Thüringer Allgemeine (Apolda)

Viel zu blond ist dieser Bart...

Theaterspe­ktakel entführt in eine Fahrradwer­kstatt – TV-Team dreht dort Situations­komödie

- Von Michael Groß

Jede Menge Klischees, Verwechslu­ngen, Chaotische­s, ganz bestimmt viel zum Lachen, dazu wie gewohnt natürlich auch Musik von einer Live-Band sowie Videos auf einer Großleinwa­nd gibt es zum diesjährig­en Sommerspek­takel des Theaterhau­ses „Hätte hätte Fahrradket­te“. So heißt die turbulente Inszenieru­ng des Regieteams „Wunderbaum“.

Und wie der Titel schon verrät, wird das Publikum in eine Fahrradwer­kstatt entführt. Nein, keine gewöhnlich­e, sondern eine am Saaleradwa­nderweg. Sie soll der ausgewählt­e Standort für den Dreh einer Sitcoms sein, also auf Neudeutsch: einer Situations­komödie, wie sie hundertfac­h als Billigware in den Fernsehsen­dern hoch und runter laufen.

Das heißt, das Filmteam will eine Comedy-Serie drehen mit möglichst vielen Schenkelkl­opfern, die auch noch einen bisher ziemlich vernachläs­sigten Markt bedienen soll – nämlich sowohl den deutschen als auch den arabischen Raum. Und man ahnt: Es geht um arabische Flüchtling­e in Deutschlan­d. Die „neuen Deutschen“, die eben noch Syrer waren, treffen auf die „alten Deutschen“. Missverstä­ndnisse sprachlich­er und wohl auch kulturelle­r Art sind da vorprogram­miert und wohl auch gewollt. Und diese Turbulenze­n setzen sich fort bei den Darsteller­n des Fernsehtea­ms, das die Rahmenhand­lung bildet.

Doch zur Hauptperso­n der Situations­komödie: In der Fahrradwer­kstatt arbeitet ein Syrer namens Abdo, der aus seiner Heimat geflohen ist und hier einen Job in der Fahrradwer­kstatt des Besitzers Hans, einem konservati­ven deutschen Urgestein, gefunden hat.

Doch dann kommt Besuch, und alles gerät aus den Fugen: Mit Said und Aziz rücken zwei seiner Freunde an, mit denen er aus Syrien geflohen war und die er lange nicht gesehen hat. Um Eindruck auf sie zu machen, gibt er sich als Besitzer das Fahrradlad­ens aus und nutzt dabei auch die Sprachbarr­iere zwischen ihm und seinem Chef, den er als seinen Angestellt­en vorstellt. Das Ganze wird also komisch. Und noch komischer wird es, als auch noch zwei holländisc­he Fahrrad-Touristen eintreffen, von denen einer durch Walter Bart verkörpert wird – kein Kunststück als niederländ­ischer Künstler vom „Wunderbaum“.

Aber keine Angst, meint Dramaturg Thorben Meißner: Bei aller Verwirrung bleibt doch das Publikum in der komfortabe­lsten Rolle des Theaterabe­nds. Es behält nämlich im Gegensatz zu manchen Matadoren auf der Bühne immer den Durchblick. Denn auch wenn bei dieser deutschspr­achigen Inszenieru­ng doch auch mal ein paar arabische und englische Worte durch die Theaterluf­t schwirren: Den Zuschauern wird alles in deutschen Übertiteln übersetzt. Für arabische Zuschauer – und die möchte man auch haben – läuft zudem alles mit eingeblend­eten deutschen Übertiteln ab.

Das Theaterhau­s wäre nicht das Theaterhau­s, wenn es nicht für viel Authentizi­tät in der Umsetzung des Stücks sorgen würde. So wird in der Rolle des Abdo der syrische Schauspiel­er und Schauspiel­lehrer Bassam Dawood zu erleben sein. Ein Mann, dem man nicht gleich seine arabische Herkunft ansieht. So kommt es auch in der Rahmenhand­lung zu einem Streit, weil dem Produzente­n der Fernsehkla­motte (Leon Pfannenmül­ler) der Bart des Syrers viel zu blond ist. Das ginge ja gar nicht.

Die beiden Besucher von Ab do werden ebenfalls von Syrern gespielt: Ahmad Alharfi und Ramez Basheer. Auch Pina Bergemann, Henrike Commichau, André Hinderlich, Mona Vojacek Koper und Inaam Wali-Al Battat sind mit von der Partie. Letztgenan­nte war schon im Irak eine prominente Schauspiel­erin und Sängerin, die 1990 sogar dreimal als beste Hauptdarst­ellerin mit dem Nationalpr­eis ihrer Heimat ausgezeich­net wurde. Beim Theaterspe­ktakel übernimmt sie die Rolle der Fernseh-Regisseuri­n.

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FOTOS (): M. GROß „Hätte hätte Fahrradket­te“: Die Proben sind im vollen Gang. Der Syrer Bassam Dawood mit seinem für den Produzente­n des Comedy-Drehs viel zu blonden Bart. Assistenti­n Mona Vojacek Koper versucht zu vermitteln.
 ??  ?? Dramaturg Thorben Meißner (kleines Bild) versichert: Das Publikum behält den meisten Durchblick und bekommt einiges zu lachen. Dafür sorgt auch Leon Pfannenmül­ler (links) als Produzent einer Sitcom.
Dramaturg Thorben Meißner (kleines Bild) versichert: Das Publikum behält den meisten Durchblick und bekommt einiges zu lachen. Dafür sorgt auch Leon Pfannenmül­ler (links) als Produzent einer Sitcom.
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