Erfurt geht auf Gralssuche mit Christoph Hein
Erinnerungen an 1989 und „Die Ritter der Tafelrunde“
Lancelot kehrt zurück zur Tafelrunde. Den Gral hat er nicht gefunden, aber eine Erkenntnis: „Für das Volk sind die Ritter der Tafelrunde ein Haufen von Narren, Idioten und Verbrechern.“Vorher schon blickte aber Keie auf Artus’ Sohn und sprach: „Ich weiß nicht, was wir falsch machten, aber wir müssen offenbar entsetzliche Dummheiten begangen haben, wenn solche Leute das ganze Ergebnis unserer Bemühungen sind.“
So waren sie: „Die Ritter der Tafelrunde“, in der Komödie von Christoph Hein, die 1989 noch auf dem Index zu landen drohte, während das Dresdner Staatsschauspiel längst dafür probte. Viel zu deutlich lugten hinter der Folie der König-Artus-Sage die Genossen vom Zentralkomitee der SED hervor.
Die Uraufführung wurde nicht erlaubt – und nicht verboten. Also fand sie, als eine „Voraufführung“am 12. April statt. „Die Zensoren hatten nicht mehr die Kraft, ein Verbot zu verhängen, aber auch noch nicht den Mut, beherzt eine Freigabe zu erteilen“, erinnerte sich Hein jüngst im Band „Gegenlauschangriff“.
Ein halbes Jahr später hatte die Komödie am Schauspielhaus Erfurt Premiere, eine Woche nach dem 40. DDR-Geburtstag, drei Tage vor dem erzwungenen Rücktritt des Generalsekretärs. Dort, im alten Schauspielhaus, das jetzt ein neues „Kulturquartier“ist, findet am kommenden Dienstag nun eine „Tafelrunde ohne Ritter“statt, mit Theater, Talk und Rap begibt man sich auf „Gralssuche zur friedlichen Revolution in der DDR 1989“.
Christoph Hein wird dabei sein, der Schauspieler Matthias Brenner, der in Erfurt Artus war, auch Regisseur Klaus Stephan, der das damals inszenierte. Spieler vom Theater „Die Schotte“lesen das Stück neu, szenisch eingerichtet vom Schauspieler Karl-Heinz Krause. Und Norman Sinn, Popmusiker und Rapper, befragt das Stück auf seine Aktualität.
Denn Klaus Stephan hatte ja durchaus recht, als er einst im Programmheft notierte, das Stück spiele weder in der Artusburg noch im Politbüro: „Das Stück ist ein poetisches Modell über die Probleme unserer Zeit und unserer Gesellschaft.“Und verkrustete Strukturen, über die die Zeit hinweggeht, gibt es heute auch – und damit jene, die erkennen müssen: „Wir haben unser Leben für eine Zukunft geopfert, die keiner haben will.“
Die „Tafelrunde ohne Ritter“findet tags darauf, ohne Hein, noch mal statt: in der Gedenkstätte Andreasstraße, die den Abend mit dem Theater Erfurt organisiert. Dann holt man auch das Redemanuskript von Generalmajor Josef Schwarz hervor: Der Leiter der Stasi-Bezirksverwaltung Erfurt sprach am 7. Oktober 1989 zum Republikgeburtstag.