Institut mahnt bessere Vermarktung der Thüringer Zulieferbranche an
Große Autokonzerne verlangen von Mittelständlern enorme Investitionen. Heute wird Veranstaltungsreihe fortgesetzt
In der europäischen Automobilindustrie und bei deren Zulieferern tobt ein knallharter Wettbewerb, dem sich auch die Thüringer Unternehmen nicht entziehen können.
Wie sich die Firmenlenker darauf eingestellt haben und welche Erwartungen sie an die Politik im Lande haben – wie diese die Firmen unterstützen kann – darüber diskutiert Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee in diesen Tagen in mehreren Runden mit Vertretern der Branche.
Er freue sich, dass der Auftakt dieser Gesprächsreihe in seiner Geburtsstadt Gera stattfinde, erklärte der SPD-Politiker beim Besuch der Firma Dagro Eissmann Automotive. Das Unternehmen fertigt Inneneinrichtungen für Pkw und um diese Sparte der Thüringer Zulieferer drehte sich auch die Diskussion an diesem Tag.
„Wir wissen alle vor welchen großen Herausforderungen die Autobranche in diesen Monaten steckt“, sagte Tiefensee. Auch ohne die Transformation und das Thema alternative Antriebe, gebe es mit dem veränderten Mobilitätsverhalten der Menschen und der Verlagerung des Marktes von Europa nach Asien und Amerika genug große Aufgabe zu bewältigen.
Thüringen müsse seine durchaus vorhandenen Kompetenzen in der Fahrzeug-Zulieferbranche besser vermarkten, weil man diese außerhalb der Landesgrenzen noch nicht ausreichend wahrnehme, forderte Werner Olle vom Chemnitz Automotive Institute. Er hat im Auftrag des Ministeriums diese Industriesparte im Freistaat näher untersucht. Diese müsse zahlreiche Änderungen gleichzeitig verkraften. „Es gibt neue Märkte, neue Wettbewerber und eine neue Form der Mobilität“, erklärte Olle. Hinzu kämen noch neue Materialien und neue Antriebe, so der Wissenschaftler. In den verschiedenen Sparten der Zulieferbranche hätte dieser rasante Wandel unterschiedliche Beschäftigungseffekte.
So könnten die Firmen im Bereich Karosserie mit einem Zuwachs von zwei bis drei Prozent bei der Beschäftigung rechnen, bei de Innenausstattung sei ein Zuwachs von sieben bis acht Prozent und beim Thema Elektronik, Informationstechnologie sogar von fünfzehn bis siebzehn Prozent zu erwarten.
Dagegen gebe es bei den „Sorgenkindern“unter den Zulieferern – dem Bereich Fahrwerke mit minus fünf bis sieben Prozent – und auch dem Bereich Antriebe – mit bis zu minus 20 Prozent – einen Jobabbau. „Allerdings betrifft dies die Unternehmen regional sehr verschieden“, sagte Olle.
Auf die enormen Kosten für die Entwicklung neuer Bauteile verweist der Geschäftsführer des Autozulieferers Decon Kunststofftechnik GmbH aus Sonneberg, Mario Drabert, Seine Firma fertigt im hartumkämpften Autoteilemarkt unter anderem Lüftungsgitter. Da werde von den großen Automobilkonzernen erwartet, dass der kleine Mittelständler 20 Millionen Euro in eine Entwicklung oder die Anschaffung neuer Werkzeuge investieren, ohne entsprechende Abnahmegarantien. Das sei natürlich einfacher zu stemmen, wenn man Partner wie die Mittelständische Beteiligungsgesellschaft Thüringen im Boot habe, so Drabert.
In Neuhaus am Rennweg fertigt die Firma GB Neuhaus mit 110 Mitarbeitern für die Automobilindustrie. Geschäftsführer Michael Petry verwies ebenfalls auf die Ansprüche der Autokonzerne. So habe ein Unternehmen von seiner Firma erwartet, binnen kurzer Zeit die Fertigung von neun Millionen Teilen im Jahr auf 27 Millionen zu verdreifachen. „Wir mussten 20 neue Leute einstellen und die Automatisierung massiv voranbringen“, erinnert sich Petry.
Dagro Gera hat seine Nische laut Geschäftsführer Robert Kozielski in der Fertigung von exklusiver Innenausstattung für Nobelmarken wie Lamborghini oder Bentley gefunden.
Die zweite Runde des Branchentalks in der Thüringer Zulieferindustrie findet heute bei der Firma Bosch Fahrzeugelektrik in Eisenach statt.