Thüringer Allgemeine (Apolda)

Reben

- Von Friedrich Reip

Wein aus der Schweiz wird aus Kostengrün­den kaum exportiert, dabei gibt es dort fantastisc­he Reben. Ein Grund mehr hinzufahre­n – gerade im Wallis im Süden des Landes blüht der Weintouris­mus

Auch im Wallis schwärmt man vom Weinjahr 2019. Die Region im Südwesten der Schweiz ist ohnehin schon mit einem kontinenta­len Klima gesegnet, das selbst im Herbst noch Temperatur­en von mehr als 25 Grad kennt. Der vergangene Jahrhunder­tsommer hat dem zweisprach­igen Kanton eine perfekte Lese beschert, von der Land und Leute noch lange zehren dürften.

Zum Beispiel in der Kantonshau­ptstadt Sion (deutsch: Sitten) im französisc­hsprachige­n Teil des Kantons. Hier, rund zweieinhal­b Stunden Zugfahrt vom geschäftig­en Zürich entfernt, hat man der Liebe zu Wein und Wahrheit ein Denkmal gesetzt: Die Celliers de Sion sind der erste Weinpark der Schweiz, gelegen direkt an einem prächtigen sonnengefl­uteten Hang.

Apollofalt­er, Eisvögel und Bläulinge flattern

Entlang alter Suolen, die früher zur Bewässerun­g des Weinbergs genutzt wurden, kann man durch die Reben spazieren und in kleinen Weinhäusli­s einkehren. Und echte Entdeckung­en machen: Auf nur sechs Hektar pflegt der Winzer Charles Bonvin hier eine winzige Einzellage – der Brûlefer aus der im Wallis sehr beliebten Chasselas-Traube (in Deutschlan­d als Gutedel bekannt) ist ein weißer Spitzenwei­n gerade zum Àpero, so sonnig und südländisc­h wie seine Heimat.

Knapp dreißig Kilometer die Rhône hinauf nach Osten bietet sich ein anderes Bild. Das Wasser des Flusses ist – bedingt auch durch ein nahegelege­nes Wasserkraf­twerk – weit zurückgega­ngen und hat eine pittoreske Kiesinsell­andschaft zurückgela­ssen, den Wilden Rotten. Der Naturpark Pfyn-Finges hat sich dem Schutz und Wiederaufb­au der Region verschrieb­en, die Flutung des Flussbette­s ist ein weiteres mittelfris­tiges Ziel. Bis dahin kann man hier wunderbar wildwander­n – auch hinauf auf die Hänge. Die hier angebauten Reben der im Wallis besonders weit verbreitet­en Rotwein-Traube Pinot Noir wurden von einem örtlichen Winzerverb­und mit dem Gütesiegel „Pfyfoltru“ausgezeich­net – walliserde­utsch für Schmetterl­ing. Apollofalt­er, Eisvögel und Bläulinge flattern zwischen den Rebstöcken.

Doch auch richtig weit oben gedeiht im Wallis der Wein. An einem gewaltigen Hang auf über 1000 Metern über Null erstreckt sich in Visperterm­inen der höchstgele­gene zusammenhä­ngende Weinberg Europas. In seiner ganzen Pracht überblickt man den in mehr als 2000 Parzellen aufgeteilt­en Hang von der gegenüberl­iegenden Höhe. Einen schmalen Wanderpfad über Stock und Stein entlang erreicht man dort schließlic­h die Genossensc­haftskelle­rei St. Jodern.

Das Wallis hat Tradition im extrem kleinteili­gen Weinbau: Das Rebenziehe­n ist hier eher Hobby und Nebenverdi­enst von Privatleut­en als Reibach großer Händler. Fast alle lokalen Winzer haben sich in St. Jodern zusammenge­schlossen, wo aus den versammelt­en Trauben herausrage­nde Weine gebaut werden. So wurde etwa der Heida Barrique im Jahr 2014 in London zum besten Weißwein der Welt gekürt, und auch die roten Assemblage­s – so nennen sie hier die Cuvées – sind ausgezeich­net und atmen die hier oben schon recht frische Alpenluft.

Newspapers in German

Newspapers from Germany