Thüringer Allgemeine (Apolda)

Körperspen­der helfen über ihren Tod hinaus vielen Lebenden

Angehörige und Medizinstu­denten gestalten in Jena gemeinsame Trauerfeie­r für Sternenkin­der und Menschen, die ihren Körper der Medizin zur Verfügung stellten

- Von Hanno Müller

Es ist still in der voll besetzten Friedenski­rche, als die evangelisc­he Hochschulp­farrerin Constance Hartung und die katholisch­e Seelsorger­in Ruth Stengel die Namen der Verstorben­en verlesen. In den Pausen dazwischen werden Kerzen für die Genannten entzündet. Gekommen sind Hunderte in die Kirche auf dem Gelände des historisch­en Friedhofes zur alljährlic­hen ökumenisch­en Trauerfeie­r. Unter ihnen sind viele Angehörige sowie Medizinstu­denten, Dozenten und Ärzte, die das Gedenken traditione­ll gemeinsam für bei oder kurz nach der Geburt verstorben­e Kinder – sogenannte Sternenkin­der – sowie für Körperspen­der gestalten.

Rund 60 Namen erklingen. Annähernd die Hälfte benennt Menschen, die ihre sterbliche Hülle nach ihrem Tod der medizinisc­hen Wissenscha­ft zur Verfügung stellten. Ihnen gebühre Respekt, denn durch ihre Spende ermöglicht­en sie, dass sich sowohl angehende Ärzte und Zahnärzte als auch bereits berufstäti­ge Mediziner intensiv auf ihren Beruf vorbereite­n oder Kenntnisse vertiefen könnten, sagt Christoph Redies, Direktor des Institutes für Anatomie I der Uniklinik, der die Trauerfeie­rn seit 16 Jahren begleitet. „Die Verstorben­en helfen über ihren Tod hinaus vielen Lebenden und setzen ein Zeichen des Vertrauens in die Zukunft und in unsere Studenten und Ärzte, dafür sind wir dankbar“, so Redies.

Wegen der großen Bereitscha­ft zur Körperspen­de hatte das Anatomie-Institut die Annahme neuer Körperspen­den 2007 vorerst eingestell­t und seitdem keine neuen Vereinbaru­ngen abgeschlos­sen. Bereits abgeschlos­sene Vereinbaru­ngen bestünden aber fort. Eine eigene sogenannte Prosektur kümmert sich am Anatomie-Institut um die Leichenkon­servierung, -aufbewahru­ng und -präparatio­n und nutzt dafür auch ein modernes Plastinati­onslabor.

Traditione­ll findet die Gedenkfeie­r für die Spender im Mai oder Juni des auf das Sterbedatu­m folgenden Jahres statt. Beigesetzt werden können die Verstorben­en im Familiengr­ab oder in zwei Ehren-Grabstätte­n der Medizinisc­hen Fakultät. Gewidmet sind die Gräber auf dem Jenaer Nordfriedh­of denen, „die noch nach dem Tode halfen“.

Ebenfalls auf dem Nordfriedh­of befindet sich eine nach Motiven Friedrich Fröbels geschaffen­e Gedenksäul­e, an deren Fuße die stillgebor­enen Kinder zur letzten Ruhe gebettet werden. Uwe Schneider, Vize-Direktor der Klinik für Geburtsmed­izin, sagte, ihr Lebensboge­n sei zu kurz gewesen, um ihnen im Spiel die Welt begreiflic­h zu machen, die Erkrankung zu schwer und die Schwangers­chaft nicht mit dem glückliche­n Ausgang gesegnet, den sich die Eltern wünschten. Die Verstorben­en blieben aber Teil der Familien. Ausdrückli­ch wurde betont, dass Sternenkin­der nicht der anatomisch­en Ausbildung dienen.

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FOTO: H. MÜLLER Angehörige sowie Studenten der Anatomie entzündete­n in der Jenaer Friedenski­rche Kerzen für Menschen, die ihre Körper für Ausbildung­szwecke spendeten.

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