinzu und verweist auf Calgary. Die Kanadier hatten sich vor zwei Jahren bei der Bewerbung um die WM 2021 knapp mit fünf Stimmen gegenüber Oberhof durchgesetzt. Nun rücken sie in Ljubljana unerwartet noch einmal auf die Tagesordnung. Weil der Bahnbetreiber in Calgary infolge sich verzögernder Umbau- und Modernisierungsarbeiten die Austragung nicht garantieren kann, legt der kanadische Verband dem Kongress einen Antrag auf Verlegung der WM nach Whistler vor.
„Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht“, versichert Andreas Minschke, zugleich Chef de Mission der Thüringer Delegation, die von Sportminister Helmut Holter (Linke), Landrätin Peggy Greiser und Rodellegende Norbert Hahn angeführt wird und zu der neben Jan Eichhorn noch Uwe Theisinger als Geschäftsführer des Thüringer Verbandes gehört.
Bei einem Zuschlag wollen die Oberhofer zügig mit den notwendigen Erneuerungsarbeiten an der in die Jahre gekommenen Bahn beginnen. Nach den geplanten Ausschreibungen im Herbst könnte die Sanierung im kommenden Frühjahr beginnen. Eine neue Bahnstraße, modernere und geräumigere Starthäuser, harmonisierte Kurven – der Zeitplan ist dicht getaktet. 25 Millionen Euro stellt das Land für den Umbau zur Verfügung, der Bund will sich mit sechs Millionen beteiligen.
Die Zukunft ist das eine, die Tradition, gerade in Oberhof, ein nicht minder gewichtiges Argument. Drei Weltmeisterschaften – 1973, 1985 und 2008 – haben sie am Rennsteig schon organisiert. Und auch wenn Zuschauerzahlen von täglich zehnbis zwanzigtausend wie 1973 und 1985 kein Maßstab mehr sein können – den besucherstärksten Weltcup schaffen sie hier jedes Jahr noch immer.
Im kommenden Jahr findet der Oberhofer Weltcup übrigens am 1. und 2. Februar statt und wird damit auf seine Weise wieder zu einer weltmeisterlichen Generalprobe – als Letzter vor den Titelkämpfen von Sotschi (14. bis 16. Februar 2020).
Norbert Hahn, 1973 als heuriger Rodel-Hase schon bei der Heim-WM dabei, wird auf dem Kongress in Ljubljana morgen von seinen Erlebnissen und Erinnerungen erzählen, Jan Eichhorn dann nach ihm den Blick auf das Heute und Morgen lenken. Es sind ja nicht nur seine aktuellen Oberhofer Musterschüler, auf denen die Thüringer Hoffnungen 2023 ruhen. Dajana Eitberger also. Oder Julia Taubitz und die Doppel-Weltmeister Toni Eggert/Sascha Benecken, die sich gut vorstellen können, in vier Jahren auf der Heimbahn noch einmal um den Titel mitzufahren.
Die Traditionslinie reicht ja längst weiter. Mit Max Langenhan, der seine Feuertaufe bei den Großen schon bestanden hat, mit David Nößler, Moritz Bollmann, dem Doppel Hannes Orlamünder und Hannes Gubitz oder dem blutjungen Nico Baum, er ist gerade 15 geworden, stehen die nächsten Hoffnungen bereits am Ablauf. Auch für sie legen sich die Thüringer Rennrodel-Gesandten morgen in Ljubljana ins Zeug.