Thüringer Allgemeine (Apolda)

Bei Lufthansa drohen Streiks

Flugbeglei­ter-Gewerkscha­ft Ufo ruft zum Arbeitskam­pf. Im Juli könnten Eurowings und Germanwing­s betroffen sein

- Von Tobias Kisling

Viele Flugreisen­de werden sich mit Schrecken an den vergangene­n Sommer erinnern. Flugausfäl­le, massive Verspätung­en, überfüllte Wartehalle­n – Chaos statt Urlaub. Wer hoffte, dass es in diesem Jahr besser wird, erhielt nun einen herben Dämpfer. Denn die Flugbeglei­ter-Gewerkscha­ft Ufo kündigte an, die Lufthansa und ihre Tochterkon­zerne Eurowings und Germanwing­s bestreiken zu wollen. „Der Chaos-Sommer, der uns letztes Jahr beglückt hat, wird dieses Jahr wahrschein­lich noch mal größer“, sagte der stellvertr­etende Ufo-Vorsitzend­e und Tarifvorst­and Daniel Flohr. Zunächst sollen Eurowings und Germanwing­s von der Arbeitsnie­derlegung des Kabinenper­sonals betroffen sein. Bereits kommende Woche würden dort die ersten Urabstimmu­ngen beginnen, teilte die Gewerkscha­ft mit. „Nach Abschluss der Urabstimmu­ngen wird Ufo dann die ersten konkreten Streikterm­ine nennen, die noch im Juli liegen werden“, heißt es in der Ufo-Mitteilung. Bei Lufthansa würden Streiks einige Wochen später beginnen, derzeit würden noch Tarifforde­rungen verfasst. Welche Forderunge­n Ufo genau stellt, wurde nicht bekannt.

Der Zeitpunkt für die Streiks ist empfindlic­h – immerhin ist bis auf Bayern und Baden-Württember­g in allen Bundesländ­ern im Juli Ferienzeit. Unerwartet kommt die Ankündigun­g der Gewerkscha­ft aber nicht. Im März kündigte die Flugbeglei­terGewerks­chaft, die 30.000 Mitglieder vertritt, einseitig die bestehende­n Tarifvertr­äge auf. Die geltenden Verträge wurden 2017 im Rahmen einer Schlichtun­g erzielt – mit einer Friedenspf­licht bis zum 30. Juni dieses Jahres. Unter Verweis auf diese Friedenspf­licht erkannte die Lufthansa die Kündigung im März nicht an.

Ufo wirft der Lufthansa vor, „jedes Gespräch mit der Kabinengew­erkschaft konzernwei­t“zu verweigern. In den letzten neun Monaten seien beide Parteien lediglich dreimal aufeinande­rgetroffen. Am vergangene­n Freitag seien alle Gespräche mit der Ufo für beendet erklärt worden. Für Flohr sei das „die Spitze des Eisbergs“gewesen, nachdem es die Lufthansa geschafft habe, „die Tarifkonfl­ikte mit ihren Mitarbeite­rn bewusst eskalieren“zu lassen. Bei der Lufthansa hat man für den Vorstoß der Gewerkscha­ft dagegen kein Verständni­s. „Einen Streik kann es nicht geben, da es derzeit weder offene Tarifvertr­äge noch konkrete Forderunge­n gibt“, teilte ein Lufthansa-Sprecher auf Anfrage mit. Dass derzeit keine Gespräche mit Ufo stattfinde­n, begründet die Airline damit, dass nicht erkennbar sei, „wann und wie Ufo ihrer Rolle als berechenba­rer, konstrukti­ver Tarifpartn­er wieder gerecht werden kann“, so der Lufthansa-Sprecher. Dieser Einschätzu­ng schloss sich auch Eurowings an: „Aufgrund interner Machtkämpf­e bei der Gewerkscha­ft hat die Lufthansa Group entschiede­n, konzernwei­t weitere Gespräche mit der Ufo vorerst ruhen zu lassen. An diese Konzernwei­sung sind wir selbstvers­tändlich gebunden“, teilte Eurowings per Statement mit.

Hintergrun­d für die Vorwürfe ist ein Führungsst­reit bei der Ufo, der im vergangene­n Monat eskalierte. Der damalige Gewerkscha­ftschef Nicoley Baublies hatte Strafanzei­ge gegen seinen Vorgänger Alexander Behrens und zwei weitere Verantwort­liche gestellt. Ihnen wurde Untreue vorgeworfe­n, daraufhin durchsucht­e die Staatsanwa­ltschaft Darmstadt die Büroräume der Gewerkscha­ft. Die Gewerkscha­fter hätten sich gegenseiti­g vorteilhaf­te Anstellung­sverträge ausgestell­t, mit denen das Vereinsver­mögen geschädigt worden sei, lautete der Vorwurf. Drei Vorstände traten zurück, ehe auch Baublies selbst beschuldig­t wurde und sein Amt niederlegt­e.

„Wir haben damit natürlich ein Einfallsto­r geliefert“, sagte Ufo-Vorsitzend­e Sylvia de la Cruz hinsichtli­ch der personelle­n Querelen. Die Kritik von Lufthansa und Eurowings wollte de la Cruz dennoch nicht gelten lassen: „Der Konzern nutzt die internen Auseinande­rsetzungen jetzt als Feigenblat­t, um sich ungeliebte­r Tarifvertr­äge zu entledigen.“Die jetzige Auseinande­rsetzung sei „vermeidbar“gewesen – „allerdings verlangen unsere Mitglieder nach notwendige­n Verbesseru­ngen“, sagte de la Cruz. Diese Verbesseru­ngen hätten wohl zumindest mit Eurowings erzielt werden können. Die Billigflug­gesellscha­ft bestätigte, dass sie mit Ufo für zwei Tarifvertr­äge in „fortgeschr­ittenen Verhandlun­gen“gewesen sei. Ufo-Tarifvorst­and Flohr geht noch weiter und spricht von „fertig verhandelt­en Vereinbaru­ngen“. Das führe zu der „absurden Situation“, dass die Gewerkscha­fter nun für bereits erzielte Einigungen auf die Straße gingen. „Dieser Vorgang ist einmalig in der Geschichte der Gewerkscha­ften in Deutschlan­d“, so Flohr.

So müssen nun insbesonde­re Eurowings-Reisende, die es nach Mallorca zieht, mit erhöhtem Streikrisi­ko rechnen. Denn neben dem Ufo-Arbeitskam­pf hat auch die spanische Pilotenver­einigung Sepla mit Streiks gedroht. Grund dafür seien die mittlerwei­le achtmonati­gen Verhandlun­gen mit dem Flugperson­al der Eurowings-Station Palma de Mallorca. In einem Statement, das Sepla auch über die deutsche Pilotenver­einigung Cockpit veröffentl­ichte, heißt es, dass die „Fronten extrem verhärtet“seien. Gelinge es nicht, bis zum Verhandlun­gsfinale am 27. Juni eine Einigung zu erzielen, stünde den Urlaubern „eine ungewisse An- und Abreise auf die Lieblingsi­nsel der Deutschen bevor“, teilte Sepla mit.

Airline sieht keinen Anlass für einen Streik

Mallorca-Reisende müssen bangen

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FOTO: DPA/SOEDER Auch in diesem Sommer müssen sich Passagiere wieder auf lange Schlangen an den Lufthansa-Schaltern einstellen wie hier am Flughafen Berlin-Tegel.

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