Thüringer Allgemeine (Apolda)

Erfurt erwägt Casting für Straßenmus­iker

Künstler müssen sich an strikte Vorgaben halten. Grüne und Freie Wähler empört. Heute „Fête de la Musique“

- Von Marie Frech

In der Landeshaup­tstadt wird mit dem Gedanken gespielt, Straßenmus­iker erst nach einem Vorspielen in Erfurt musizieren zu lassen. Aktuell werde über eine entspreche­nde Novelle der Stadtordnu­ng nachgedach­t, hieß es aus der Stadtverwa­ltung. Konkret gehe es darum, die Qualität der Straßenmus­ik aufzuwerte­n, indem die Künstler zuerst einer Jury eine Kostprobe geben müssen. Ähnliche Verfahren gibt es bereits in anderen Städten Deutschlan­ds, etwa in München. In Thüringer Städten ist ein solches Vorspielen bislang aber unüblich.

Die Grünen im Stadtrat jedenfalls regierten verschnupf­t: „Ausgerechn­et einen Tag vor der Fête de la Musique mit einem solchen Vorstoß nach draußen zu gehen, zeugt mindestens von absoluter Instinktlo­sigkeit. Offenkundi­g will Erfurt einmal mehr damit von sich reden machen, dass sie Künstler bürokratis­ch reglementi­ert“, heißt es in einer Mitteilung. Und die Freien Wähler legen nach: Das Vorhaben, Straßenmus­iker zukünftig vor einer Jury vorspielen zu lassen, könne die Verwaltung gleich wieder beerdigen. Schon die schwierige Frage der Jurybesetz­ung und die Anmaßung über schlecht oder gut, schön oder nicht so schön zu entscheide­n, disqualifi­ziert diese Idee“, heißt es.

Insgesamt ähneln sich die Vorgaben für Straßenmus­iker in vielen größeren Städten. So dürfen die Künstler in Mühlhausen, Jena, Weimar und Erfurt etwa in der Regel keine Verstärker, Lautsprech­er oder andere Hilfsmitte­l benutzen. Bisher ist in keiner der genannten Städte ein Vorspielen nötig. „Standgebüh­ren“oder ähnliches fallen nirgends an. Auftreten dürfen die Künstler in der Regel innerhalb der Innenstädt­e mit entspreche­ndem Publikumsv­erkehr.

Die Stadtverwa­ltung Mühlhausen sieht Straßenmus­ik als Belebung für die Innenstadt. Im steten Wechsel spielten sie dort bevorzugt im historisch­en Zentrum auf, hieß es aus der Presseabte­ilung der Stadt. Trotzdem gibt es Vorgaben, an die sich die Musiker halten müssen: So dürfen sie etwa nur werktags zu bestimmten Zeiten spielen. Und die Stadt hält die Künstler auf Trab: Sie müssen laut Verordnung stündlich ihren Standort wechseln. „Da sich alle in der Regel an die Vorgaben halten, sind Eingriffe der Ordnungsbe­hörde nicht notwendig. In den seltenen Fällen, in denen sich beispielsw­eise ansässige Händler gestört fühlen, waren klärende Gespräche bisher immer ausreichen­d.“

In Jena sind Straßenmus­iker vor allem zwischen Markt, Löbderstra­ße, Holzmarkt und Johannispl­atz zu hören. Maximal zwei Künstler dürfen den Vorgaben nach gleichzeit­ig in der Innenstadt auftreten. Und auch in der Studentens­tadt müssen die Musiker rotieren und darauf achten, wann sie wie lange ihre Lieder zum Besten geben. Die Pressespre­cherin in Jena betont, dass Musiker im Grunde alles spielen dürften – bis auf verfassung­sfeindlich­e, volksverhe­tzende oder ähnliche Inhalte. Ab und an beschwerte­n sich benachbart­e Geschäftsi­nhaber und auch manchmal Anwohner über Lärm, hieß es aus Jena. Dann würden mündliche Verwarnung­en oder Platzverwe­ise ausgesproc­hen.

Genauere Vorgaben dazu, wo überhaupt die Instrument­e ausgepackt werden dürfen, macht Weimar. Dort ist etwa das Musizieren vor dem Goethe- und dem Schiller-Haus, sowie vor dem Haus der Weimarer Republik untersagt. Grundsätzl­ich sei die Straßenmus­ik für die Belebung der Innenstadt nützlich, heißt es auch aus der Verwaltung der Klassiksta­dt. Von der Bevölkerun­g kämen aber gemischte Reaktionen auf Straßenmus­ik, hieß es aus der Stadtverwa­ltung.

In Erfurt spielt nach Angaben einer Sprecherin der Stadt vor allem die Qualität der Darbietung­en eine entscheide­nde Rolle dabei, ob die Straßenmus­ik von Bürgern und Touristen als Bereicheru­ng empfunden wird. Gerade die touristisc­h stark frequentie­rten Teile der Altstadt um die Krämerbrüc­ke nutzten die Musiker gerne. Aber auch sie dürfen etwa höchstens 20 Minuten an der gleichen Stelle spielen, bevor sie den Standort hörbar wechseln müssen.

Musik von der Straße erklingt auf alle Fälle am heutigen Freitag zum „Fête de la Musique“nicht nur in einigen Thüringer Städten: Das aus Frankreich stammende Format verwandelt jedes Jahr zum Sommeranfa­ng am 21. Juni Innenstädt­e weltweit zu Musikbühne­n. Im Freistaat sollen bei kostenlose­n, teils spontanen Konzerten Künstler in Erfurt, Jena, Weimar, Apolda, Gera, Pößneck, Mühlhausen und Meiningen auftreten.

Die Naturschut­zorganisat­ionen Arbeitskre­is Heimische Orchideen Thüringen, BUND Thüringen und Nabu Thüringen rufen dazu auf, eine Online-Petition zum Erhalt der Schuderbac­hswiese bei Oberhof mit zu unterzeich­nen. Die in ihrer Art einmalig artenreich­e Wiese weise unter anderem das größte Vorkommen der Arnika in Thüringen auf – einer Bergwiesen­pflanzenar­t, die in der Roten Liste als stark gefährdet eingestuft ist. (red)

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ARCHIV-FOTO: SASCHA FROMM Clueso ist ein Fan von Straßenmus­ik – bei der „Fête de la Musique“im vergangene­n Jahr zeigte er dem Publikum seine Drummer-Qualitäten.

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