Große Koalition, kleinster Nenner
Bundesgesellschaft soll Funklöcher schließen, Soli fällt für 90 Prozent
Eigentlich sollte es Bilder vor der eindrucksvollen Kulisse der Saffenburg im rheinland-pfälzischen Mayschoß geben. Allerdings durchkreuzte die Wirklichkeit die frühsommerlichen Reisepläne der Fraktionsspitzen von Union und SPD. Als Ziel einer Klausur der Fraktionsvorstände war der Wahlkreis von Andrea Nahles vorgesehen. Doch Nahles warf nach der Europawahl als Parteiund Fraktionschefin der SPD das Handtuch.
Ein neuer Ort musste her, ganz absagen wollte man das Treffen trotz unsicherer Zukunft nicht. Den schlechten Umfragewerten der Regierungsparteien und dem Höhenflug der Grünen begegnet man erst mal am besten mit solider Regierungsarbeit, so die gemeinsame Überzeugung. So kam man in Berlin zusammen
Die Botschaft: Die Stimmung ist trotz der widrigen Umstände in Ordnung. So einigte man sich, die Mobilfunkversorgung in Deutschland lückenlos auszubauen. „Wir schaffen eine neue Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft des Bundes für den Bau von Mobilfunkmasten in unversorgten Regionen“, heißt es in einem Beschluss. In Zukunft soll der Bund mit der neuen Gesellschaft dort eingreifen, wo der wirtschaftliche Ausbau nicht funktioniere und weiterhin weiße Flecken bestünden. Die zweite Einigung hat man der Union abgerungen. Wie im Koalitionsvertrag beschlossen, soll ab 2021 „in einem ersten Schritt“die Abschaffung des Solidaritätszuschlags für 90 Prozent der Steuerzahler greifen. Die Beschäftigten sollen damit um rund zehn Milliarden Euro pro Jahr entlastet werden. Die Union drängt darauf, auch die letzten zehn Prozent abzuschaffen, die SPD wehrt sich dagegen. Aus der Union hieß es, das letzte Wort sei noch nicht gesprochen. Das gilt nach übereinstimmender Aussage aus den Fraktionen auch für die umstrittene Grundrente. Es geht um einen Aufschlag für all jene, die sonst trotz mindestens 35 Beitragsjahren nur Minirenten bekommen würden. Während die Union dies an eine Prüfung der Bedürftigkeit knüpfen will – so wie im Koalitionsvertrag vereinbart – , lehnt die SPD diese Voraussetzung inzwischen ab. Bei diesem Thema sei man dauernd im Gespräch, sagte Brinkhaus, das Gleiche gelte für das Thema Klima, das auf vielen Ebenen gerade bearbeitet werde. Eine Halbzeitbilanz der großen Koalition wolle man nach der Sommerpause ziehen, hieß es von allen dreien.
Begleitet wurde das Treffen allerdings von einer großen Unruhe wegen des umstrittenen Themas Grundsteuer. Gemeldet wurde aus Parteikreisen zunächst, man habe sich geeinigt. Dann hieß es, die SPD-Fraktion habe noch „Beratungsbedarf“angemeldet. Nach Informationen unserer Redaktion haben sich Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) und das Land Bayern im Grundsatz verständigt. Die Einigung zwischen Bayern und dem Bund sieht Öffnungsklauseln für die Bundesländer vor, dafür wäre zwingend eine Änderung des Grundgesetzes notwendig. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) kündigte an, im Kabinett mit „großer Wahrscheinlichkeit einen Gesetzentwurf vorzustellen“. Die Grundsteuerreform muss – aufgrund eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts – bis Ende des Jahres beschlossen werden.
Zoff gibt es auch beim Thema Mieten: Der kommissarische SPD-Chef Thorsten SchäferGümbel fordert einen bundesweiten Mietendeckel. Ziel sei, die Mieten in gefragten Wohngegenden für fünf Jahre weitgehend einzufrieren, sagte Schäfer-Gümbel dem „Tagesspiegel“. Man wolle damit Zeit gewinnen, um viel zu bauen. „Wir brauchen den Mietpreisdeckel für ganz Deutschland“, sagte er. „Wir werden das in der Koalition in den nächsten Tagen ansprechen.“Merkel setzt dagegen auf private Investoren: „Die beste Antwort auf Wohnungsknappheit ist, neuen Wohnraum zu schaffen.“Fazit: „Da gibt es ein paar Brocken, die vor uns liegen. Die kennt jeder, die sind nicht klein“, räumte Dobrindt ein. Aber „wir glauben, diese auch auf eine verdauliche Größe zusammenstreiten zu können“. Abwarten.