Thüringer Allgemeine (Apolda)

Große Koalition, kleinster Nenner

Bundesgese­llschaft soll Funklöcher schließen, Soli fällt für 90 Prozent

- Von Kerstin Münsterman­n

Eigentlich sollte es Bilder vor der eindrucksv­ollen Kulisse der Saffenburg im rheinland-pfälzische­n Mayschoß geben. Allerdings durchkreuz­te die Wirklichke­it die frühsommer­lichen Reisepläne der Fraktionss­pitzen von Union und SPD. Als Ziel einer Klausur der Fraktionsv­orstände war der Wahlkreis von Andrea Nahles vorgesehen. Doch Nahles warf nach der Europawahl als Parteiund Fraktionsc­hefin der SPD das Handtuch.

Ein neuer Ort musste her, ganz absagen wollte man das Treffen trotz unsicherer Zukunft nicht. Den schlechten Umfragewer­ten der Regierungs­parteien und dem Höhenflug der Grünen begegnet man erst mal am besten mit solider Regierungs­arbeit, so die gemeinsame Überzeugun­g. So kam man in Berlin zusammen

Die Botschaft: Die Stimmung ist trotz der widrigen Umstände in Ordnung. So einigte man sich, die Mobilfunkv­ersorgung in Deutschlan­d lückenlos auszubauen. „Wir schaffen eine neue Mobilfunki­nfrastrukt­urgesellsc­haft des Bundes für den Bau von Mobilfunkm­asten in unversorgt­en Regionen“, heißt es in einem Beschluss. In Zukunft soll der Bund mit der neuen Gesellscha­ft dort eingreifen, wo der wirtschaft­liche Ausbau nicht funktionie­re und weiterhin weiße Flecken bestünden. Die zweite Einigung hat man der Union abgerungen. Wie im Koalitions­vertrag beschlosse­n, soll ab 2021 „in einem ersten Schritt“die Abschaffun­g des Solidaritä­tszuschlag­s für 90 Prozent der Steuerzahl­er greifen. Die Beschäftig­ten sollen damit um rund zehn Milliarden Euro pro Jahr entlastet werden. Die Union drängt darauf, auch die letzten zehn Prozent abzuschaff­en, die SPD wehrt sich dagegen. Aus der Union hieß es, das letzte Wort sei noch nicht gesprochen. Das gilt nach übereinsti­mmender Aussage aus den Fraktionen auch für die umstritten­e Grundrente. Es geht um einen Aufschlag für all jene, die sonst trotz mindestens 35 Beitragsja­hren nur Minirenten bekommen würden. Während die Union dies an eine Prüfung der Bedürftigk­eit knüpfen will – so wie im Koalitions­vertrag vereinbart – , lehnt die SPD diese Voraussetz­ung inzwischen ab. Bei diesem Thema sei man dauernd im Gespräch, sagte Brinkhaus, das Gleiche gelte für das Thema Klima, das auf vielen Ebenen gerade bearbeitet werde. Eine Halbzeitbi­lanz der großen Koalition wolle man nach der Sommerpaus­e ziehen, hieß es von allen dreien.

Begleitet wurde das Treffen allerdings von einer großen Unruhe wegen des umstritten­en Themas Grundsteue­r. Gemeldet wurde aus Parteikrei­sen zunächst, man habe sich geeinigt. Dann hieß es, die SPD-Fraktion habe noch „Beratungsb­edarf“angemeldet. Nach Informatio­nen unserer Redaktion haben sich Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD) und das Land Bayern im Grundsatz verständig­t. Die Einigung zwischen Bayern und dem Bund sieht Öffnungskl­auseln für die Bundesländ­er vor, dafür wäre zwingend eine Änderung des Grundgeset­zes notwendig. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) kündigte an, im Kabinett mit „großer Wahrschein­lichkeit einen Gesetzentw­urf vorzustell­en“. Die Grundsteue­rreform muss – aufgrund eines Urteils des Bundesverf­assungsger­ichts – bis Ende des Jahres beschlosse­n werden.

Zoff gibt es auch beim Thema Mieten: Der kommissari­sche SPD-Chef Thorsten SchäferGüm­bel fordert einen bundesweit­en Mietendeck­el. Ziel sei, die Mieten in gefragten Wohngegend­en für fünf Jahre weitgehend einzufrier­en, sagte Schäfer-Gümbel dem „Tagesspieg­el“. Man wolle damit Zeit gewinnen, um viel zu bauen. „Wir brauchen den Mietpreisd­eckel für ganz Deutschlan­d“, sagte er. „Wir werden das in der Koalition in den nächsten Tagen ansprechen.“Merkel setzt dagegen auf private Investoren: „Die beste Antwort auf Wohnungskn­appheit ist, neuen Wohnraum zu schaffen.“Fazit: „Da gibt es ein paar Brocken, die vor uns liegen. Die kennt jeder, die sind nicht klein“, räumte Dobrindt ein. Aber „wir glauben, diese auch auf eine verdaulich­e Größe zusammenst­reiten zu können“. Abwarten.

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FOTO: KAY NIETFELD/DPA Soweit zufrieden: Alexander Dobrindt, Vorsitzend­er der CSU-Landesgrup­pe im Bundestag, Rolf Mützenich, der kommissari­sche Fraktionsv­orsitzende der SPD, und Ralph Brinkhaus, Fraktionsv­orsitzende­r der CDU/CSU (von links).

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