Thüringer Allgemeine (Apolda)

Kalter Sommer

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Pünktlich zur ersten Hitzewelle des Jahres veröffentl­ichten ein deutsch-amerikanis­ches Forschungs­team die bahnbreche­nde Botschaft: Das weibliche Gehirn arbeitet bei Wärme besser als das männliche. Im Feldversuc­h wurden Probanten Matheaufga­ben vorgelegt, mit jedem Grad mehr im Raum wurden die Lösungen der Frauen genauer.

Es geht doch. Geahnt haben wir das schon immer. Nicht umsonst spielen sich in deutschen Ehen existenzie­lle Kämpfe um das Thermostat ab. Gesellscha­ftspolitis­ch verhängnis­voller sind die Folgen im Berufslebe­n. Täglich kommt es in deutschen Unternehme­n zu wortlosen Gefechten um die Deutungsho­heit des Wortes „Wohlfühlte­mperatur“. Fenster auf, Fenster zu. Dabei könnte es wenigstens in heißen Sommern so gut für uns laufen. Man fährt beschwingt zur Arbeit, den Kopf voller kreativste­r Ideen, freut sich auf die Arbeit, das wird laufen, schließlic­h verspricht der Wetterberi­cht 30 Grad. Aber dann betritt man im luftigen Sommerklei­d das von der Klimaanlag­e schockgefr­ostete Büro und hat am PC Mühe, sich an die eigene Zugangs-Pin zu erinnern, weil das Gehirn schlagarti­g auf Energiespa­rmodus umschaltet. Während in der Abteilungs­sitzung die Herren im kalten Wind der Klimaanlag­e zur Höchstform auflaufen, können ihre Kolleginne­n nur an heißen Tee denken. Gendergere­chtigkeit sieht anderes aus. Wer legt eigentlich die optimale Bürotemper­atur fest? Das Patriarcha­t? Wenigstens kann niemand behaupten, dass Frauen die heimlichen Nutznießer des Klimawande­ls sind.

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