Thüringer Allgemeine (Apolda)

Kein großes Ding

Heute feiert Steffi Graf, eine der erfolgreic­hsten Tennisspie­lerinnen der Welt, in aller Bescheiden­heit ihren 50. Geburtstag

- Von Jörg Allmeroth

Es war am Rande der French Open letztes Jahr, als Steffi Graf das Blitzlicht­gewitter der Fotografen irgendwie tapfer hinnahm. Im Rodin-Museum posierte sie gemeinsam mit ihrem Gatten Andre Agassi und den Chefs ihres Sponsorenp­artners Longines für ein Gruppenbil­d, Graf lächelte, aber wirklich glücklich sah sie nicht aus. Die größte deutsche Sportlerin mag keinen Rummel mehr, auch keine große Öffentlich­keit. Nur selten tritt sie bei geschäftli­chen Terminen auf, meist hat es dann auch mit ihrer Stiftung für kriegstrau­matisierte Kinder zu tun. Auch ihr 50. Geburtstag jetzt, am heutigen 14. Juni 2019, ist „kein großes Ding“für sie, sie machte sich noch viel aus Geburtstag­sfeiern. Deswegen gibt sie auch keine Interviews zum Fünfzigste­n, es gibt, aus ihrer Sicht, da nicht viel zu besprechen.

Zwei Jahrzehnte datiert Grafs Abschied nun schon zurück, und wenn sie in ihren aktiven Zeiten oft ein Rätsel war, oft auch eine Unverstand­ene außerhalb der Centre Courts, so ist sie inzwischen vor allem zu einem regelrecht­en Phantom geworden. Es hat mit der großen räumlichen Distanz von Las Vegas zu ihrer Heimat Deutschlan­d zu tun, aber nicht nur damit. Sie ist auch für viele Freunde und Freundinne­n kaum noch greifbar, sie lebt ihr Leben eigentlich in einem sehr kleinen, überschaub­aren Umfeld und Radius, mit einer kleinen Gruppe von Menschen. Die neue Familie gehört dazu, ihre eigene Familie. Ihr Mann Andre Agassi, der amerikanis­che Superstar. Ihre beiden Kinder Jaden Gil und Jazz Elle. Und auch die alte Familie Graf, Mutter Heidi und Bruder Michael samt Frau und Kindern, die alle in den USA wohnen.

Anderersei­ts ist diese Entschleun­igung des eigenen Lebens und der weitgehend­e Rückzug aus der Öffentlich­keit und ins sehr Private hinein nicht überrasche­nd gekommen für die, die Grafs Tenniskarr­iere erlebten. Die all die Verwerfung­en, kleineren und größeren Aufregunge­n, den Steuer-Skandal um ihren Vater Peter, die ewigen Verletzung­en in der Spätphase, die stets fürsorglic­he Belagerung durch die Medien mitverfolg­ten. Und schließlic­h auch die letzten ebenso herausford­ernden wie triumphale­n Momente in der Saison 1999 aus der Nähe betrachtet­en. Steffi Graf, die profession­elle Athletin, wollte ja eigentlich immer nur Tennis spielen, nichts sonst.

Befreit wirkte sie immer, wenn sie auf den Platz gehen konnte, dort hatte sie alles selbst im Griff. Sogar wortwörtli­ch. Sie siegte und siegte und siegte, holte schon 1988 den Golden Slam (alle vier Topturnier­e in einem Kalenderja­hr), gewann 22 Majorpokal­e, stand 377 Wochen an der Spitze der Weltrangli­ste. Sie siegte allerdings dann so oft, dass man es ab einem gewissen Zeitpunkt schon mit Gleichmut hinnahm. In der Branche würdigte man vorübergeh­end nicht den nächsten Glanzauftr­itt der Deutschen, sondern wartete darauf, dass sie stolpern würde. Was indes selten genug geschah.

Wimbledons­iegerin Angelique Kerber hat gerade mit liebevolle­n Worten beschriebe­n, wie sehr Graf eine „Inspiratio­n“für sie gewesen sei, wie dankbar sie den Kontakt zu Graf und Agassi empfand, die Besuche in Las Vegas, das gemeinsame Training dort. Graf war in der Tat ein Vorbild für viele deutsche Spielerinn­en in den letzten zwei Jahrzehnte­n, aber natürlich auch ungewollt eine Last. Weil jede, die nach ihr kam, auch an ihr gemessen wurde. „Ungerecht“sei das, hat Graf selbst dazu gesagt, „jede hat ihr eigenes Tennislebe­n, ihren eigenen Wert auch.“Barbara Rittner, eine der wenigen echten Vertrauten von Graf, jahrelang Fed-Cup-Chefin des DTB, meinte kürzlich einmal: „Steffi ist mit niemandem vergleichb­ar. Da sprechen wir über eine eigene Welt, in der sie gespielt hat.“

Der 14. Juni 2019 werde nichts verändern bei ihr, das hat sie über Freunde und alte Weggefährt­innen ausrichten lassen. Sie sehe das Ganze mit einem großen Stück Gelassenhe­it, sie sehe es ähnlich wie vor ihrem 40. Geburtstag und sie fühle sich gut, sei „zufrieden“mit ihrem Leben.

Angst vor der Zukunft gebe es nicht. Am 14. Juni 2019 nicht. Und am 15. Juni auch nicht.

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FOTO: PATRICK KOVARIK/DPA  Majorpokal­e gewann Steffi Graf, hier  die French Open.

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