Viel zu blond ist dieser Bart...
Theaterspektakel entführt in eine Fahrradwerkstatt – TV-Team dreht dort Situationskomödie
Jede Menge Klischees, Verwechslungen, Chaotisches, ganz bestimmt viel zum Lachen, dazu wie gewohnt natürlich auch Musik von einer Live-Band sowie Videos auf einer Großleinwand gibt es zum diesjährigen Sommerspektakel des Theaterhauses „Hätte hätte Fahrradkette“. So heißt die turbulente Inszenierung des Regieteams „Wunderbaum“.
Und wie der Titel schon verrät, wird das Publikum in eine Fahrradwerkstatt entführt. Nein, keine gewöhnliche, sondern eine am Saaleradwanderweg. Sie soll der ausgewählte Standort für den Dreh einer Sitcoms sein, also auf Neudeutsch: einer Situationskomödie, wie sie hundertfach als Billigware in den Fernsehsendern hoch und runter laufen.
Das heißt, das Filmteam will eine Comedy-Serie drehen mit möglichst vielen Schenkelklopfern, die auch noch einen bisher ziemlich vernachlässigten Markt bedienen soll – nämlich sowohl den deutschen als auch den arabischen Raum. Und man ahnt: Es geht um arabische Flüchtlinge in Deutschland. Die „neuen Deutschen“, die eben noch Syrer waren, treffen auf die „alten Deutschen“. Missverständnisse sprachlicher und wohl auch kultureller Art sind da vorprogrammiert und wohl auch gewollt. Und diese Turbulenzen setzen sich fort bei den Darstellern des Fernsehteams, das die Rahmenhandlung bildet.
Doch zur Hauptperson der Situationskomödie: In der Fahrradwerkstatt arbeitet ein Syrer namens Abdo, der aus seiner Heimat geflohen ist und hier einen Job in der Fahrradwerkstatt des Besitzers Hans, einem konservativen deutschen Urgestein, gefunden hat.
Doch dann kommt Besuch, und alles gerät aus den Fugen: Mit Said und Aziz rücken zwei seiner Freunde an, mit denen er aus Syrien geflohen war und die er lange nicht gesehen hat. Um Eindruck auf sie zu machen, gibt er sich als Besitzer das Fahrradladens aus und nutzt dabei auch die Sprachbarriere zwischen ihm und seinem Chef, den er als seinen Angestellten vorstellt. Das Ganze wird also komisch. Und noch komischer wird es, als auch noch zwei holländische Fahrrad-Touristen eintreffen, von denen einer durch Walter Bart verkörpert wird – kein Kunststück als niederländischer Künstler vom „Wunderbaum“.
Aber keine Angst, meint Dramaturg Thorben Meißner: Bei aller Verwirrung bleibt doch das Publikum in der komfortabelsten Rolle des Theaterabends. Es behält nämlich im Gegensatz zu manchen Matadoren auf der Bühne immer den Durchblick. Denn auch wenn bei dieser deutschsprachigen Inszenierung doch auch mal ein paar arabische und englische Worte durch die Theaterluft schwirren: Den Zuschauern wird alles in deutschen Übertiteln übersetzt. Für arabische Zuschauer – und die möchte man auch haben – läuft zudem alles mit eingeblendeten deutschen Übertiteln ab.
Das Theaterhaus wäre nicht das Theaterhaus, wenn es nicht für viel Authentizität in der Umsetzung des Stücks sorgen würde. So wird in der Rolle des Abdo der syrische Schauspieler und Schauspiellehrer Bassam Dawood zu erleben sein. Ein Mann, dem man nicht gleich seine arabische Herkunft ansieht. So kommt es auch in der Rahmenhandlung zu einem Streit, weil dem Produzenten der Fernsehklamotte (Leon Pfannenmüller) der Bart des Syrers viel zu blond ist. Das ginge ja gar nicht.
Die beiden Besucher von Ab do werden ebenfalls von Syrern gespielt: Ahmad Alharfi und Ramez Basheer. Auch Pina Bergemann, Henrike Commichau, André Hinderlich, Mona Vojacek Koper und Inaam Wali-Al Battat sind mit von der Partie. Letztgenannte war schon im Irak eine prominente Schauspielerin und Sängerin, die 1990 sogar dreimal als beste Hauptdarstellerin mit dem Nationalpreis ihrer Heimat ausgezeichnet wurde. Beim Theaterspektakel übernimmt sie die Rolle der Fernseh-Regisseurin.