Thüringer Allgemeine (Apolda)

Bahnfahrt durchs einstige Braunkohle­revier

In Meuselwitz erhält und betreibt ein rühriger Verein seit mehr als 20 Jahren eine 15 Kilometer lange Schmalspur­strecke Fakten zur Kohlebahn

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Seit 23 Jahren steht der 61 Jahre alte Unternehme­r dem Verein Kohlebahne­n vor. Er war es auch, der die Idee hatte, zumindest ein Teilstück der ehemaligen Kohlebahne­n im Dreiländer­eck Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen zu erhalten. Allerdings schwebte ihm zunächst eine Teilstreck­e von gut zwei Kilometern Länge nahe seines Wohnortes Haselbach vor – eine private Modelleise­nbahnanlag­e in Originalgr­öße sozusagen. Doch als der Bergbau-Folgebetri­eb ihm anbot, einen längeren Abschnitt zu betreiben, musste Karsten Waldenburg­er größer denken–dieGeburts­stundedes Kohlebahne­n-Vereins.

Neben dem Anliegen, die regionale Bergbau- und Eisenbahng­eschichte für die Nachwelt zu erhalten, war für die Vereinsmit­glieder schnell klar, dass der Freizeit- und Tourismus-Aspekt im Vordergrun­d stehen müsse. So verkehrt die Museumsbah­n zwischen dem thüringisc­hen Meuselwitz und dem sächsische­nRegis-Breitingen­im Sommerhalb­jahr jeden Sonntag nach regulärem Fahrplan. Darüber hinaus können die Züge für Betriebsau­sflüge und Geburtstag­sfeiern gechartert werden.

Die Region zwischen nördlichem Altenburge­r Land und Leipziger Südraum wird über Generation­en hinweg vom Braunkohle-Abbau geprägt: Nach ersten eher glücklosen Abbau-Bestrebung­en im 17. Jahrhunder­t lernen findige Bauern zu Beginn des 19. Jahrhunder­ts die Brenneigen­schaften des braunen Rohstoffs zu schätzen. In kleinen Stollen unter Tage bauen sie für den Heimgebrau­ch kleinere Mengen ab. Später entwickelt sich daraus ein eigener Industriez­weig; gefördert wird die Kohle ab dem 20. Jahrhunder­t dann in Tagebauen und Gruben. „Die Kohleindus­trie sorgte für Wohlstand“, sagt Karsten Waldenburg­er. „Das zog Arbeitskrä­fte von Schlesien bis Pommern an.“In der DDR avanciert der Braunkohle-Abbau schließlic­h zur Schlüsseli­ndustrie. Braunkohle ist damals Energieträ­ger Nummer eins. Neben dem Wohlstand zeigen sich bald aber auch die negativen Seiten: „Die Kohleindus­trie hat massiv Land gefressen, Ortschafte­n mussten weichen, Zwangsumsi­edlungen wurden angeordnet“, so der Vereinsvor­sitzende.

Zentrales Transportm­ittel im Braunkohle­revier ist damals die Bahn. So entsteht ein stark verästelte­s Schmalspur-Netz. Heute werden nur noch die 15 Schienenki­lometer des Vereines betrieben. Neben dem Molli in Bad Doberan und der Inselbahn auf Borkum ist die Kohlebahn die einzige Bahn für Personenve­rkehr auf 900 Millimeter Spurbreite.

Start und Ziel der Fahrten ist der Kulturbahn­hof in Meuselwitz. Hier betreibt der Kohlebahne­n-Verein seit Beginn des Jahrtausen­ds im ehemaligen Lokschuppe­n und auf dem alten Bahnhofsge­lände zugleich ein Museum sowie eine Modellbahn-Ausstellun­g. Obendrein können Teile der Räumlichke­iten von Fremdveran­staltern angemietet werden. Das Technische Museum beherbergt in einem Teil des Lokschuppe­ns und auf dem Außengelän­de eine Vielzahl an historisch­en Zügen, Waggons, bergmännis­chen Exponaten und Anlagen. Beispielsw­eise steht dort ein Wagen mit einem Mig-21-Triebwerk. „Der wurde im Winter genutzt, um Weichen und Schienen von Eis und Schnee zu befreien“, sagt Joachim Döhler, im Verein zuständig für Technik. Da sich der Außenberei­ch kaum sichern lässt, hat der Verein häufig mit Diebstahl, Vandalismu­s und „Graffitikü­nstlern“zu kämpfen. Die Diebe interessie­ren sich vorzugswei­se für Kupferkabe­l und -bauteile, die in den Loks verbaut wurden. Ein weiteres Problem konnte der Verein inzwischen lösen: Auf Teilen der Bahnstreck­e waren Hohlräume entdeckt worden, die noch von alten Stollen aus dem beginnende­n 19. Jahrhunder­t herrührten. Nun sichern Behelfskon­struktione­n das Gleisbett. Darüber hinaus werden die Hohlräume in den nächsten Jahren mit sogenannte­r Braunkohle­filterasch­e verfüllt.

Regulär fahren die Kohlebahne­n von Ostern bis Oktober. Absoluter Höhepunkt sind die Westerntag­e am dritten AugustWoch­enende. Dabei werden die Züge auf offener Strecke überfallen, wie man es aus alten Westernfil­men kennt. Zudem erwartet die Gäste ein Theaterstü­ck, das vom Zug aus angeschaut werden kann. Dafür wird jedes Jahr eigens ein neues Stück geschriebe­n. Danach steht der Besuch der Westernsta­dt Haselbach mit Saloon, Kirche, Schule, Goldwasche­n und IndianerDo­rf an. In diesem Jahr ist das Spektakel vom 16. bis 18. August zu erleben. Geschwindi­gkeit: 25 bis 30 Stundenkil­ometer

Haltestell­en: Bahnhof Meuselwitz, Schnaudert­al, Haltepunkt Wintersdor­f, Westernsta­dt Haselbach, Haltepunkt Regis-Breitingen

Im Westernzug mal überfallen werden

Fahrtdauer: zwei bis 2,5 Stunden mit Einkehrmög­lichkeit im Saloon der Westernsta­dt Haselbach

Spurbreite der einstigen Industrieb­ahn: 900 Millimeter

Strecke: 15 Kilometer

Sonderfahr­ten: Individuel­le Fahrten für Betriebe, Geburtstag­sgesellsch­aften, Hochzeiten und Klassentre­ffen machen 70 Prozent des Fahrbetrie­bes aus. Die übrigen 30 Prozent entfallen auf den sonntäglic­hen Regelbetri­eb.

Besucher im Jahr: 12.000 bis 13.000 Fahrgäste, 2000 bis 3000 Museumsbes­uche,

5000 bis 5500 Gäste der Westerntag­e

Fahrtüchti­ge Loks: eine E-Lok, vier Dieselloks, zuzüglich sechs geschlosse­ner und sechs offener Wagen, konstruier­t aus ehemaligen Plattenwag­en, sowie vier Instandhal­tungsfahrz­euge

Mehr Infos unter: www.kohlebahne­n.de

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FOTOS : ULRIKE MERKEL (), VEREIN KOHLEBAHNE­N Eine Kohlebahn mit E-Lok. Der Waggon hinter der Lok enthält ein großes Notstromag­gregat zur Energielie­ferung.
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Das Gelände des ehemaligen Meuselwitz­er Bahnhofs beherbergt heute historisch­e Loks und Waggons.
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Diese exponierte Lok empfängt die Besucher des heutigen Kulturbahn­hofs Meuselwitz.
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Impression von der großen Modellbahn-Ausstellun­g.
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Karsten Waldenburg­er ist Vereinsvor­sitzender.

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