Reben
Wein aus der Schweiz wird aus Kostengründen kaum exportiert, dabei gibt es dort fantastische Reben. Ein Grund mehr hinzufahren – gerade im Wallis im Süden des Landes blüht der Weintourismus
Auch im Wallis schwärmt man vom Weinjahr 2019. Die Region im Südwesten der Schweiz ist ohnehin schon mit einem kontinentalen Klima gesegnet, das selbst im Herbst noch Temperaturen von mehr als 25 Grad kennt. Der vergangene Jahrhundertsommer hat dem zweisprachigen Kanton eine perfekte Lese beschert, von der Land und Leute noch lange zehren dürften.
Zum Beispiel in der Kantonshauptstadt Sion (deutsch: Sitten) im französischsprachigen Teil des Kantons. Hier, rund zweieinhalb Stunden Zugfahrt vom geschäftigen Zürich entfernt, hat man der Liebe zu Wein und Wahrheit ein Denkmal gesetzt: Die Celliers de Sion sind der erste Weinpark der Schweiz, gelegen direkt an einem prächtigen sonnengefluteten Hang.
Apollofalter, Eisvögel und Bläulinge flattern
Entlang alter Suolen, die früher zur Bewässerung des Weinbergs genutzt wurden, kann man durch die Reben spazieren und in kleinen Weinhäuslis einkehren. Und echte Entdeckungen machen: Auf nur sechs Hektar pflegt der Winzer Charles Bonvin hier eine winzige Einzellage – der Brûlefer aus der im Wallis sehr beliebten Chasselas-Traube (in Deutschland als Gutedel bekannt) ist ein weißer Spitzenwein gerade zum Àpero, so sonnig und südländisch wie seine Heimat.
Knapp dreißig Kilometer die Rhône hinauf nach Osten bietet sich ein anderes Bild. Das Wasser des Flusses ist – bedingt auch durch ein nahegelegenes Wasserkraftwerk – weit zurückgegangen und hat eine pittoreske Kiesinsellandschaft zurückgelassen, den Wilden Rotten. Der Naturpark Pfyn-Finges hat sich dem Schutz und Wiederaufbau der Region verschrieben, die Flutung des Flussbettes ist ein weiteres mittelfristiges Ziel. Bis dahin kann man hier wunderbar wildwandern – auch hinauf auf die Hänge. Die hier angebauten Reben der im Wallis besonders weit verbreiteten Rotwein-Traube Pinot Noir wurden von einem örtlichen Winzerverbund mit dem Gütesiegel „Pfyfoltru“ausgezeichnet – walliserdeutsch für Schmetterling. Apollofalter, Eisvögel und Bläulinge flattern zwischen den Rebstöcken.
Doch auch richtig weit oben gedeiht im Wallis der Wein. An einem gewaltigen Hang auf über 1000 Metern über Null erstreckt sich in Visperterminen der höchstgelegene zusammenhängende Weinberg Europas. In seiner ganzen Pracht überblickt man den in mehr als 2000 Parzellen aufgeteilten Hang von der gegenüberliegenden Höhe. Einen schmalen Wanderpfad über Stock und Stein entlang erreicht man dort schließlich die Genossenschaftskellerei St. Jodern.
Das Wallis hat Tradition im extrem kleinteiligen Weinbau: Das Rebenziehen ist hier eher Hobby und Nebenverdienst von Privatleuten als Reibach großer Händler. Fast alle lokalen Winzer haben sich in St. Jodern zusammengeschlossen, wo aus den versammelten Trauben herausragende Weine gebaut werden. So wurde etwa der Heida Barrique im Jahr 2014 in London zum besten Weißwein der Welt gekürt, und auch die roten Assemblages – so nennen sie hier die Cuvées – sind ausgezeichnet und atmen die hier oben schon recht frische Alpenluft.