Ein Zeiss-Planetarium für 10.000 VW Golf
Der Konzern lieferte ab den 70er-Jahren Autos in die DDR. Im Gegenzug erhielten die Wolfsburger unter anderem einen Sternenprojektor aus Jena
Hellauf begeistert ist man in Wolfsburg nicht, als der Volkswagen-Konzern (VW) im Juli 1978 der Stadt ein Zeiss-Planetarium schenkt. Denn genau genommen vermacht das Unternehmen der Kommune nur einen Jenaer Zeiss-Projektor sowie den Rohbau für ein komplettes Planetarium. Die übrigen fünf Millionen Mark für die Fertigstellung des Gebäudes hat Wolfsburg selbst beizusteuern, was nicht jedem im Stadtrat gefällt. Zumal man befürchtet, das Geschenk könne Wolfsburg noch teuer zu stehen kommen. Als das Sternenkino Ende 1983 schließlich eröffnet wird, überwiegt dann doch die Freude, nun eines der modernsten Planetarien der Welt zu besitzen. In der damals gerade mal 45 Jahre alten Stadt bereichert es fortan das noch schmale Kulturangebot.
Aber wie kommt es, dass VW ausgerechnet einen SternenProjektor aus der DDR importiert? Das Planetarium made in GDR ist Teil eines sogenannten Kompensationsgeschäftes, das der Auto-Hersteller mit dem ostdeutschen Außenhandel abgeschlossen hat.
Für 10.000 Golf der ersten Generation erhält Volkswagen diverse Maschinen-Lieferungen sowie den Zeiss-Projektor aus Jena im Wert von 1,5 Millionen D-Mark.
„Als unbestätigtes Gerücht hält sich bis heute die Legende, dass die DDR auch Currywürste für die Betriebskantine von VW geliefert haben soll“, sagt Sachbuchautor Björn Herrmann. In seinem Buch „West-Autos in der DDR“liefert er erstmals einen umfassenden Überblick darüber, welche Pkw-Modelle aus dem nichtsozialistischen Wirtschaftsgebiet ihren Weg auf ostdeutsche Straßen fanden. Honeckers Citroën-Vorliebe ist darin ebenso ein Thema wie die Staatskarossen aus dem Hause Volvo oder die Fiat- und MazdaImporte.
Aber nicht allein auf die hochmoderne Projektor-Technik ist man Anfang der 80er-Jahre in Wolfsburg stolz. Der Planetariumsbau selbst – eine Dreiviertelkuppel, die der Erde entwächst – ist in seiner speziellen Spritzbetonschalen-Bauweise eine Weltneuheit. Und obendrein ein ästhetisches Highlight. Entworfen wird der Kuppelbau vom ostdeutschen Stararchitekten Ulrich Müther, der Paradebauten wie den „Teepott“in Warnemünde oder die Rettungsstation in Binz geplant hat. Die Errichtung übernehmen DDR-Arbeiter, für den Einbau des Projektors reist extra Architektin Gertrud Schille aus Jena an. Heute zählt das Planetarium jedes Jahr ungefähr 50.000 Besucher.
VW, berichtet Autor Herrmann, habe mit seinen Handelsbeziehungen in den Osten wirtschaftliche Interessen verfolgt. Zum einen habe das Unternehmen die DDR als „Einfallstor in den Ostblock gesehen, den man gern als Absatzmarkt erschließen wollte“. Zum anderen konnte sich die Konzernführung durchaus vorstellen, dort auch zu produzieren.
Der reißende Absatz, den man beim Golf-Geschäft vermuten könnte, bleibt allerdings aus. Für die Fahrzeuge werden viel zu hohe Preise verlangt. Sie liegen zwischen 30.000 und 35.000 Ost-Mark. Das sind nur die wenigsten DDR-Bürger bereit zu zahlen. Erst als Nachlässe von bis zu einem Drittel gewährt werden, steigt das Interesse. Umso pikierter ist man in Niedersachsen, als die DDR auch mit dem japanischen Konkurrenten Mazda einen 10.000Auto-Deal abschließt. Das Geschäft kam 1981 zustande, als Erich Honecker den asiatischen Hightechstaat besuchte.
Um die Wogen etwas zu glätten, nimmt die SED-Führung den Golf in ihren Genex-Geschenkedienst auf. Westdeutsche können darüber Westprodukte bestellen und mit D-Mark bezahlen, die dann an ihre Verwandten im Osten geliefert werden. Auf diese Weise avanciert der Golf 2 zum meistverkauften West-Wagen in der DDR.
Mit den Westauto-Importen hofft die DDR, das Konsum-Bedürfnis ihrer Bürger zu befriedigen und zugleich für etwas Entspannung auf dem dauerkranken Fahrzeugmarkt zu sorgen. Viel genutzt hat es nicht.
Bei den Staatskarossen dominiert unterdessen Volvo, berichtet Herrmann. Nur Honeckers Kommando fährt französische Citroën-Limousinen. „Citroën zählt damals wegen der Hydropneumatik-Federung zu den bequemsten Fahrzeugen“, sagt Autor Herrmann. Darin wird man wohl auch nicht jedes OstSchlagloch gespürt haben.
Der letzte Franzose, den Honecker 1989 ordert, wird übrigens zu spät geliefert. Da ist der Staatsratsvorsitzende längst aus dem Amt gedrängt worden. Heute befindet sich das Mobil laut Herrmann in der Sammlung eines Leipziger Autohändlers.
Björn Hermann verfasste bisher eigentlich Bücher über Kulturthemen. Aber schon seit seinem 18. Geburtstag hat der gebürtige Bremer einen alten Wartburg 311 in der heimischen Garage stehen. Und auch heute nennt er zwei Wartburgs sein Eigen – darunter den Klassiker 353. Da habe es gar nicht so fern gelegen, sich im Umkehrschluss mit West-Autos hinter der Mauer zu beschäftigen.